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PolitikTansania

Steinmeier geißelt Gewaltherrschaft in Deutsch-Ostafrika

1. November 2023

Bis zu 300.000 Bewohner der Kolonie wurden allein bei einem Aufstand zwischen 1905 und 1907 getötet. Der Bundespräsident sicherte in Tansania Deutschlands Bereitschaft zur Aufarbeitung der Vergangenheit zu.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier legt zusammen mit Nachfahren von Anführern des Maji-Maji-Aufstands im Memorial Park von Songea einen Kranz nieder
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier legt zusammen mit Nachfahren von Anführern des Maji-Maji-Aufstands im Memorial Park von Songea einen Kranz nieder Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei seinem Besuch in Tansania um Vergebung für die Gewalttaten der deutschen Kolonialherren gebeten. "Ich verneige mich vor den Opfern der deutschen Kolonialherrschaft", sagte Steinmeier bei einem Besuch in der tansanischen Stadt Songea. "Als deutscher Bundespräsident möchte ich um Verzeihung bitten für das, was Deutsche hier Ihren Vorfahren angetan haben."

"Antworten auf Fragen, die Ihnen keine Ruhe lassen"

Er sei "beschämt" über die Taten der Kolonialherren in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, sagte der Bundespräsident weiter. Die Deutschen hätten "mit grausamer Härte regiert". An die Hinterbliebenen der Opfer gerichtet sagte er: "Ich möchte Ihnen versichern, dass wir Deutsche mit Ihnen nach Antworten suchen werden auf die offenen Fragen, die Ihnen keine Ruhe lassen."

Bitte um Verzeihung – Bundespräsident in Tansania

Steinmeier äußerte sich in der Stadt Songea, die in jener Region liegt, in der es zwischen 1905 und 1907 zu einem Aufstand gegen die deutschen Kolonialherren kam. Damals hatten sich in Deutsch-Ostafrika mehrere Stämme zusammengeschlossen. Ihr Widerstand gegen Zwangsarbeit auf den Plantagen oder unerbittlich steigende Steuern eskalierte im Maji-Maji-Krieg, der sich über den gesamten Süden der Kolonie ausbreitete. Die Deutschen reagierten mit aller Härte, ließen die Anführer hinrichten und zerstörten Felder und Dörfer. Viele Menschen starben an Hunger. Schätzungen gehen von bis zu 300.000 Opfern auf tansanischer Seite aus.

Der Bundespräsident im Gespräch mit Nachkommen des von Deutschen hingerichteten Wangoni-Führers Songea Mbanoetten
Der Bundespräsident im Gespräch mit Nachkommen des von Deutschen hingerichteten Wangoni-Führers Songea MbanoettenBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Steinmeier traf in Songea auch mit Nachfahren des Wangoni-Führers Songea Mbano zusammen, der von den deutschen Truppen zusammen mit 66 anderen Kämpfern der Wangoni im Februar 1906 gehängt und enthauptet wurde. 

"Wir werden tun, was in unserer Macht steht"

Er wolle eine "Botschaft" überbringen, sagte Steinmeier nach einem Besuch des Maji-Maji-Museums und dem Gespräch mit Hinterbliebenen. "Deutschland ist bereit zu einer gemeinsamen Aufarbeitung der Vergangenheit", sagte er. "Niemand soll vergessen, was damals geschehen ist." Seine "große Hoffnung" sei, "dass die gemeinsame Aufarbeitung der Vergangenheit gerade auch junge Leute mit einbezieht: Schülerinnen und Schüler, Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Museumsleute".

Entschuldigung für koloniale Verbrechen überfällig: Christoph Hoffmann, FDP

Das deutsche Staatsoberhaupt sagte in Tansania zudem zu, sterbliche Überreste von Menschen aus der früheren Kolonie nach Tansania zurückzubringen. "Was wir wissen, ist, dass damals viele Gebeine aus Ostafrika nach Deutschland gebracht wurden und dort in Museen und anthropologischen Sammlungen lagen - hunderte, vielleicht tausende von Schädeln", sagte er.

Die Identifizierung der menschlichen Überreste und ihre Zuordnung sei allerdings "sehr, sehr schwierig", sage Steinmeier weiter. "Diese Ehrlichkeit schulde ich Ihnen, auch wenn es mir sehr schwerfällt, das zu sagen." Er könne aber versprechen: "Wir werden tun, was in unserer Macht steht." Die deutsche Kolonialherrschaft in Ostafrika begann 1885 und währte bis zum Ersten Weltkrieg.

sti/se (afp, dpa, epd)