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Solidaritätsabend gegen Antisemitismus mit Igor Levit

Elizabeth Grenier
28. November 2023

Nach dem Angriff der Hamas auf Israel beklagte Igor Levit das Schweigen der Kulturszene. Seine Antwort: Ein Abend voller Musik, Reden und Lesungen im Berliner Ensemble. Zahlreiche Prominente folgten seiner Einladung.

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Igor Levit spielt am Klavier
Pianist Igor Levit ist entsetzt über den erstarkenden Antisemitismus in DeutschlandBild: Hannes P Albert/dpa/picture alliance

Die Karten waren sofort ausverkauft. Das Schweigen über den wachsenden Antisemitismus in Deutschland, das der deutsche Pianist Igor Levit beklagt hatte, war gebrochen.

Levit hatte sich im Vorfeld des Konzertes enttäuscht von der deutschen Kulturszene gezeigt, die "normalerweise schnell auf Unrecht reagiert". "Die allermeisten schweigen", sagte Levit im DW-Gespräch vor der Solidaritätsveranstaltung am Dienstagabend in Berlin. "Ein Großteil der Mehrheitsgesellschaft zeigt kein Gesicht."

Michel Friedman: "Jeder kann etwas gegen Hass ausrichten"

Der Abend mit Musik, Lesungen und Redebeiträgen stand unter dem Motto "Gegen das Schweigen. Gegen Antisemitismus". Veranstaltungsort war eines der bedeutendsten Theater der deutschen Hauptstadt, das Berliner Ensemble. Nach Angaben des Veranstalters waren die 700 Karten bereits nach wenigen Minuten ausverkauft. 

Der deutsche Publizist Michel Friedman, der den Abend gemeinsam mit Igor Levit organisiert hatte, sagte in seiner Rede, jeder könne etwas gegen Hass tun.

"Am Ende des Tages sind es, wie immer in der Geschichte der Menschheit, die Wenigen (...), die mit ihrem Hass und ihrem Gift die Menschen vernichten wollen. Aber sie können es nur, weil die Vielen nichts tun." Es liege also an den Vielen, etwas zu tun.

Lieber keine Kippa tragen? 

Auf die Frage, wie die Stimmung unter Jüdinnen und Juden derzeit in Deutschland sei, antwortete Friedman im DW-Interview: "Die Mehrheit ist deprimiert und traurig und denkt auch über Möglichkeiten nach, das Land oder Europa zu verlassen."

Eltern dächten darüber nach, ihren Kindern das Tragen von Kippa oder Davidstern zu verbieten. "Aber was bedeutet das für die Kinder?", fragt Friedman. "Sie lernen, dass Jüdischsein bedeutet, in Gefahr zu sein, Angst zu haben, bedroht zu werden (...)".

Ein Mann am Klavier, eine Frau neben ihm musizierend auf einer dunklen Bühne
Igor Levit spielte gemeinsam mit Cosima Soulez Lariviere Bild: Hannes P Albert/dpa/picture alliance

Am musikalischen Programm des Abends beteiligten sich neben Igor Levit unter anderem der Liedermacher Wolf Biermann, die Band "Die Toten Hosen", der Musiker und Autor Sven Regener, der Komponist Malakoff Kowalski und Joana Mallwitz,  neue Chefdirigentin und künstlerische Leiterin des Konzerthausorchesters Berlin.

Weitere Teilnehmerinnen waren die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, die ZDF-Journalistin Dunja Hayali, die Schauspielerin Katharina Thalbach, die Klimaaktivistin Luisa Neubauer und die Regisseurin Maria Schrader. 

Bei der rund vierstündigen Veranstaltung wurde auch ein Text des französischen Philosophen Jean-Paul Sartre vorgetragen sowie aus Carolin Emckes Buch "Gegen den Hass" vorgelesen. 

Margot Friedländer: "Wir müssen menschlich sein" 

Die 102-jährige Margot Friedländer mahnte in ihrer Rede: "Wir sind doch alle Menschen, kommen auf dieselbe Art und Weise auf diese Welt. Es gibt kein christliches, kein muslimisches, kein jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut." Sie betonte: "Wir dürfen und müssen Acht geben, wir müssen menschlich sein."

Friedländer, die zur Zeit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Berlin lebte und dem Konzentrationslager Theresienstadt lebend entkam, emigrierte nach dem Krieg in die USA und entschied sich 2010, in ihre Geburtsstadt zurückzukehren. Damals dachte sie, "dass sich nie etwas ändern würde. Alles war wunderbar und gut", so Friedländer. Aber, so fügte sie hinzu, "ich bin entsetzt über das, was jetzt passiert".

Ein Mann hält seinen Kopf an den einer älteren Frau.
Michel Friedman und Margot Friedländer - zwei, die eindringlich mahnen und appellierenBild: Hannes P Albert/dpa/picture alliance

Igor Levit: "Ich glaube an den ersten Artikel des Grundgesetzes"

Pianist Levit beschreibt den Abend als eine Art "Trost". Gleichzeitig fragt er sich nach den Ereignissen der letzten Wochen, ob Deutschland noch die beste Heimat für ihn sei. Er selbst, sagt er im DW-Gespräch, würde für jede Minderheit, für jeden, der in Gefahr ist, auf die Straße gehen. "Ich glaube an den ersten Artikel des Grundgesetzes". Er besagt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. 

Levit hat vor, 15 weitere Veranstaltungen wie jene am Montag in Berlin zu organisieren. Der Erlös geht an eine Beratungsstelle für antisemitische Gewalt und an eine Initiative gegen Antisemitismus.

Adaption aus dem Englischen: Bettina Baumann