Vater der Superhelden: Stan Lee
28. Dezember 2022Seinen 100. Geburtstag an diesem Mittwoch (28.12.2022) erreichte Stan Lee zwar nicht, er starb mit 95 Jahren in Los Angeles, doch sein Ruhm als "Superheld" der Comicwelt ist bis heute nicht verblasst. Für den US-amerikanischen Marvel-Verlag - seit 2009 im Besitz des Disney-Konzerns - hob er rund 350 Comicfiguren aus der Taufe, darunter so populäre wie Spiderman, Thor, Hulk, Iron Man, The X-Men, Fantastic Four, Black Panther oder Daredevil.
Stan Lee: Der einst jüngste Comic-Redakteur der USA
Stan Lee, der Sohn rumänischer Einwanderer war und eigentlich Stanley Martin Lieber hieß, kam 1922 in New York zur Welt. Er war noch ein Teenager, als er 1939 als Assistent beim Verlag Timely Comics anheuerte, der sich später in Marvel umbenannte. Bald begann Lee, Comics zu schreiben und wurde im Alter von 17 Jahren der jüngste Redakteur im Comicbereich. 1941 erschien seine erste Arbeit, die er mit dem Pseudonym "Stan Lee" unterschrieb - eine Textseite in einem Captain-America-Comic. Spätestens jetzt nahm seine Karriere als Comicautor, Redakteur, Schauspieler und Filmproduzent Fahrt auf.
Noch heute erreichen Lees Kreaturen mit Blockbustern und Videospielen ein Millionenpublikum weltweit. Zusammen mit Zeichnern wie Jack Kirby und Steve Ditko schuf Stan Lee für Marvel Comics eine Reihe von Superhelden. Doch versah er seine Protagonisten auch mit Fehlern und Sorgen. Lees Helden hatten Wutausbrüche, waren melancholisch, auch mal eitel oder gierig. Sie kämpften miteinander, hatten Schwierigkeiten, die Miete zu bezahlen. Manche plagten gesundheitliche Probleme. Kurzum: Lee schrieb Figuren, mit denen sich die Leserinnen und Leser identifizieren konnten. Das machte sie nahbar.
Lee setzte klar auf die menschlichen, natürlichen Seiten seiner übernatürlichen Helden: Daredevil ist blind, Hulk hat unkontrollierte Wutausbrüche und auch die X-Men-Figuren haben außergewöhnliche körperliche oder geistige Seiten an sich. Ganz anders dagegen Batman, im echten Leben der Millionär Bruce Wayne, oder Superman, der als allmächtiger Adonis vom Himmel geflogen kommt.
Marvel-Comics: So funktionierte Stan Lees System
In den 1960er-Jahren war Lee Autor und Redakteur der meisten Marvelserien. Er beantwortete Fanbriefe und schrieb die monatliche Kolumne "Stan's Soapbox". Um den Redaktionsschluss einhalten zu können, erfand Lee seine spezielle Art des Comictextens: Er schrieb statt eines vollständigen Skripts nur eine Zusammenfassung der Geschichte. Ein erfahrener Zeichner baute die Fassung auf die geforderte Seitenzahl aus. Schließlich fügte Lee Texte und Dialoge in die fertigen Zeichnungen ein. Die Zeichner wurden so zu Co-Autoren der Comics. Das System warf allerdings auch Fragen auf: Wie viele Comics, die Lees Namen tragen, stammen tatsächlich aus seiner Feder?
Im November 2008 bekam Lee vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush die National Medal of Arts verliehen, die höchste Kunstauszeichnung der US-Regierung. Als "einer der profiliertesten Geschichtenerzähler Amerikas" wurde Lee damals in Washington gefeiert - für ein Genre, das die Literaturwelt ein paar Jahrzehnte zuvor noch verschmäht hatte.
Erst in den 1980er- und 1990er-Jahren sollten sich Comichefte zu einer Art hipper Popliteratur wandeln. Davor waren sie etwas für eine kleine Fangemeinde gewesen, Fantasy-Stoff für Kinder und Jugendliche.
Stan Lee: Sein Ruhm, seine Schwäche
Für sein Lebenswerk wurde Stan Lee 2018, in der Kategorie Autorinnen und Autoren in die Science Fiction and Fantasy Hall of Fame aufgenommen. "Ich habe versucht, Figuren als menschliche Wesen zu schreiben, die auch übernatürliche Kräfte haben", erklärte Lee 2013 dem "Hollywood Reporter".
Als größte eigene Schwäche beklagte er seinen Umgang mit Geld: Mit seinen Erfindungen habe er nie viel Geld verdient, auch nicht als langjähriger Verleger und Chefredakteur von Marvel, den er vom kleinen Verlag zum großen Medienkonzern formte. Für 2023 kündigte Disney an, eine Stan Lee-Dokumentation bei Disney+ zu zeigen.
sd/bb (dpa/afp/Hollywood Reporter)
Dies ist die aktualisierte Fassung eines Porträts aus dem Jahr 2018.