"Haben Boom ausgelöst"
18. Mai 2012Steffi Jones ist das Gesicht des deutschen Frauenfußballs. 111 Mal spielte sie für die Nationalmannschaft, wurde Welt- und Europameisterin. Dann leitete sie erfolgreich das Organisationskomitee der Frauen-WM im Sommer 2011 in Deutschland. Heute ist die 39-Jährige Direktorin für die Bereiche Frauen-, Mädchen- und Schulfußball beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Im Interview der Deutschen Welle zieht Jones eine erste Bilanz zehn Monate nach dem WM-Turnier, bei dem das deutsche Team früh scheiterte und Japan im Elfmeterschießen gegen die USA den Titel holte.
Deutsche Welle: Die Frauen-WM 2011 in Deutschland liegt bald schon ein Jahr zurück. Wie ist Ihre Bilanz, wie sehen Sie die Entwicklung des Frauenfußballs?
Steffi Jones: Wir haben nach der Weltmeisterschaft erst einmal abwarten müssen, um zu sehen, was von der WM hängen geblieben ist. Jetzt kann man analysieren und feststellen, dass wir in der Frauen-Bundesliga einen Zuschauerzuwachs von 40 Prozent haben. Die Erwartungshaltung, die manch einer nach der WM hatte, war aber anders, gemessen an dem, was wir wollten. Wir haben gesagt: Wir wollen einen Meilenstein setzen, wir wollen Frauenfußball-Geschichte schreiben. Das haben wir.
Wir haben weltweit so ein positives Image und so einen Boom ausgelöst, dass alle anderen Länder davon profitieren. Ihre Nationalverbände investieren mehr in den Frauen- und Mädchenfußball. Dort haben wir Türen geöffnet. Für uns in Deutschland hat sich insofern was geändert, dass wir heute eine eigenständige Direktion im DFB mit zwei Abteilungen haben: Eine steht für den Spielbetrieb und Breitenfußball, die andere für die mittlerweile sieben Nationalmannschaften sowie für Talentförderung und -sichtung. Das sind unsere beiden Schwerpunkte, dazu kommt das Thema 'Gewinnung': Jedes Mädchen, das Fußball spielen möchte, soll auch in der Nähe einen Verein finden.
Frauen-Bundesliga als Herausforderung
Die Bundesliga der Frauen ist aber nach wie vor ein Sorgenkind, was die öffentliche Aufmerksamkeit angeht?
Ich würde es nicht als Problemkind bezeichnen, sondern auch weiterhin als Herausforderung. Unsere Vereine sind wahnsinnig engagiert. Wir spüren auch, dass regional gesehen mehr Medieninteresse da ist. Aber es gibt nun mal auch Standorte, an denen die Sportbegeisterung einfach nicht so vorhanden ist wie in anderen Städten. Wir haben eine 1. Bundesliga, eine 2. Liga Nord und Süd sowie bald eine B-Junioren-Bundesliga. Deswegen müssen wir in Zusammenarbeit mit der Frauen-Bundesliga schauen, dass wir Strukturen optimieren und dann eben Standorte haben, an denen wir mehr Zuschauer generieren können.
Wäre die Entwicklung noch besser gewesen, hätte die deutsche Mannschaft die WM gewonnen oder ist die Entwicklung unabhängig davon?
Nein, da würde ich jetzt schwindeln, wenn ich sagen würde, das hätte es nicht beeinträchtigt. Es ist schon klar: Dadurch, dass wir sehr früh ausgeschieden sind, ist der Zuschauerboom letztlich ausgeblieben. Der hätte sich meiner Meinung nach mehr auf die Frauenfußball-Nationalmannschaft ausgewirkt. Aber es ist schon klar, dass das frühe Ausscheiden auch seine Konsequenzen mit sich bringt. Nicht nur, dass wir nicht bei Olympia spielen, sondern auch, was die Sponsoren und Zuschauer angeht.
"Arbeit hat eher noch zugenommen"
Sie standen als OK-Präsidentin sehr im Fokus. Hat sich da einiges geändert oder wären Sie heute froh, wenn es etwas ruhiger werden würde?
Ja, es ist fast sogar ein bisschen mehr an Arbeit. Ich hatte während meiner OK-Zeit auch mal einen halben oder ganzen Tag frei. Jetzt habe ich meinen Achtstundenjob im Büro und nebenbei noch die ganzen repräsentativen Aufgaben in Kommissionen und in Beiräten, als UEFA- und FIFA-Botschafterin. Also, das ist schon viel. Aber es ist für mich immer noch mit sehr viel Spaß behaftet und eine Ehre, dass ich das machen darf. Und es dient immer der Sache. Es geht hier nicht um mich als Person, sondern in dem Fall vertrete ich den Frauen- und Mädchenfußball und Deutschland. In die Funktionärstätigkeit habe ich mich relativ schnell hereingefunden. Ich habe ein tolles Team. Die Strukturen waren immer vorhanden. Da kann ich mich in meinem Umfeld auf langjährige Erfahrung verlassen. Es ist wieder eine tolle Aufgabe, die ich hier durchführen darf.
"Nicht mit den Männern vergleichen!"
Gibt es im Frauenfußball noch ein Problem, das Ihnen besonders auf den Nägeln brennt und das Sie möglichst schnell anpacken möchten?
Es ist immer das Thema, dass man den Frauenfußball mit dem Männerfußball vergleicht und in Konkurrenz zu den Männern sieht. Das macht es uns umso schwerer. Ich würde mir wünschen, dass man das Thema wirklich einmal fallen lässt und sagt: 'Frauenfußball, das ist es mir wert, da gehe ich hin.'