Sorge um Kabul - USA verstärken Truppen
12. August 2021Die USA wollen angesichts des Vormarsches der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan ihr Botschaftspersonal in den kommenden Wochen auf ein Minimum reduzieren. Außerdem sollen 3000 zusätzliche Soldaten zur Sicherung des Flughafens nach Kabul verlegt werden, um den Abzug von Teilen des Personals zu unterstützen. Das teilten das US-Außenministerium und das Verteidigungsministerium mit. Die Truppen würden innerhalb der nächsten 48 Stunden vor Ort sein, hieß es in Washington.
Den Taliban nicht trauen
Zugleich versicherte der Sprecher des Außenministeriums, Ned Price, die Botschaft in Kabul bleibe an ihrem derzeitigen Standort geöffnet. "Es handelt sich nicht um eine Evakuierung. Es handelt sich nicht um einen vollständigen Rückzug", so Price. "Wir haben vor, unsere diplomatische Arbeit fortzusetzen". Die Taliban hätten klar und deutlich gesagt, dass sie nicht darauf aus seien, diplomatische Einrichtungen anzugreifen, so Price weiter. Man werde sich auf die Worte einer Gruppe wie der Taliban aber nicht verlassen. Aus diesem Grund treffe man "umsichtige Vorsichtsmaßnahmen".
Das US-Militär will Afghanistan bis Ende August verlassen. Zurückbleiben sollen nur einige hundert Soldaten - vor allem um die US-Botschaft zu schützen. Der Flughafen in Kabul wurde bisher vor allem von türkischen Soldaten im Rahmen des NATO-Einsatzes in Afghanistan gesichert, dort halten sich aber auch US-Soldaten auf. Der sichere Betrieb des Flughafens gilt - zusammen mit einer medizinischen Versorgung - als Voraussetzung dafür, dass Botschaften und internationale Vertretungen im Land bleiben können.
Als sich die USA zum Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan entschieden hatten, befanden sich in dem Land am Hindukusch noch rund 2500 Soldaten. Inzwischen ist der Abzug zu mehr als 95 Prozent abgeschlossen. Die Bundeswehr und die Soldaten anderer NATO-Länder haben Afghanistan bereits verlassen.
US-Präsident Joe Biden hatte seine Abzugspläne Anfang der Woche verteidigt und erklärt, diese nicht zu bedauern. Die Afghanen müssten nun "selbst um ihren Staat kämpfen". Ihre Streitkräfte seien den Taliban militärisch überlegen, auch in Bezug auf die Truppenstärke. "Aber" - so Biden - "sie müssen auch kämpfen wollen".
Die Liste der Eroberungen ist lang
Am Donnerstag war die drittgrößte Stadt Afghanistans, Herat, an die Taliban gefallen. Erobern konnten die Taliban nach eigenen Angaben inzwischen auch Kandahar, die zweitgrößte Stadt des Landes. Die Deutsche Presse-Agentur berichtete, dass ihr zwei Parlamentarier und ein Provinzrat das bestätigt hätten. Auch die 150 Kilometer vor Kabul gelegene Provinzhauptstadt Ghasni ist unter Kontrolle der Islamisten, gleiches gilt für die Stadt Kundus, wo die Bundeswehr lange stationiert war.
Insgesamt wurden mindestens 13 Provinzhauptstädte innerhalb einer Woche von den Taliban erobert. Die Regierungstruppen haben mittlerweile die Kontrolle über den größten Teil des Nordens und Westens von Afghanistan verloren. Die afghanische Regierung kontrolliert neben Kabul lediglich noch eine Handvoll Gebiete und einige wenige Städte.
In der Bevölkerung beliebt?
Ein Sprecher der Islamisten erklärte bei Verhandlungen in Doha, die schnelle Einnahme so vieler Städte zeige, dass die Bevölkerung die Taliban willkommen heiße. Deutschland, die USA, Großbritannien und andere Länder haben ihre Bürger wegen der deutlich verschlechterten Sicherheitslage mehrfach zur schnellstmöglichen Ausreise aus Afghanistan aufgerufen.
Die Internationale Gemeinschaft wird nach Angaben der US-Regierung keine neue afghanische Regierung anerkennen, falls die Taliban die Macht mit Gewalt an sich reißen sollten. Diese Botschaft werde später auch in einer gemeinsamen Stellungnahme mit internationalen Partnern, darunter auch Deutschland, ausgedrückt werden, kündigte Außenministeriumssprecher Price an.
Ähnlich äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Sollten die Taliban mit Gewalt die Macht am Hindukusch ergreifen und ein islamisches Emirat ausrufen, dann würden sie von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt. "Sie werden Isolation erleiden und keine internationale Unterstützung bekommen" warnte Borell.
haz/bru (dpa, rtr, afp)