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ReiseGlobal

Sollte man LGBTQ-feindliche Länder bereisen?

7. Juni 2023

Für queere Menschen ist eine Reise in ein Land mit LGBTQ-feindlichen Gesetzen oft mit Sorgen verbunden. Sollte man deshalb diese Reiseziele boykottieren? DW-Reporter Chiponda Chimbelu zeigt Alternativen auf.

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DW-Reporter Chiponda Chimbelu (rechts) neben seinem Partner Knut (links) im Unteren-Sambesi-Nationalpark in Sambia
DW-Reporter Chiponda Chimbelu (rechts) mit seinem Partner Knut im Sambesi-Nationalpark in SambiaBild: Chiponda Chimbelu/DW

Doppelzimmer oder zwei Einzelzimmer im Hotel? Keine einfache Entscheidung für ein schwules Paar, das in ein Land reist, in dem gleichgeschlechtliche Beziehungen verboten sind. Diese Frage habe ich mir kürzlich auf einer Reise nach Sambia mit meinem deutschen Partner Knut gestellt. Sambia ist eines der vielen Länder in Afrika und im Nahen Osten, die nach dem Gay Travel Index 2023 des Reiseportals "Spartacus" zu den gefährlichsten Reisezielen für queere Menschen gehören.

Aber auch diese Destinationen wollen im Tourismus Geld verdienen. So heißt es auf der offiziellen Tourismus-Website von Saudi-Arabien, dass LGBTQ-Reisende willkommen seien, obwohl das Land weltweit als das restriktivste Reiseziel für queere Menschen eingestuft wird. Den Besuchern wird allerdings empfohlen, ihr Geschlecht und ihre Identität für sich zu behalten. Dieser Schritt zeigt, dass Touristen in Saudi-Arabien nur selten von den Anti-LGBTQ-Gesetzen betroffen sind. "Manche Länder drücken ein Auge zu, wenn es um queere Touristen geht", sagt John Tanzella, Leiter der International Gay and Lesbian Travel Association (IGLTA). 

Dennoch wollte ich in Sambia kein Risiko eingehen - und habe zur Sicherheit nichts gemacht, was uns als Paar in der Öffentlichkeit verraten hätte. Mein Verhalten und meine Ängste sind für queere Menschen nicht ungewöhnlich. "In dem Moment, in dem man zeigt, dass man 'anders' ist, fangen die Probleme an", erzählt Rajiv Desai, ein in Berlin tätiger Experte für Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration. Diejenigen, die sich als heterosexuell ausgeben, haben es leichter in Ländern mit LGBTQ-feindlichen Gesetzen.

Diversity-Experte Rajiv Desai, Experte für Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration
Diversity-Experte Rajiv Desai ist der Meinung, dass der Boykott von LGBTQ-feindlichen Ländern der falsche Weg istBild: Kadambari Misra

Sicherheit und Komfort mit anderen Bedürfnissen abwägen

"Jeder Mensch muss sich überlegen, wer er ist, wohin er reist und was das für ihn bedeutet", erklärt Desai. Die Identität spiele eine wichtige Rolle dabei, wie sicher und wohl man sich an einem Reiseziel fühlt. Aber es gebe noch einen weiteren Aspekt, den man bei einer Reise in ein LGBTQ-feindliches Land berücksichtigen sollte: das Geld.

Auch für mich war das ein wichtiger Punkt, als ich mit Knut nach Sambia gereist bin. Möchte ich, dass mein Geld in in den Kassen einer Regierung landet, die sich nicht für die Rechte der LGBTQ-Community einsetzt? Schlimmer noch: Nur wenige Wochen vor unserer Reise waren vier Frauen festgenommen worden, weil sie bei einer Demonstration gegen sexuelle Gewalt angeblich für Homosexualität geworben hätten, indem sie Regenbogenfahnen trugen. Ein solch hartes Vorgehen schreckt Touristen ab - queere, aber auch heterosexuelle. 

Ein schwuler Mann aus Uganda posiert mit der Regenbogenflagge in Uganda
In vielen afrikanischen Ländern gibt es Anti-LGBTQ-GesetzeBild: ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Wie die internationale Nachrichtensendergruppe Bloomberg kürzlich berichtete, haben die französischen Eltern der Partnerin der ugandischen LGBTQ-Aktivistin Clare Byarugaba eine Reise nach Uganda abgesagt, weil sie mit der extremen Anti-LGBTQ-Gesetzgebung des Landes nicht einverstanden waren. Es sind also nicht nur queere Reisende, sondern auch ihre Unterstützer, die sich Gedanken darüber machen, wohin ihr Geld fließt. Für viele ist ein Boykott der einfachste Weg, Stellung zu beziehen. Aber ist damit den queeren Menschen vor Ort geholfen? "Wir würden niemals zum Boykott auffordern, denn queere Menschen gibt es überall", sagt IGLTA-Leiter John Tanzella.

Für mich persönlich war es wichtig, trotz der Anti-LGBTQ-Gesetze nach Sambia zu reisen. Ich wollte, dass mein Partner meine Familie und das Land kennenlernt, in dem ich aufgewachsen bin.

Für Rajiv Desai wiederum ist Reisen eine "Lernerfahrung". Er hat sich als schwul geoutet, als er in Dubai lebte und arbeitete. Das war zwar eine Herausforderung, half ihm aber auch, besser zu verstehen, wie queere Menschen an Orten mit Anti-LGBTQ-Gesetzen leben. "Es ist spannend, diese Länder zu besuchen und die lokale LGBTQ-Community kennenzulernen", sagt er.

John Tanzella, Leiter der International Gay and Lesbian Travel Association am Strand von Sitges, Spanien
John Tanzella, Leiter der International Gay and Lesbian Travel Association (IGLTA), auf Reisen in Sitges, SpanienBild: Dan Melesurgo/AP/picture alliance

Wie man Unterstützung zeigen kann

Desai glaubt, dass man ohne Boykott mehr erreichen kann: mit der lokalen Community sprechen und verstehen lernen, wie die Betroffenen mit den Gesetzen vor Ort leben. Er stellt fest, dass auch globale (Touristik-) Unternehmen und Regierungen, die während des Pride-Monats die Regenbogenflagge hissen, weiterhin Geschäfte mit diesen Ländern machen. Und das kann sich positiv auf die lokale LGBTQ-Community auswirken, wie zum Beispiel auf Jamaika. Im Jahr 2006 wurde die Insel vom Time Magazine als "der homophobste Ort der Welt" bezeichnet. Zwar werden queere Menschen dort nach wie vor diskriminiert, doch hat sich die Situation im Land verbessert.

"Es gibt immer noch eine Reihe sozialer Probleme für queere Menschen, aber Jamaika ist sicherlich nicht mehr derselbe Ort wie vor zehn Jahren", so Renae Green, Mitglied des Weltvorstands der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) in einer schriftlichen Erklärung. "LGBTQ-Touristen haben definitiv zu der Mentalität und dem Wandel, den wir beobachten, beigetragen."

Reisen prägt aber auch LGBTQ-Touristen selbst. Es kann ihnen helfen, ihre eigenen falschen Vorstellungen über Orte und die Auswirkungen auf LGBTQ-Angehörige auszuräumen. Anstatt sich also auf Boykotte zu konzentrieren, wirbt Desai für mehr Verständnis. Auch die eigenen Regierungen und Länder können gegen Homophobie ein Zeichen setzen, wenn sie beispielsweise Geschäfte in Ländern mit Anti-LGBTQ-Gesetzen machen. Dabei ist es allerdings wichtig, dass sie queere Menschen mit einbeziehen.