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Ein Betrieb in Brandenburg

25. Januar 2011

In Berlin findet bis zum 30. Januar die Internationale Grüne Woche statt. Mit dabei auf der weltweit größten Agrarschau ist ein ganz besonderer kleiner Molkereibetrieb aus Brandenburg.

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Der Produktionsleiter Michael Kuper (Foto: dpa)
Produktionsleiter Michael KuperBild: picture-alliance/dpa

Bevor Michael Kuper am Morgen seine Schicht beginnt, zieht er in der Garderobe einen weißen Kittel an, stülpt die obligatorische Gaze-Haube auf den Kopf und schlüpft in weiße Gummistiefel. Hygiene ist wichtig im Milchgeschäft. Michael Kuper ist 42 Jahre alt, Molkereimeister und Chef von Lobetaler Bio, einem Joghurthersteller nahe Berlin. Die Firma gehört zu den Hoffnungstaler Werkstätten und damit zur Bethel-Stiftung. Europas größte Diakonieeinrichtung kümmert sich um die Anliegen von Alten, Kranken, Behinderten und sozial Schwachen.

Ein Mitarbeiter der Lobetaler Bio-Molkerei hält eine Palette mit Bio-Joghurt in den Händen (Foto: dpa)
Ein Mitarbeiter der Lobetaler Bio-Molkerei hält eine Palette mit Bio-Joghurt in den HändenBild: picture-alliance/dpa

Drei Millionen Euro haben die Hoffnungstaler Anstalten in den Lobetal-Neubau gesteckt. Seit Januar 2010 verarbeiten Kuper, drei nichtbehinderte und 14 behinderte Mitarbeiter Biomilch von eigenen Höfen und Früchte aus der Region zu Joghurt, Sahne und Ayran, und füllen alles in umweltfreundliche, selbst entwickelte Becher, die zur Hälfte aus Kreide bestehen.

Für 2012 wird Gewinn erhofft

Zwar steigt die Nachfrage, doch noch schreibt die Firma rote Zahlen; gegen starke Konkurrenten auf dem Berliner Markt muss sie sich erst noch behaupten. Der Betrieb verarbeitet gerade einmal 1,6 Millionen Liter Milch pro Jahr. Zum Vergleich: Beim konventionellen Hersteller Sachsenmilch in der Nähe von Dresden sind es vier Millionen Liter pro Tag. "Ohne die nahe Hauptstadt würde das Lobetaler Konzept überhaupt nicht funktionieren", sagt Kuper. Vor allem die zahlreichen Berliner Biosupermarkt-Ketten und Zuliefererküchen für Schulessen bestellen bei ihm. "Diese Woche haben wir irrsinnigen Umsatz gemacht", freut sich der Molkereimeister und vermutet, "dass es schon die Auswirkungen des Dioxinskandals sind".

"Kopf einschalten beim Lebensmittelkauf"

Über den neuesten Skandal in der Lebensmittelbranche freut sich Kuper außerordentlich. Der Molkereimeister kommt richtig in Fahrt, sobald er über die neuesten Auswüchse von konventioneller Landwirtschaft redet: "Wenn es einen neuen Mercedes-Benz für 5000 Euro geben würde, würde jeder Kunde sagen: 'Hoppla, das kann nicht funktionieren.' Aber bei Lebensmitteln kauft er ein Stück Fleisch für zwei Euro." Kuper wünscht sich deshalb einen nachdenklicheren Verbraucher, "der seinen Kopf auch einschaltet, wenn er Lebensmittel kauft und nicht nur beim Autokauf".

Mitarbeiterin Heidrun Goran kontrolliert die Becher (Foto: Pelzel)
Mitarbeiterin Heidrun Goran kontrolliert die BecherBild: DW

In der Produktionshalle begrüßt Kuper an diesem Morgen seine Leute, die an der automatischen Bechermaschine gerade 900 Liter Sahne abfüllen, von Hand in Kartons packen und anschließend auf Paletten stapeln. Im Moment arbeiten vier nichtbehinderte mit sieben behinderten Menschen zusammen. Jeder hat seinen festen Job, macht das, was er am besten kann. Heidrun Goral zum Beispiel ist gut im Kontrollieren. Der geistig behinderten Frau entgeht kein Sahnebecher, dessen Deckel nicht ordentlich schließt oder auf dem das Datum fehlt.

In einem Großbetrieb würden Maschinen ihre Arbeit und die von einigen anderen Mitarbeitern hier in der Halle übernehmen. Soziale Milchwirtschaft nennen die Lobetaler deshalb ihr Projekt. Sie wollen biologisch erzeugte Waren aus regionaler Produktion in ökologischer Verpackung, von Behinderten und Nichtbehinderten gemeinsam hergestellt. Auch an Gruppenleiterin Antonia Budnowski stellt vor allem letzteres besondere Anforderungen.

Die 34-jährige Molkereifachfrau steht an diesem Vormittag neben der Abfüllanlage und überprüft die Arbeit ihrer Leute. "Es kann zum Beispiel vorkommen, dass jemand einen schlechten Tag hat, sich nicht gut konzentrieren kann oder einfach sehr nervös ist. Dann schafft derjenige es an einem solchen Tag zwar, alle Joghurt-Eimer à zehn Liter mit dem richtigen Etikett zu bekleben." Anschließend stapele er aber die Sorten Erdbeere, Mango und Zitrone falsch. Dann schichtet Antonia Budnowski die Eimer ohne viele Worte um. Sie hat sich ganz bewusst für den Job hier entschieden. "In der industriellen Milchverarbeitung möchte ich nicht arbeiten." Der Job hier mache ihr mehr Spaß, weil er mehr mit Menschen zu tun hat und abwechslungsreicher ist.

Der dazugehörige Milchladen (Foto: DW)
Der dazugehörige MilchladenBild: DW

Zur Abwechslung gehört auch, dass die Molkerei eine riesige Glasfront hat, von der aus man ins Café und den Milchladen sehen kann. Immer wieder stehen Cafébesucher oder gleich ganze Schulklassen dort, schauen bei der Joghurt-Herstellung zu. In diesem Sommer werden hier erstmals Heidelbeeren verarbeitet, die ein Bauer im Nachbarort in großen Mengen für die Lobetaler anbaut. Zukunftspläne haben Kuper und seine Leute mehr als genug: Sie wollen die Käserei ausbauen, noch mehr Joghurt produzieren und vor allem noch mehr Menschen mit Behinderung anstellen.

Autorin: Svenja Pelzel

Redaktion: Dеnnis Stutе / Klaudia Prevezanos