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Spotify: Einhörner an die Börse

Sophie Schimansky
30. März 2018

Die Musikstreaming-Plattform Spotify kommt am Dienstag an die Börse - kurz nach Dropbox. Beide Firmen gelten in der Finanzbranche als "Einhörner", die es irgendwann immer an die Wall Street zieht - bislang jedenfalls.

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Spotify
Bild: picture-alliance/dpa/D.Bockwoldt

Drew Houston und Arash Ferdosi stehen am New Yorker Times Square, ihre Mitarbeiter umringen die beiden Dropbbox-Gründer und werfen mit Konfetti. Die beiden klatschen sich ab, die Kameras blitzen: Dem Filesharing-Dienst ist der Schritt an die Techbörse Nasdaq gut gelungen. Die Aktie kletterte wenige Minuten nach Handelsstart auf ein Plus von 50 Prozent. "Ein sehr aufregender Tag für uns”, sagt Milliardär Houston. "Ein Meilenstein”, sagt auch Matt Kennedy von Renaissance Capital, einer auf Börsengänge spezialisierten Analysefirma.

Nach Dropbox traut sich Spotify

Nun richtet sich der Blick der Anleger auf das nächste große Technologie-Unternehmen. Die Musikstreaming-Plattform Spotify will ab Dienstag ihr Kapital bei Aktienanlegern einsammeln. Ähnlich wie der Börsengang von Dropbox produziert auch das Initial Public Offering (IPO) - das "erste öffentliche Angebot" - von Spotify massenweise Schlagzeilen und sorgt für leuchtende Augen bei den Börsianern.

Bei Spotify könnte es am Dienstag mehrere Stunden dauern, bis der erste Kurs ermittelt ist. Die New Yorker Börse hat den sogenannten Referenzkurs für Aktien des Musikstreaminganbieters zwar auf 132 Dollar je Titel festgesetzt. Aber Spotify geht heute über ein ungewöhnliches Direktlisting an die Wall Street, bei dem nicht über eine Zeichnungsfrist Angebot und Nachfrage im Vorfeld abgeklopft und ein Ausgabepreis ermittelt wird. Der Referenzpreis ist weder der Ausgabepreis noch der erste Kurs für die Aktien.

Die Unternehmen sind bekannt, alle kennen sie, viele nutzen die Dienste selbst. Und dann verpassten ihnen die Finanzprofis in den USA auch noch den Namen eines schillernden Fabelwesens: Spotify und Dropbox werden Einhörner genannt, weil Technologie-Unternehmen mit einer Marktbewertung von mehr als einer Milliarde US-Dollar früher ein eher seltenes Phänomen waren.

Spotify und Dropbox haben bei Privatenanlegern gleich mehrere Milliarden eingesammelt. Dropbox erreichte zuletzt einen Marktwert von 10 Milliarden Dollar, Spotify soll sogar die 19 Milliarden-Marke geknackt haben, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich auf anonyme Quellen. Häufig gehen Unternehmen mit einer niedrigeren Bewertung an die Börse, um den Anlegern ihre Aktien auf diese Weise schmackhaft zu machen. Der Einstiegspreis von Dropbox lag bei 21 Dollar pro Aktie, insgesamt also bei einer Marktbewertung von 8,2 Milliarden Dollar.

Riskante Wette für Anleger  

Dieser Anreiz ist nötig, sagt Kathleen Smith von Renaissance Capital, einer auf Börsengänge spezialisierten Analysefirma. Denn es gibt viele Risiken für die Anleger. Sowohl Dropbox als auch Spotify haben mächtige Wettbewerber. Sie konkurrieren mit Mega-Konzernen wie Apple, Google, Microsoft. Die sind alte Hasen an der Börse und bieten sowohl Musikstreaming als auch Cloud-Sharing an, jeweils nur als Teile ihres breiten Portfolios.

Hinzu kommt, dass weder Spotify, noch Dropbox profitabel sind. Spotify machte 2017 einen Verlust von 1,5 Milliarden Dollar. Und auch Dropbox weist noch keine Gewinne aus, sondern machte im vergangenen Jahr 111 Millionen Dollar Verlust. Dropbox-Gründer und CEO Drew Houston sagt, der Fokus liege auf Wachstum, nicht Gewinn.  "Im privaten Markt wird das toleriert, die Börse sieht das aber anders”, sagt Kathleen Smith von Renaissance Capital. Seien private Anleger langfristig orientiert, müssten Aktien an der Börse liquide sein.

Anleger sind auf kurzfristige Gewinne aus, die sie mit dem schnellen Kauf und Verkauf von Aktien machen können. Für börsennotierte Unternehmen besteht außerdem die Pflicht, jedes Quartal aktuelle Zahlen vorzulegen - transparent und nach den Spielregeln der Börsenaufsicht. Ein Verlust lässt sich da kaum verbergen.

Made in Germany - Schöpferisch zerstören

Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass Anleger vor diesen Risiken zurückschrecken. Im März 2017 stieg Snap an der New Yorker Börse ein, das Unternehmen hinter der Video-App Snapchat. Der IPO-Preis lag bei 17 Dollar. Die Aktie des Mahlzeiten-Lieferdienstes Blue Apron hat seit dem Börsengang im Juni 2017 etwa 80 Prozent an Wert verloren.

Zögern bei Uber und AirBnB

Die Beispiele halten einige Unternehmen vom Börsengang ab. 2017 wagten nur 37 Technologie-Unternehmen den Sprung aufs Parkett, sie nahmen insgesamt 9,9 Milliarden Dollar ein. 2014 waren es noch 56 IPOs gewesen, die es insgesamt auf 32,9 Milliarden Dollar brachten.

Kein Wunder, dass die beiden wertvollsten Start Ups Amerikas noch immer in privater Hand sind. Der Fahrservice-Anbieter Uber hat eine Marktbewertung von 72 Milliarden Dollar, die Miet-Plattform AirBnb bringt es als Nummer zwei auf 31 Milliarden Dollar.

Das hat noch einen weiteren Grund. Der private Finanzmarkt ist bequemer denn je für aufstrebende Unternehmen. Denn in Zeiten niedriger Zinsen fließe das Wagniskapital privater Investoren besonders reichlich, erklärt IPO-Expertin Kathleen Smith.

Nach Berechnungen der Analysefirma CB Insights tummeln sich aktuell 228 Start Ups im privaten Markt, jedes mit einer Bewertung von über einer Milliarde Dollar. Es gebe so viel Kapital, sagt Smith, dass es einen regelrechten Bieterkrieg der Investoren gebe, um in der nächsten Finanzierungsrunde dabei zu sein. Vor allem aber gebe es inzwischen große private Investoren, die auch noch sehr spät bereit sind, große Summen zu investieren. "Das führt zu diesen hohen Bewertungen”, sagt Smith.

Daniel Ek
Spotify-Mitgründer und Chef Daniel Ek will an der Wall Street keine Börsen-Glocke läuten. Bild: Getty Images/AFP/T. Yamanaka

Trotzdem haben es Spotify und Dropbox gewagt, den privaten Markt zu verlassen. "Jetzt oder nie”, sagt Smith. Es ginge darum, das aktuell günstige Zeitfenster nicht zu verpassen. Es mache Sinn, während einer starken Marktphase einzusteigen, in der genug kaufwillige Anleger bei der Aktienmarkt-Rally dabei sein wollen. Die US-Wirtschaft stehe am Ende eines Wachstumszyklus.

Die Arbeitslosenquote ist niedrig, die Wirtschaft wächst, noch sind die Zinsen niedrig. Am Himmel des Bullenmarktes ziehen allerdings bereits erste Wolken auf. Die Zinsen steigen, an der Börse häufen sich die Schreckmomente, in denen der Dow Jones mehrere 100 Punkte fällt. Wenn die Wirtschaft abkühlt, könnte das auch den Schwung aus den Aktienmärkten nehmen, sagt Smith.

Ungewöhnlicher Weg an die Börse bei Spotify  

Spotify hat sich bei seinem Börsengang für einen Mittelweg entschieden. Es wird seine Anteile in einem direkten Listing anbieten, einer seltenen Form eines Börsenganges. Dabei wird kein neues Kapital geschaffen. Stattdessen werden bereits bestehende Anteile, bislang in Hand von privaten Anlegern, öffentlich gehandelt.

"Das ist risikoreich”, sagt Kathleen Smith von Renaissance Capital. Denn Spotify braucht eigentlich neues Kapital. Außerdem wird der Ausgabepreis nicht von Banken ermittelt, auf Basis von einem im Voraus ermittelten Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Die Banken kaufen bei einem gewöhnlichen IPO selbst Aktien, um so die Nachfrage zu stimulieren.

Bei Spotify soll sich der Preis allein durch Nachfrage und Angebot in den ersten Handelsminuten ergeben. Spotify verspricht sich davon eine faire Preisfindung, bei der "niemand bevorzugt wird”. Außerdem spart das Unternehmen so die hohen Gebühren, die Investmentbanken für ihre Beteiligung verlangen.

Bei Dropbox scheint der Börsengang gelungen zu sein. Eine Woche nach dem IPO steht die Aktie rund 60 Prozent im Plus. Die privaten Anteile von Spotify waren in den vergangenen zwei Monaten jeweils zwischen 132,50 und 90 Dollar gehandelt worden.

Einige Fachmedien wie "TechCrunch" schüren daher die Hoffnung, beim Börsengang könnte sich der Preis pro Aktie auf dem höheren Ende dieser Skala einpendeln. Denn auf auf ein festes Angebot an bereits bestehenden Anteilen trifft die breitere Investorenbasis des öffentlichen Aktienmarktes. Smith ist hingegen vorsichtig: "Man muss abwarten, wie die Anleger auf das direkte Listing reagieren."