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PolitikEuropa

Reparationen: Polen verstärkt Druck auf Deutschland

Jacek Lepiarz Warschau
6. Januar 2023

Nach einem erneuten Berliner "nein" zu den polnischen Reparationsforderungen will Warschau nun die Vereinten Nationen sowie die USA einschalten. Zudem sollen die Deutschen über die Forderungen Polens "aufgeklärt" werden.

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Polen Warschau | Arkadiusz Mularczyk, Vize-Außenminister Polens
Polens Vize-Außenminister Arkadiusz MularczykBild: Tomasz Gzell/PAP/picture alliance

"Diese Antwort ist für uns, das polnische Außenministerium und den polnischen Staat, erstaunlich, weil der deutsche Staat eine Frage, die niemals gestellt wurde, nicht abschließen kann. Es hat weder Verhandlungen noch Vermittlungsgespräche gegeben", erklärte der polnische Vize-Außenminister Arkadiusz Mularczyk am Mittwoch (4.1.2023) in Warschau.

"Wir erkennen die deutsche Position nicht an, lehnen sie in Gänze als absolut unbegründet und falsch ab. Wir werden auf der internationalen Bühne handeln, aber auch in Deutschland, um die internationale und deutsche Öffentlichkeit zur Änderung ihrer Haltung zu bewegen", so der polnische Politiker weiter.

Bundesaußenministerin  Annalena Baerbock steht hinter einem Pult mit einer schwarz-rot-goldenen Deutschlandflagge, rechts daneben steht polnische Außenminister Zbigniew Rau hinter einem Pult, auf dem die weiß-rote Flagge Polens prangt
Annalena Baerbock und Zbigniew Rau in Warschau am 4.10.2022Bild: Aleksander Rajewski/DW

Die Nachricht, die in Warschau solche Empörung ausgelöst hatte, war kurz und knapp: "Nach Angaben der Regierung der Bundesrepublik Deutschland bleibt die Frage der Reparationen und Entschädigungen für die Kriegsverluste abgeschlossen, und sie beabsichtigt nicht, Verhandlungen darüber aufzunehmen." Die Antwort des polnischen Außenministeriums folgte umgehend: "Polens Regierung wird ihre Bemühungen fortsetzen, um die Frage der Schulden, die sich aus der deutschen Aggression und Besatzung in den Jahren 1939-1945 ergeben, zu regeln.".

Dass die deutsche Antwort auf die polnischen Forderungen anders ausfallen würde, hatte im Lager der vereinigten Rechten, das seit 2015 in Polen regiert, wohl niemand ernsthaft erwartet. Hatte doch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock den deutschen Standpunkt bereits am 4.10.2022 klar dargestellt, nachdem die polnische Regierung am Tag zuvor eine diplomatische Note mit ihren Forderungen an Berlin geschickt hatte.

Auf einem schwarz-weiß-Foto ist eine Trümmerwüste aus Steinen zu sehen, um Hintergrund erkennt man ein Gebäude mit Turm, es könnte eine Kirche sein
Die von deutschen Truppen zerstörte polnische Hauptstadt Warschau am Ende des Zweiten WeltkriegsBild: Keystone/Getty Images

"Deutschland steht ohne wenn und aber zu seiner historischen Verantwortung. Es bleibt unsere ewige Aufgabe, an das millionenfache Leid zu erinnern, das Deutschland Polen angetan hat, angetan hat mit einer Brutalität, die in Polen noch mal ganz anderen Schmerz als an anderen Orten hervorgebracht hat", so Baerbock im Oktober in Warschau. "Zugleich ist die Frage nach Reparationen aus Sicht der Bundesregierung, das weiß du, abgeschlossen", so die Ministerin mit Blick auf ihren polnischen Kollegen Zbigniew Rau.

Polen verlangt 1,3 Billionen Euro Reparationszahlungen von Deutschland

Vize-Außenminister Mularczyk, Mitglied von Polens größter Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PIS), hat die Reparationsansprüche an Deutschland bereits vor Jahren zu seinem Topthema gemacht. Er leitete seit 2017 eine parlamentarische Arbeitsgruppe, die Polens Verluste im Zweiten Weltkrieg feststellen sollte. Am 1. September 2022, dem 73. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, präsentierte er den Abschlussbericht, in dem von 6,2 Billionen Zloty, umgerechnet rund 1,3 Billionen Euro Kriegsschäden die Rede ist.

Im vergangenen Jahr war Mularczyk zum Staatssekretär im Außenministerium aufgestiegen. Bereits am Dienstag (3.1.2023) hatte er die deutsche Antwort als "Missachtung Polens und der Polen" bezeichnet. "Die Deutschen betreiben keine freundliche Politik gegenüber Polen, wollen hier ihre Einflusszone errichten und behandeln Polen wie einen Vasallen", so der jetzige Vize-Außenminister gegenüber der Polnischen Nachrichtenagentur PAP.

UN und USA sollen Polens Reparationsforderungen unterstützen

Um den Druck auf Berlin zu erhöhen, hat Warschau sich mit der Bitte um Unterstützung an den Generalsekretär der Vereinigten Nationen, Antonio Guterres, gewandt. Zudem wurde die Generalsekretärin der UNESCO, Audrey Azoulay, nach Warschau eingeladen. Darüber hinaus kündigte Mularczyk eine Reise in die USA an, wo er Verbündete im Kongress und im Senat gewinnen will.

Eine Umfrage des Instituts Ipsos im Auftrag polnischer Medien ergab Anfang Januar 2023, dass 75 Prozent der Deutschen die polnischen Forderungen ablehnen. Dieses Ergebnis hinderte Mularczyk jedoch nicht, zudem eine Informationskampagne in Deutschland anzukündigen: "Wir hoffen, dass wir mit der Zeit die Deutschen überzeugen, dass diese Frage geregelt werden muss", so der PIS-Politiker. Besondere Hoffnung verbinde er mit der jungen Generation in Deutschland.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki
Bundeskanzler Olaf Scholz und Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki treffen sich in Berlin anlässlich des Westbalkangipfels im Dezember 2022Bild: picture alliance/dpa

Die deutsche Absage an die polnischen Reparationsforderungen liefert Polens rechts-nationalistische Regierung willkommene Gelegenheit zur Verschärfung der Auseinandersetzung mit dem Nachbarland. Kritik an Deutschland scheint eines der Hauptthemen der polnischen Rechten im Wahlkampf vor der Parlamentswahl im Herbst zu sein. Die größte polnische Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) mit Ex-Premier und Ex-EU-Kommissar Donald Tusk an der Spitze wird als Handlanger Berlins diffamiert.

Egal welche Partei die im Herbst 2023 anstehenden Parlamentswahlen in Polen gewinnt - sie wird sich der Reparationsfrage stellen müssen. Denn in der bereits erwähnten Ipsos-Umfrage haben sich 66 Prozent der Befragten in Polen für Reparationen aus Deutschland ausgesprochen. Und in einem Parlamentsbeschluss von Mitte September vergangenen Jahres, für den auch die Opposition gestimmt hatte, stellte das polnische Parlament Sejm fest, dass Polen niemals Entschädigung für Kriegsverluste bekommen hat und auch niemals auf die Ansprüche verzichtet hat.

In einer früheren Version dieses Artikels wurde ein historisches Foto verwendet, das als NS-Propaganda entlarvt wurde. Das Foto wurde entfernt. Die Redaktion bittet, den Fehler zu entschuldigen.

Porträt eines Mannes mit grauem Haar vor einem Regal mit Büchern
Jacek Lepiarz Journalist in der polnischen Redaktion mit Schwerpunkt auf deutsch-polnischen Themen.