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Steinbach sorgt für Eklat

10. September 2010

Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach löst einen Eklat aus, mit einem missverständlichen Satz zur Schuldfrage im Zweiten Weltkrieg. Die Opposition tobt, Steinbach zieht sich aus dem CDU-Vorstand zurück.

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Erika Steinbach (Foto: DW-Archiv)
Erika Steinbach fühlt sich unverstandenBild: AP

Die CDU-Politikerin Steinbach, seit Jahren in der Partei heftig umstritten, hatte in der internen Sitzung der Unionsfraktionsspitze am Donnerstag (09.09.2010) darauf beharrt, dass Polen 1939 zuerst gegen Deutschland mobilgemacht habe und damit heftige Empörung in dem Gremium ausgelöst. Wörtlich sagte sie: "Ich kann es leider auch nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobilgemacht hat." Sie erweckte damit nach Darstellung mehrerer Teilnehmer den Eindruck, Polen trage daher eine Mitschuld am Kriegsausbruch. Diesen Vorwurf wies Steinbach allerdings umgehend zurück. "Eines ist für mich ganz deutlich: Den Krieg hat Deutschland angefangen."

Allerdings, als Konsequenz aus dem nach ihrer Einschätzung mangelnden Rückhalt in der Union kündigte Steinbach ihren Rückzug aus dem CDU-Vorstand an. Offene, interne Debatten seien in ihrer Partei nicht mehr möglich, ohne dass sie nach außen getragen würden, sagte Steinbach zur Begründung. Sie habe als Konservative in der Union nur noch "Alibifunktion".

Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen -BdV-, sorgte schon mehrfach für massive Spannungen mit dem Nachbarland Polen, seit sie 1991 im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gestimmt hatte. Schwere Verwerfungen gab es Ende 2009 um ihren Plan, in den Rat der Vertriebenenstiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" einzuziehen. Nach heftigem Widerstand, auch von Außenminister Guido Westerwelle, verzichtete Steinbach dann schließlich auf einen Sitz in dem Gremium.

Der Auslöser des aktuellen Streits im CDU-Vorstand war ein Dissens zwischen der Abgeordneten Steinbach und ihrem Parteikollegen, Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Der hatte die Berufung der BdV-Funktionäre Arnold Tölg und Hartmut Saenger in den Beirat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" kritisiert. Beiden wird von unterschiedlichen Seiten ein revisionistisches Geschichtsbild unterstellt, der Zentralrat der Juden lässt deswegen seine Mitgliedschaft in dem Gremium ruhen.

Kauder: Steinbach hat Schuld nicht bezweifelt

CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder (Foto:dpa)
CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder: Kriegsschuldfrage ist eindeutigBild: picture-alliance/ dpa

Die CDU-Spitze verzichtete darauf, Forderungen aus der Opposition nach einem Parteiausschluss Steinbachs wegen ihrer Äußerungen aufzugreifen. "Kollegin Steinbach hat klargestellt, dass auch sie die Kriegsschuldfrage nicht relativiert", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). "Damit ist das Thema für uns erledigt." Andere Positionen hätten auch keinen Platz in der Fraktion.

Sturm der Empörung

Ob der Koalitionspartner FDP oder die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke, in ihrer Kritik an Steinbach sind sich alle einig. Westerwelle sagte zu Steinbachs Formulierung: "Zweideutige Äußerungen, die die schwere Verantwortung Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges infrage stellen, sind nicht akzeptabel."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, nannte Steinbachs Äußerungen "unerträglich". Weiter sagte er: "Sie stellt sich außerhalb des demokratischen Konsenses in Deutschland." Oppermann forderte, dass die CDU sich schnell von dieser Äußerung distanzieren müsse. "Die SPD wird den Vorfall im Bundestag zur Sprache bringen."

Der Parlamentarische Geschäftsführer und menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, erklärte: "Die Union muss sich klar von Steinbach distanzieren und auch personelle Konsequenzen ziehen." Forderungen nach einem Parteiausschluss seien folgerichtig. "Dass diese Frau die Menschenrechtspolitik der Union nach außen repräsentiert, ist unerträglich"

Auch die Linkspartei kritisierte die CDU-Politikerin: "Steinbachs Relativierung der deutschen Kriegsschuld entspricht der Logik von Hitlers Lüge, 'ab 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen'", sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. Hitler hatte mit diesen Worten den Überfall der Wehrmacht auf Polen bekannt gegeben. Es handele sich um "eine unerträgliche Belastung des deutsch-polnischen Verhältnisses und eine weitere Brüskierung des Zentralrates der Juden in Deutschland".

Ausgebuffter Politprofi

Steinbach und Westerwelle bei der Feierstunde 60 Jahre Vertreibencharta im August 2010 (Foto:dpa)
Steinbach und Westerwelle bei der Feierstunde "60 Jahre Vertriebenencharta" im August 2010Bild: picture alliance/dpa

Steinbach ist eines von 25 CDU-Vorstandsmitgliedern. Die 67-Jährige, seit 1974 in der Partei, ist ein ausgebuffter Politprofi. Seit Jahren belebt sie die Erinnerungsdebatte - nach außen zumeist negativ - und zieht damit sowohl im Inland als auch in Osteuropa viel Kritik auf sich. Aber sie hat mit ihrer Hartnäckigkeit auch einiges erreicht, zum Beispiel einen Kompromiss in der Entschädigungsfrage und einen Beschluss zur Errichtung eines Dokumentationszentrums gegen "Flucht und Vertreibung".

Allerdings, auch die Debatte in der Union, über ein fehlendes konservatives Profil, wird durch Steinbachs Abgang weiter angeheizt werden.

Autorin: Ulrike Quast/Naima El Moussaoui (dpa,afp,dapd,rtr)
Redaktion: Susanne Eickenfonder