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Schäuble lässt Athen auflaufen

Barbara Wesel 19. Februar 2015

Für Finanzminister Schäuble ist der griechische Antrag auf Finanzhilfen ein trojanisches Pferd, in dem der Wunsch nach Geld ohne Sparauflagen steckt. Versucht Athen, mit neuen Begriffen die Eurogruppe auszutricksen?

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Griechische und EU-Flagge (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/Y. Herman

Am Donnerstagmittag wurde der bereits für gestern erwartete Brief aus Athen schließlich im Posteingang registriert. Auf zwei Seiten beantragt die griechische Regierung darin eine Fortsetzung der Finanzhilfen aus Brüssel. Auf den ersten Blick scheinen die wesentlichen Forderungen angesprochen, die die Eurogruppen-Finanzminister den Griechen bei ihrem letzten Treffen gestellt hatten. Etwa dass Athen weiter mit den Institutionen (ehemals Troika) zusammenarbeiten werde. Oder dass die Regierung keine einseitigen Maßnahmen beschließen wolle, die die finanzielle Stabilität des Staatshaushaltes gefährdeten.

Auch die Aufrechterhaltung des Schuldendienstes wird versprochen. Vermieden wird allerdings der bei der griechischen Seite verpönte Begriff "Hilfsprogramm". Stattdessen wird der juristische Terminus für die Auszahlungen aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF benutzt. Der Teufel muss hier im Detail, jedenfalls in den Einzelheiten der Formulierungen stecken. Denn auf den ersten Blick erscheint der griechische Antrag wie eine Kehrtwende, schließlich enthält er die verlangten Hinweise auf die wesentlichen Streitpunkte.

Nein aus Berlin

Die Abfuhr aus Berlin erfolgte jedoch postwendend: "Der Brief ist kein substantieller Lösungsvorschlag", so der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Das Schreiben entspreche nicht den am Montag in Brüssel verabredeten Kriterien und ziele auf eine Brückenfinanzierung, ohne die Anforderungen des Programms zu erfüllen. Es fehlten die Details, hieß es dazu aus diplomatischen Kreisen in Brüssel, man hätte sich zuvor ganz genau darüber geeinigt, was in dem Antrag stehen müsse.

Mit der Formulierung "Brückenfinanzierung für ein halbes Jahr" nämlich war der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis beim letzten Treffen der Eurogruppe bei seinen Kollegen bereits rundum abgeblitzt. Athen wolle einfach mehr Geld, ohne sich dafür zu den vereinbarten Reform- und Sparmaßnahmen zu verpflichten, so lautete das Votum. Ist der Brief also jetzt die gleiche Forderung in anderem Gewand? Für Verwirrung dürfte dabei die griechische Weigerung sorgen, aus politischen Gründen bestimmte Begriffe weiterhin zu benutzen. Werden sie durch andere Formulierungen ersetzt, ist dann damit auch der gleiche Inhalt gemeint oder verbergen sich dahinter die öffentlich beschworenen Absichten der Regierung in Athen, den Sparkurs zu beenden und zum Beispiel mit neuen Sozialmaßnahmen die Lage der Bevölkerung zu erleichtern?

Eurogruppe Schuldengespräche mit Griechenland gescheitert
Jeroen Dijsselbloem hat die Eurogruppe erneut einberufenBild: Reuters/Lenoir

EU-Spitzen waren um Vermittlung bemüht

Schäuble jedenfalls scheint den Brief als trojanisches Pferd zu betrachten, bei dem tatsächlich die Forderung nach einer Weiterfinanzierung des griechischen Staatshaushaltes ohne die entscheidenden Auflagen verlangt wird. In Brüssel wiederum reagierte die EU-Kommission nach der Veröffentlichung durchaus zufrieden:"Das ist ein positives Zeichen und könne den Weg für einen vernünftigen Kompromiss ebnen", erklärte der Sprecher des Kommissionpräsidenten dazu. Jean Claude Juncker habe sich die ganze Nacht hindurch um Vermittlung in diesem Streit bemüht, eine Einigung sei im Interesse Europas.

Inwieweit aber das Bekenntnis zur finanziellen Rahmenvereinbarung in Bezug auf den Rettungsschirm auch die Verpflichtung zu den Reformen und Sparzielen bedeutet, die im sogenannten "Memorandum of Understanding" festgehalten sind, ließ der Kommissionsprecher offen. Das Wort Memorandum wird in dem Brief nicht erwähnt, es steht ebenfalls auf der semantischen Verbotsliste der Griechen. Schäuble aber scheint genau hier den Pferdefuß zu sehen und will bei dieser Begriffsverwirrung nicht mitmachen. Unbekannt ist außerdem bislang, ob Athen dem Antrag endlich die geforderten Unterlagen zur Haushalts- und Wirtschaftsentwicklung beigefügt hat, auf deren Basis eine Entscheidung getroffen werden sollte.

Griechische Regierung bleibt stur

Veränderungen am Text des Antrags kommen für die Regierung in Athen nicht in Frage. Die Euro-Finanzminister könnten auf der Dringlichkeitssitzung am Freitag in Brüssel den Antrag "annehmen oder ablehnen", hieß es in einer Erklärung der Regierung. Eine andere Option gebe es nicht. Dann werde sich zeigen, "wer eine Lösung will und wer nicht".

Kann es noch eine technische Lösung geben?

An diesen Nachmittag beugt sich zunächst die Arbeitsgruppe der Experten in Brüssel über den Brief und wird ihren Beitrag zur Textexegese leisten. Sie bereiten das erneute Treffen der Eurogruppe vor, das deren Chef Jeroen Dijsselbloem schon für Freitagnachmittag einberufen hat.

Die Frage ist, ob es bis dahin weitere Änderungen geben kann, schließlich hatte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis am Mittwoch versprochen, man nähere sich Stunde um Stunde einander an, er zeigte sich bis zuletzt zuversichtlich. International jedenfalls steht der deutsche Finanzminister mit seiner harten Haltung gegenüber Athen nicht allein: Eine Reihe kleinerer Staaten sowie die früheren Krisenländer Portugal und Irland lehnen Sonderregelungen für die Griechen ebenfalls ab. Eine Einigung aber muß einstimmig erfolgen. Möglich ist also, dass das Treffen erneut im Krach endet, wenn andere Eurogruppen-Minister die harsche Einschätzung Berlins teilen.

Grexit? DW-Reporter, Rupert Wiederwald mit seiner Einschätzung

Griechen räumen die Konten

Für Griechenland jedenfalls drängt die Zeit: Die Finanzmärkte verfolgen jede Bewegung in dieser Auseinandersetzung genau. Das Nein aus Berlin ließ sofort den Eurokurs abstürzen. Die EZB verlängerte zwar am Mittwochabend einmal mehr die laufende Liquiditätshilfe für griechische Banken, aber die Signale aus Frankfurt sind klar: Droht Griechenland die Zahlungsunfähigkeit, wird der Geldhahn zugedreht. Manche Zentralbanker wünschen sich Kapitalverkehrskontrollen, um den ständigen Geldabfluß von griechischen Konten zu stoppen. Griechische Zeitungen räumen inzwischen ein, dass Athen aus eigener Kraft nur noch bis Mitte März durchhalten könne. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind alle Wetten wieder offen, wie das Land und die Eurozone aus dieser Situation herauskommen. Die Frist für eine Verlängerung des Hilfsprogramms aber läuft unaufhaltsam ab. Am 28. Februar um 24.00 Uhr ist es "over", wie Wolfgang Schäuble am Dienstag in Brüssel klar gemacht hatte.