Katharina Bauer: "Corona zwingt zur Kreativität"
17. März 2020DW: Frau Bauer, wie sehr sind Sie in ihren Olympia-Vorbereitungen vom Coronavirus beeinträchtigt?
Katharina Bauer: Ich war gerade sechs Tage in Südafrika und konnte dort sehr gut trainieren. Von einer auf die andere Sekunde hatten wir eine Krisensitzung und der Deutsche Leichtathletik Verband buchte uns Heimflüge. Wir konnten das gar nicht glauben. Wir hatten eher gedacht, wir könnten noch länger da bleiben, wir haben da in so einer Art Blase gelebt. Jetzt sieht man: Der Ernst der Lage, den wir dort zunächst ausgeblendet haben, hat uns eingeholt. Deshalb hat der DLV völlig richtig gehandelt.
In Berlin gibt es die Sonderregelung, dass Athleten, die sich auf Olympia vorbereiten, für bestimmte Zeiten Hallen und Sportanlagen nutzen dürfen. Sie befinden sich gerade in Wiesbaden. Wie steht es um Ihre Möglichkeiten?
Der aktuelle Stand ist gerade, dass die Hallen geschlossen sind und ich keine Möglichkeit habe, dort hineinzukommen. Mein Trainer, Leszek Klima, fliegt am Mittwoch nach Hause. Wir müssen sehen, ob sich dann in Leverkusen Möglichkeiten ergeben, dass wir vielleicht in eine Halle hineinkommen. Im Moment müssen wir uns hier irgendwie festhalten.
Wie gestaltet sich Ihr Training momentan?
Ich bin erst am Sonntag [15.03.2020; Anmerk. d. Red.] aus Südafrika zurückgekommen, mache erstmal einen Tag Pause. Und dann muss man versuchen, sich irgendwie fit zu halten. Mit Hometraining oder Läufen im Wald. Wir Sportler sind jetzt gezwungen, kreativ zu werden. Das geht aber nur rund zwei Wochen, dann beginnt die spezifische Muskulatur zu schwinden, wenn man nicht in den Kraftraum gehen kann und auch Stabhochspringen betreibt. Alles, was wir uns über Jahre mit hartem Training aufgebaut haben, könnte schnell wieder verpuffen.
Inwieweit hat diese außergewöhnliche Situation auch Auswirkungen auf Ihre mentale Verfassung?
Man weiß ja nicht, ob es überhaupt noch Wettkämpfe geben wird. Das ist mental schwierig, weil man ins Blaue hinein trainiert. Im Moment ist das noch nicht so schlimm. Aber irgendwann fragt man sich sicher: Trainiere ich für eine Saison, die es gar nicht gibt? Aber einfach aufhören kann man auf der anderen Seite auch nicht. Wenn es dann doch heißt, die Saison findet statt, dann hätte man womöglich gar nicht trainiert. Es ist einfach schwierig. Also: fit halten und weiter trainieren, so gut es eben geht.
Wie werden sich die Schwerpunkte Ihrer Trainingsarbeit verändern?
Stabilisationsprogramme für den Körper lassen sich zu Hause gut machen. Ich habe zu Hause auch ein paar Fitnessgeräte und auch einen Medizinball. Es gibt natürlich hier in der Gegend auch einige Wälder und auch Treppen, wo ich meine Sprungkraft trainieren kann. Und ich werde viel Yoga machen. Und dann warte ich mal, bis mein Trainer wieder zurück ist.
Wie oft tauschen Sie sich derzeit mit Ihrem Coach aus?
Wir sind täglich im Kontakt. Ich schildere ihm und schicke auch Bilder, welche Möglichkeiten es hier gibt. Wenn ich jetzt drei Tage Pause machen würde, ginge die Welt auch nicht unter. Aber ich werde mit ihm einen Plan aufstellen, dann auch wieder nach Leverkusen fahren und dort mit meinem Coach trainieren.
Trainingspläne werden ja über längere Zeiträume aufgestellt mit der möglichst besten Leistungsfähigkeit am Ende. Können Sie diese überhaupt noch erreichen?
Es hängt davon ab, wie lange wir kreativ trainieren müssen. Zwei Wochen würde das wohl funktionieren. Wenn es länger dauert, hätten wir solch einen großen Trainingsrückstand, dass wir das kaum noch aufholen könnten. Die Trainingsplanung ist absolut auf Olympia ausgerichtet.
Wie wichtig ist Wettkampfpraxis für Sie?
Man braucht Wettkämpfe, um auf seine Höhen zu kommen. So langsam wird es aber wirklich knapp, die Zeit rennt uns davon. Der Sport ist so komplex, dass man sich neben der Technik auch auf äußere Bedingungen einstellen muss.
Die Qualifikationssnorm liegt bei 4,70 Meter. Das ist für mich absolute Bestleistung. Das kommt nicht von ungefähr. Jetzt wird einfach alles durcheinander geworfen. Aber damit müssen wir leben.
Dadurch dass Sie einen Defibrillator tragen, haben sie eine besondere gesundheitliche Disposition. Inwieweit müssen Sie besonders vorsichtig sein?
Ich würde mich persönlich zu keiner Risikogruppe zählen, aber ich habe eine Herzerkrankung. Das ist nicht wegzudiskutieren. Ich möchte allerdings nicht wissen, wie es ist, wenn ich dieses Virus habe. Aber ich denke, mein Immunsystem ist so gestärkt, dass alles gut ist. Ich tausche mich mit anderen Herzpatienten aus, denen es allerdings zumeist wesentlich schlechter geht als mir. Diese Menschen müssen absolut isoliert bleiben, weil sie es sonst vielleicht nicht überleben würden. Bei mir würde ich das nicht so sehen. Ich würde überleben, aber es wäre schon hart. Ich isoliere mich aber auch selber so gut es geht.
Sollten die Olympischen Spiele abgesagt werden, würde für sie eine (Sportler-) Welt zusammenbrechen?
Die Olympischen Spiele sind mein großer Lebenstraum. Bei den letzten Spielen habe ich mich schwer an der Hand verletzt. Das habe ich jetzt alles wieder über die ganzen Jahre hinbekommen. Wenn die Spiele abgesagt würden, wäre das furchtbar. Wenn die Spiele verschoben würden, dann würde die Welt nicht untergehen. Wenn sie aber ausfallen und erst in vier Jahren stattfinden könnten, weiß ich gar nicht, ob ich noch daran teilnehmen könnte. Dann wäre ich 34 Jahre alt und ich weiß gar nicht, ob ich so lange noch Leistungssport betreibe. Aber was ich vom Leben gelernt habe ist: Die Gesundheit ist das Allerwichtigste. Das geht auf jeden Fall vor.
Katharina Bauer ist eine der besten deutschen Stabhochspringerinnen. Sie startet für Bayer Leverkusen. Im Jahr 2014 wurde sie Team-Europameisterin, 2018 gewann sie die Deutsche Meisterschaft. Ihre Bestleistung liegt in der Freiluftsaison derzeit bei 4,65 Meter. Die 29-Jährige muss aufgrund einer Herzerkrankung mit einem Defibrillator leben.
Das Interview führte Jörg Strohschein