Spaniens Kreuz mit der Kreuzfahrt
9. August 2018Das erste Einlaufen der "Symphony of the Seas" (s. Artikelbild) in diesem Frühjahr empfanden nicht alle Spanier als harmonisch. Das gröβte Kreuzfahrtschiff der Welt - 362 Meter lang mit fast 3000 Kabinen, 40 Restaurants und 23 Schwimmbädern - macht deutlich, woran es in Spanien immer wieder hapert: an präventiver Planung.
Auch wenn die mit Abstand meisten Kreuzfahrten durch die Karibik gehen, hat sich in zehn Jahren die Anzahl der Cruise-Urlauber in Spanien auf fast neun Millionen verdoppelt, ohne dass das Land darauf vorbereitet gewesen wäre. Spanien hat bei 46 Millionen Einwohnern im vergangenen Jahr 82 Millionen Urlauber empfangen - ein absoluter Rekord. Neun Millionen davon waren Kreuzfahrt-Urlauber.
Biel Barceló von der Organisation "Agrupación Ciudadana Ciutat de S'Arenal" gehört zur wachsenden Zahl von Spaniern, die glauben, dass es Grenzen geben muss beim Massentourismus: "Aber der Kreuzfahrt-Tourismus ist harmlos angesichts dessen, was wir hier jeden Tag in El Arenal erleben", sagt der Aktivist, der sich immer noch nicht an die grölenden und betrunkenen Deutschen gewöhnen kann: "Cruiser-Urlauber sind weniger auffällig."
In Städten wie Ibiza, Palma oder Barcelona landen wahrscheinlich viel mehr Menschen an einem Tag über den Flughafen als mit einem Kreuzschiff, das meistens nur an Wochenenden und vielleicht einmal die Woche einläuft. Dennoch lösen Riesen wie die "Symphony of the Seas", die ihren Heimathafen wie viele andere Kreuzschiffe in Barcelona hat, bei vielen Spaniern Unbehagen aus.
Das gespaltende Verhältnis der Spanier zum Kreuzfahrttourismus
Es entstehen immer mehr Anti-Tourismus-Bewegungen, die jetzt den Eindruck vermitteln, dass Urlauber auf den Balearen und in Katalonien nicht mehr willkommen sind. "Das ist absolut nicht so, aber wir müssen es besser regeln und nicht Dutzende von Bussen hintereinander vom Hafen in die Stadt schicken, die den Verkehr komplett lahmlegen und die Luftverschmutzung weiter erhöhen", sagt der katalanische Tourismus-Experte Jordi Villart.
"Das Angebot für diese Touristen muss einfach diversifiziert werden. Es können nicht alle auf einmal zur Kathedrale latschen", so Villart, der selber in Palma de Mallorca arbeitet und lebt. Hier laufen nach Barcelona die meisten Kreuzfahrtschiffe ein.
"Der Unterschied zum normalen Tourismus ist wohl, dass die bis zu 4000 Urlauber in einem kurzen Zeitraum alle vom Schiff gehen und dann wieder zum gleichen Zeitpunkt zurückkehren und aufgrund der All-inclusive-Buchung wenig verzehren in der Stadt", sagt Pablo Lamas von der spanischen Cruiser-Reservierungszentrale Aquotic. "Normalerweise kommen auch alle Schiffe an den gleichen Tagen, wegen der Ferienzyklen. Wenige Menschen nehmen sich an einem Dienstag Urlaub. Die meisten wollen am Samstag starten."
Aber Spanien kann sich schlechte Presse in Sachen Tourismus nicht leisten. Der Kreuzfahrt-Tourismus generierte nach Angaben der spanischen Hafenverwaltung im vergangenen Jahr 1,3 Milliarden Euro und machte elf Prozent der Gesamtumsätze der spanischen Urlaubsindustrie aus. 28.500 Spanier sind indirekt oder direkt im Cruiser Business beschäftigt. Die meisten von ihnen arbeiten an den Häfen, die in den kommenden drei Jahren 300 Millionen Euro investieren wollen, damit diese Industrie weiter wachsen kann.
Balearen und Katalonien reagieren langsam, aber gewaltig
Katalonien und die Balearen, die am meisten von Urlaubern besucht werden, haben seit diesem Jahr die bestehende Touristensteuer nicht nur erhöht, sondern sie auch für Kreuzfahrer geltend gemacht. In Palma fallen inzwischen drei Euro an pro Passagier und in Barcelona 2,25 Euro. Viele Kreuzfahrt-Unternehmen haben diesen Schritt kritisiert.
Barcelona will zudem auf zusätzlichen 14.000 Quadratmetern das Hafengelände als Puffer für die Touristen ausbauen. Es wird neben Bars und Restaurants auch eine Segelschule sowie eine Schule für marine Wissenschaften mit einem Bereich für kulturelle Aktivitäten geben.
In Valencia gibt es ähnliche Pläne. Und Barcelona und Palma haben Maßnahmen ergriffen, die Wellen von Kreuzfahrttouristen in die Stadt besser zu filtern. "Wir bringen einen Teil der Urlauber mit Bussen vom Hafen direkt an den Strand, damit nicht viertausend Touristen gleichzeitig durch Barcelona laufen", berichtet Susana Suarez von der dortigen Stadtverwaltung.
Auch elektrische Mobilität gewinnt an Terrain, um die Touristen in die Stadt oder an den Strand zu karren. In Palma wurden elektrische Fahrräder und Autos zur Verfügung gestellt. In Barcelona gibt es eine Metro vom Hafen in die Stadt und Malaga will im nächsten Jahr die Touristen mit selbstfahrenden Elektrobussen kutschieren.
Der Cruiser-Anbieter Pullmantur Cruceros bietet inzwischen selbst Stadtouren via Elektro-Fahrrad an, die Urlauber direkt buchen können. Bisher gibt es das Angebot aber nur auf den Kanarischen Inseln.
Aber das Thema Elektro-Fahrrad ist auch nicht ganz frei von Polemik: "In Palma gab es schon Beschwerden, weil einige Fußgänger denken, dass die E-Bikes für das doch kleine und immer volle Zentrum zu schnell fahren dürfen", sagt der in Palma lebende deutsche Rechtsanwalt Tim Wirth.
Immer mehr Spanier entdecken das Cruising
Trotz der eigenen Vorurteile gegen Kreuzfahrtschiffe haben die Spanier ihre Liebe zu dieser Urlaubsform entdeckt. Sie sind inzwischen der viertwichtigste Markt in Europa für Kreuzfahrt-Veranstalter.
Bisher sind es zwar erst eine halbe Millionen Spanier, die selbst an Bord gehen, verglichen mit mehr als zwei Millionen Deutschen. Für das italienische Unternehmen MSC Cruceros ist Spanien dennoch ein wichtiges Land: "Wir haben hier ein Viertel des Marktanteils und wollen weiter wachsen", sagt MSC-CEO Gianni Onorato.
Rechtsanwalt Wirth wollte es auch einmal ausprobieren und hat jüngst selbst eine Kreuzfahrt mit Start in Palma de Mallorca unternommen: "Ich wollte mal wissen, wie das ist und war positiv überrascht", sagt er.
"Klar, es staut sich auf so einem Schiff überall und vor allem beim Ab- und Aufgang von Bord. Ich denke, dass Mallorca innovativer werden sollte, wie mit diesen Touristen in der Stadt direkt Geld gemacht werden kann." Dann, fügt er hinzu, gebe es wahrscheinlich auch weniger Klagen von den Bürgern.