Sri Lanka: Neuer Links-Präsident will Wandel
23. September 2024Das Lieblingsthema von Anura Kumara Dissanayake im Wahlkampf war der Wandel und er konnte damit erfolgreich punkten: Nach seinem Wahlsieg am Wochenende wurde der marxistische Politiker und Anführer der Koalition "Nationale Volksmacht" (NPP) am Montag (23.09.) in der Hauptstadt Colombo als neuer Präsident für fünf Jahre vereidigt.
"Wir müssen eine neue, saubere politische Kultur schaffen", betonte Dissanayake. "Ich bin kein Magier. Ich bin ein ganz normaler Bürger. Es gibt Dinge, die ich weiß und solche, die ich nicht weiß. Mein größtes Ziel ist es, diejenigen mit dem Wissen und den Fähigkeiten zusammenzubringen, die helfen können, dieses Land wieder aufzurichten."
42,3 Prozent der Stimmen hatte Dissanayaka nach Angaben der Wahlkommission auf sich vereinigen können. Somit hat er sich klar gegen den zweitplatzierten Sajith Premadasa durchgesetzt. Der bisherige Übergangspräsident Ranil Wikremesinghe landete lediglich auf dem dritten Platz. Seit dem Staatsbankrott vor zwei Jahren durften die 22 Millionen Bewohner des südasiatischen Inselstaats zum ersten Mal einen neuen Präsidenten wählen.
Außenseiter wurde Präsident
Der 55-jährige Anura Kumara Dissanayake, von seinen Anhängern AKD genannt, ist Vorsitzender der Partei Janatha Vimukthi Peramuna (JVP), übersetzt: die Volksbefreiungsfront. Er trat bei den Wahlen als Spitzenkandidat der so genannten National People's Power (NPP) an, einer Vereinigung von weiteren 20 Organisationen, darunter politische Parteien, Jugend- und Frauengruppen sowie Gewerkschaften. Die NPP setzt sich nach eigenen Angaben dafür ein, "die wirtschaftliche Demokratie für eine fairere Wohlstandsverteilung" zu fördern sowie den Schutz für die sozial schwächer Gestellten einzusetzen.
Die marxistische JVP war bis in die 1980er-Jahre an bewaffneten Aufständen gegen die damaligen Regierungen maßgeblich beteiligt, bei denen Zehntausende von Menschen starben. Dissanayake selbst erlangte als Studentenanführer der linksorientierten Bewegung Bekanntheit. 1997 wurde er Mitglied des Zentralkomitees der JVP. Später zog er ins Parlament ein und wurde in den Jahren 2004/5 Kabinettsminister. 2019 hatte er schon mal an den Präsidentschaftswahlen teilgenommen. Er erhielt damals lediglich drei Prozent der Stimmen.
Wähler wollen Neuanfang
Der Inselstaat im Indischen Ozean war 2019 bis 2022 in eine Wirtschaftskrise geschlittert, die vor allem die einfache Bevölkerung belastetste. Der Staat ging pleite. Der ehemalige Präsident Gotabaya Rajapaksa war im Zuge dieser Krise durch Massenproteste gestürzt worden.
"Obwohl der Übergangspräsident Ranil Wickremesinghe die Wirtschaft des Landes stabilisiert hat, sehen ihn die Wähler immer noch als jemanden, der mit dem Rajapaksa-Clan verbündet ist, der der Korruption und der Förderung der Vetternwirtschaft beschuldigt wird", sagt Amirthanayagam Nixon, Politologe und Journalist in der Hauptstadt Colombo. Wickremesinghe war Ministerpräsident unter der Präsidentschaft von Gotabaya Rajapaksa. "Die Wähler haben diese Gelegenheit genutzt, um den Rajapaksa-Clan vollständig aus der Macht zu entfernen und einem neuen Gesicht eine Chance zu geben."
Wirtschaft als größte Herausforderung
Dissanayake strebte in seinem Wahlprogramm an, das Umschuldungsprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 2,9 Milliarden Dollar zu überarbeiten. Gleichzeitig will er die Steuern senken. Gemäß dem IWF-Rettungspaket erlassene Steuererhöhungen und andere Maßnahmen belasten jedoch weiterhin die Bevölkerung.
Dissanayake möchte das Abkommen mit dem IWF neu verhandeln. Die Auszahlung des Kredits ist an strenge Bedingungen wie die Umsetzung bestimmter Reformen geknüpft. Dissanayake selbst bekräftigte in seinen Wahlkampfreden, die Rückzahlung der IWF-Schulden sicherstellen zu wollen. Investoren und Beobachter haben Bedenken, dass der wirtschaftspolitische Ansatz funktioniert.
"Bei allen Anpassungen des IWF-Programms muss berücksichtigt werden, warum sie vorgenommen werden und ob diese Anpassungen zu einem besseren Ergebnis führen", sagt Anushka Wijesinha, Direktor der in Colombo ansässigen Denkfabrik Centre for a Smart Future, gegenüber der DW. Die Fortsetzung der Schuldenumstrukturierung habe nun die höchste Priorität.
"Der neue Präsident muss die Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit gegenüber internationalen Geldgebern beweisen", sagt Wijesinha. Erst dann könne er andere politische Prioritäten umsetzen.
Indien oder China?
Als Marxist gilt Dissanayake als chinafreundlich. Schon in der Vergangenheit war er dafür bekannt, Stimmung gegen Indien zu machen. Erst kürzlich deutete er Pläne an, ein Mega-Energieprojekt des indischen Milliardärs Gautam Adani in Sri Lanka aufs Eis zu legen, falls er gewählt würde. Er bezeichnete das Abkommen als korrupt und gegen die Interessen des Landes gerichtet.
Allerdings könne es sich Sri Lanka nicht leisten, "sich Indien zu diesem Zeitpunkt zum Feind zu machen", sagt der Politologe Nixon. In der Finanzkrise hätten zwar andere Länder wie China, die USA und der IWF Unterstützung geleistet. "Indien aber war das erste Land, das dem Inselstaat einen Rettungsschirm mit mehr als vier Milliarden US-Dollar zukommen ließ."
Dissanayake blieb bei seiner Vereidigung allerdings vage. Er versprach, die demokratischen Werte zu achten. Zudem betonte er, wie wichtig die internationale Unterstützungfür sein Land sei. "Abgesehen von den geopolitischen Spaltungen wollen wir vorteilhaft Beziehungen mit anderen Ländern erhalten." Indiens Ministerpräsident Narendra Modi und Chinas Präsident Xi Jinping haben ihm beide zur Wahl gratuliert.
Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan