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Steuerparadies Deutschland

Dirk Kaufmann7. November 2013

Wer viel Geld verdient, aber möglichst wenig Steuern bezahlen möchte, der weicht in eine Steueroase aus: zum Beispiel Deutschland, wo die Behörden ein großes Herz haben für Leute, die ihre Steuern kreativ gestalten.

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Unterlagen für die Steuererklärung (Foto: Fotolia/M. Schuckart)
Bild: Fotolia/m.schuckart

Deutschland ist Weltspitze. Das hören Deutsche gern, nicht nur wenn es um Fußball geht. Wenn sie Autos verkaufen oder Produktionsmaschinen, wenn es ums Reisen geht - bei vielem sind sie vorn dabei. Nun hat das Tax Justice Network (TJN) eine Rangliste der besten Steueroasen der Welt veröffentlicht, und wieder steht Deutschland weit oben: Auf Platz acht und damit beliebter als die britische Kanalinsel Jersey und Panama. Unangefochtener Spitzenreiter ist übrigens die Schweiz.

Das Tax Justice Network ist eine international tätige Nichtregierungsorganisation, die sich für globale Steuergerechtigkeit einsetzt und auf Missstände hinweist. 2012 beispielsweise hat sie errechnet, dass jährlich weltweit bis zu 280 Milliarden Euro an Einkommenssteuer hinterzogen werden.

Für die aktuelle Rangliste der besten oder effektivsten Steueroasen hat die NGO untersucht, in welchem Land es am leichtesten fällt, die Herkunft von Geld zu verschleiern. Diese "Infrastruktur des Steuerbetrugs" hat das TJN ins Verhältnis zur Bedeutung eines Landes für den internationalen Geldverkehr gesetzt. Das Ergebnis ist ebenso klar wie vorhersehbar: Deutschland, Japan und die USA haben ihrer ökonomischen Bedeutung wegen einen Platz in den Top 10 sicher.

Biotop für Steuerhinterzieher und andere Verbrecher

Markus Meinzer, Tax-Justice Netzwork (Foto: privat)
Markus Meinzer beklagt die deutsche "Scheinheiligkeit"Bild: M. Meinzer

Markus Meinzer vom Sekretariat des TJN ist Mitautor des Steueroasen-Rankings. Seiner Meinung nach hat Deutschland seinen prominenten Platz in der Liste dem Umstand zu verdanken, dass es hierzulande viel zu leicht ist, Gewinne zu verschleiern. So müssten beispielsweise "Jahresabschlüsse von Unternehmen nicht immer in den Unternehmensregistern veröffentlich werden. Es gibt eine Ausnahmeklausel, die es erlaubt, darauf zu verzichten."

Das führe dazu, dass "wir nur sehr schwer erkennen, was diese Firmen tatsächlich in Deutschland tun, wie viel Umsatz sie haben, welche Steuern sie bezahlen". In anderen Ländern sei das nicht so, da wollten die Behörden prinzipiell "einen Jahresabschluss sehen".

Das erleichtere übrigens nicht nur die Verschleierung von Gewinnen und Verdiensten, sondern ermögliche auch, die Herkunft des Geldes zu verbergen: "Unternehmen müssen nicht zwingend darlegen, wer die eigentlichen Eigentümer im Hintergrund sind. Also die natürlichen Personen aus Fleisch und Blut, denen ein Unternehmen gehört." Davon profitiere besonders die Organisierte Kriminalität. Experten schätzen, dass in Deutschland jährlich zwischen 29 und 57 Milliarden Euro an Schwarzgeld gewaschen werden. Auftraggeber und Profiteure: Mafiaorganisationen, korrupte Politiker, Diktatoren.

Lücken werden ausgenutzt

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG), Thomas Eigenthaler (Foto: dapd)
Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft findet, ...Bild: dapd

Ist Deutschland wirklich eine Steueroase? Ein Paradies für Schwindler, Verbrecher und die Mafia? Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuergewerkschaft würde das nicht so formulieren: "Wir können nicht direkt von einer Oase sprechen." Das sagt er lieber etwas vorsichtiger: "Wir haben, sage ich mal, indirekte Lücken. Lücken im Vollzug, die durchaus auch ausgenutzt werden."

Diese "Lücken im Vollzug" erkenne man schon an der personellen Ausstattung der Finanzämter: "In den deutschen Finanzämtern wird das Personal künstlich knapp gehalten. Es gibt Personalbedarfsberechnungen, doch kein Landesfinanzminister hält sich daran. Wir finden in den Finanzämtern nur etwa 80 bis 85 Prozent des von den Ministern und von den Verwaltungen selbst berechneten Personals."

Wenn ans Licht kommt, dass deutsche Banken den Staat bei der Erstattung der Kapitalertragssteuer um mehr als zehn Milliarden Euro betrogen haben sollen, ist das ein Indiz für die Ineffizienz des deutschen Steuersystems. Wenn herauskommt, dass Fußballfunktionär UIi Hoeneß vom FC Bayern München den Fiskus um einige Millionen betrogen hat, ist das auch ein Hinweis darauf, dass das nur die Spitze des Eisberges ist. Finanzämter mit mehr Personal würden vielleicht mehr solcher Fälle aufdecken.

Ansicht der Dienstmarke eines Mitarbeiters der Steuerfahndung mit der Aufschrift "Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung - Köln"
... es gebe nicht genug Steuerfahnder in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

"Minister der Scheinheiligkeit"

Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat vor Jahren die Schweizer stark verärgert, weil diese an ihrem Bankgeheimnis festhalten wollten. Das, so der Minister, leiste der Steuerhinterziehung in Deutschland Vorschub. Wenn die Eidgenossen nicht endlich spurten, könne man doch "mal die Kavallerie ausreiten lassen". Dem aktuellen Bericht des TJN zufolge ist die Schweiz tatsächlich die Weltsteueroase Nummer eins. Das ach so steuerehrliche Deutschland aber sei, so der Bericht, zum beliebten Fluchtpunkt von Schweizer Steuerbetrügern aufgestiegen.

Für TNJ-Autor Markus Meinzer sind Empörungsgesten wie die von Peer Steinbrück der "Gipfel der Scheinheiligkeit". Einerseits forderten die Politiker, heimlich erworbene Steuerinformationen wie die "Offshore-Leaks-Daten zu analysieren und zu nutzen. Aber Reformen, die diese Leaks überflüssig machen würden, die blockieren sie."

Auch Steuergewerkschaftler Thomas Eigenthaler hält die Reaktionen mancher Politiker für heuchlerisch. Ihre Gesetzgebung ermögliche den Steuerbetrügern doch erst ihr Tun. Von den unterschiedlichen Steuergesetzen allein in Europa würden Unternehmen und Großverdiener geradezu eingeladen, sich die Rosinen herauszupicken: "International agierende Unternehmen haben da alle Möglichkeiten."