Keine Entschädigung
10. September 2008Der Vorsitzende Richter am Landgericht in Den Haag, Hans Hofhuis, begründete das Urteil am Mittwoch (10.09.2009) damit, der niederländische Staat könne nicht für Handlungen der so genannten "Dutchbat", des niederländischen UN-Bataillons in der damaligen bosnischen Schutzzone Srebrenica, verantwortlich gemacht werden.
Die niederländischen Militärs in Bosnien hätten auf Weisung und mit Mandat der Vereinten Nationen agiert. Sie hätten nicht dem direkten Befehl ihrer Regierung unterstanden. Deshalb müssten sich die Kläger an die Vereinten Nationen halten.
Dasselbe Gericht hatte jedoch Mitte Juli eine Klage zehn bosnischer Mütter und der Stiftung "Mütter von Srebrenica" gegen die UN zurückgewiesen. Die Weltorganisation sei durch die UN-Charta vor Verfolgung geschützt, hieß es.
Kläger fühlen sich alleine gelassen
Einer der beiden Kläger, Hasan Nuhanovic, sagte nach der Urteilsverkündung, die Entscheidung sei "nicht gerecht". "Ich bin schon so häufig verraten worden, zum ersten Mal vor 13 Jahren. Der Alptraum geht weiter."
Nuhanovic hatte während des Bosnien-Kriegs 1992-1995 bei den "Dutchbat" als Dolmetscher gearbeitet. Er verlor seine Eltern und seinen jüngeren Bruder. Händerringend habe er in der Nacht zum 13. Juli 1995 Offiziere der niederländischen Truppe angefleht, die drei nicht aus der Schutzzone heraus in den Tod zu schicken.
Zwei Tage vorher hatten die bosnisch-serbischen Truppen unter General Ratko Mladic die UN-Enklave überrannt. Männliche Mitglieder wurden zu Massenerschießungen abgeführt. Nuhanovic selbst konnte bleiben, da er UN-Mitarbeiter war.
Zu den Klägern vor dem Haager Landgericht gehörte auch die Familie des Elektrikers Rizo Mustafic, der auch für die "Dutchbat" arbeitete. Er war bei dem Massaker in Srebrenica ebenfalls getötet worden. Mustafics Familie argumentiert, dieser habe als UN-Mitarbeiter besonderen Schutz genießen müssen.
Das Grauen von Srebrenica
Die Truppen Ratko Mladics hatten am 11. Juli 1995 die von den Niederländern kontrollierte UN-Schutzzone eingenommen. Sie töteten rund 8000 muslimische Männer und Jungen. Mladic, der vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag angeklagt ist, ist weiter auf der Flucht. Der damalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic war im Juli festgenommen worden. Er wartet in Den Haag auf seinen Prozess.
Für die Niederlande bleibt das Massaker ein Trauma. Im Jahr 2002 stellte eine im Auftrag der Regierung eingesetzte Historiker-Kommission fest, dass sowohl die Regierung als auch die Armeeführung versagt hätten. Die niederländische UN-Einheit selbst trage keine Verantwortung.
Deren Aufgabe sei von Anfang an eine "mission impossible" gewesen, eine unerfüllbare Mission. Viel zu wenige Soldaten, die zudem schwach bewaffnet gewesen seien, hätten einer Übermacht "blutrünstiger" bosnisch-serbischer Milizen gegenübergestanden. Und dringende Bitten an die Führung der Friedenstruppen UNPROFOR und die Nato um Luftunterstützung der UN-Enklave seien ignoriert worden.
Die damalige Regierung unter Wim Kok übernahm dennoch die politische Verantwortung für die Vorgänge. Sie trat am 16. April 2002 zurück.
Berufung angekündigt
Obwohl der Schwarze Peter in Sachen Srebrenica weiter ständig hin und her geschoben wird, hat die Anwältin der Kläger, Lisbeth Zegveld, angekündigt, sie werde gegen das Urteil Berufung einlegen. "Die Richter haben das Recht zum Vorteil des Staates ausgelegt." Niederländische Soldaten seien damals ihrem Auftrag nicht nachgekommen, das Leben bedrohter Menschen zu retten.
Hunderte Angehörige von Massaker-Opfern hatten gehofft, durch ein Urteil im Sinne der Kläger nun Schadenersatzforderungen an die niederländische Regierung stellen zu können. Vor dem Gericht in Den Haag läuft ein weiterer Zivilprozess zehn bosnischer Frauen und der Stiftung "Mütter von Srebrenica".
Nachdem ihre Klage gegen die UN im Juli abgewiesen wurde, warten sie jetzt darauf, dass die Klage gegen den niederländischen Staat in diesem Monat weiter verhandelt wird. (hy)