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Streit um Schwulen-Parade in Serbien

Jakov Leon 27. September 2014

Serbiens Regierung steht vor einem Dilemma: Soll sie eine geplante Schwulen-Parade unterstützen oder sie aus Angst vor Ausschreitungen verbieten? Die Debatte wirft ein Schlaglicht auf die Situation Homosexueller im Land.

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Demonstranten vor dem Parlament in Belgrad im Jahr 2013, die mehr Rechte für Schwule fordern (Foto: AFP)
Demonstration für die Rechte von Homosexuellen in Belgrad 2013Bild: Getty Images/A. Isakovic

Die für Sonntag (28.09.) geplante Homosexuellen-Parade sorgt in Serbien für Aufruhr. Rechte Gruppen haben angekündigt, den Umzug gewaltsam verhindern zu wollen. Vertreter der serbisch-orthodoxen Kirche behaupten sogar, die verheerenden Überschwemmungen dieses Jahres sollten als "Warnung wegen der Schwulen-Parade gesehen werden". Doch die Aktivisten geben nicht auf: Die Organisatoren wollen dafür sorgen, dass es zum symbolträchtigen Umzug durch die Straßen Belgrads kommt - nachdem die Parade in den letzten Jahren aus Sicherheitsgründen verboten worden war. Denn 2010 hatten gewaltbereite Rechtsextreme mehrere Teilnehmer der Gay Pride Parade - in Anlehung an den Christopher Street Day auch CSD genannt - verletzt.

Trotz vieler Versprechungen von Seiten der Politik habe sich die Lage der Schwulen, Lesben und Transsexuellen in Serbien kaum verbessert, kritisiert der 25-jährige Nikola. "Ich habe ständig Angst, dass ich einen Überfall erleben könnte. Es kommt immer noch zu beleidigenden Äußerungen von Menschen auf der Straße, nur weil ich anders aussehe. Wir sind Bürger zweiter Klasse". Er kommt aus einem kleinen Ort im Norden Serbiens. Weil er und seine Familie wegen seiner Homosexualität heftig beschimpft wurden, ist Nikola weggezogen und lebt mittlerweile in Novi Sad, einer größeren Stadt.

Angriff auf deutschen Schwulen-Aktivisten

Trotz der alltäglichen Diskriminierung von Schwulen habe es auf juristischer Ebene immerhin Verbesserungen gegeben, sagt Milena Vasić vom Belgrader Kommitee der Menschenrechtsanwälte: "Die wichtigste Änderung betrifft das Antidiskriminierungsgesetz: Wir haben jetzt einen Kommissar für Gleichberechtigung." 2012 sei das Strafgesetz in Serbien auch geändert worden: "Das Konzept der 'Hassverbrechen' wurde anerkannt. Das bedeutet, dass es bei der Verurteilung eine Rolle spielt, ob das Motiv eines Verbrechens Hass ist - wegen der Religion, der nationalen Herkunft, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung des Opfers." Trotzdem seien viele rechtliche Fragen in Bezug auf Homosexuelle noch ungeklärt.

Sicherheitskräfte nehmen einen Demonstranten fest, der während der Pride Parade 2010 gegen Schwule gewaltsam protestiert hat (Foto: EPA)
Sicherheitskräfte nehmen einen Demonstranten fest, der während der Pride Parade 2010 gegen Schwule randaliert hatBild: picture-alliance/dpa

Trotz der verbesserten Rechtslage sei die Situation der Homosexuellen in Serbien immer noch sehr schwierig, sagt der deutsche Grünen-Abgeordnete Volker Beck im DW-Gespräch: "Sie erleben nicht nur Diskriminierung und Ausgrenzung, sondern werden auch psychisch und physisch angegriffen. Das macht ein Coming-out nahezu unmöglich und zwingt Menschen, ihre Identität zu verheimlichen". Deshalb würden Schwule und Lesben dort in ständiger Angst leben. "Viele von ihnen wollen Serbien verlassen, weil sie keine Hoffnung mehr haben, dass sich etwas ändert", sagt der Politiker und Menschenrechtler, der vor zwei Wochen nach Belgrad gereist ist, nachdem ein deutscher Schwulen-Aktivist angegriffen und schwer verletzt worden war. Dieser Vorfall ist für Beck ein Grund mehr, warum die Parade am Sonntag auf jeden Fall stattfinden sollte.

Doch in diesem Jahr gefährdet nicht nur die allgemeine Homophobie den Umzug der Schwulen und Lesben, sondern auch ein landesweiter Streik serbischer Polizisten wegen nicht ausgezahlter Löhne. Die Polizisten fordern, dass die Regierung alle Großveranstaltungen in Belgrad am Wochenende absagt. "Das hört sich nach einem abgekarteten Spiel zwischen den Verantwortlichen in der Regierung und den Polizeigewerkschaften an", kritisiert Grünen-Politiker Volker Beck. Die Bundesregierung sollte Belgrad klarmachen, dass sie dieses Spiel "durchschaue" - und es Konsequenzen für die EU-Beitrittsverhandlungen Serbiens haben könnte.

Grünen-Politiker Beck reist nach Belgrad zur Pride Parade

Jenseits der Debatten, ob solche Paraden stattfinden sollen oder nicht, werde in Serbien aber viel zu wenig über die Probleme von Schwulen, Lesben und Transsexuellen diskutiert: "An der Macht sind Menschen, die nicht ausreichend sensibilisiert für diese Problematik sind", sagt Dragoslava Barzut von der serbischen Schwulen- und Lesbengruppe "Labris". Eine Pride Parade könne zwar die schwierige Lage dieser Menschen nicht über Nacht ändern - doch auf symbolischer Ebene sei sie umso wichtiger: "Sie soll bestätigen, dass wir in einem Land leben, wo die Gesetze wirklich etwas bedeuten", sagt sie. "Selbst wenn nur zehn von uns die Parade organisieren wollen, muss der Staat das ermöglichen. Nur das kann beweisen, dass wir alle gleich sind.“

Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck in einer Bundestagsdebatte (Foto: dpa)
Beck: "Schwule in Serbien leben in ständiger Angst"Bild: picture-alliance/dpa

Auch Grünen-Politiker Volker Beck will am Wochenende nach Belgrad reisen - unabhängig davon, ob die Parade am Ende stattfindet oder nicht. "Das Besondere an der Situation in Serbien ist, dass diese aggressiv homophobe Stimmung auch von Politikern und Vertretern der Serbisch-Orthodoxen Kirche verbreitet wird", kritisiert er. "Mit einem drohenden Verweis auf die gewalttätigen Ausschreitungen in der Vergangenheit hat der Patriarch diese Woche das Verbot des CSD gefordert. Hetzerische Äußerungen aus Politik und Kirche legitimieren Hooligans zur Gewalt", glaubt Beck. Deutschland und die EU "müssen auch im Rahmen der Verhandlungen über Serbiens EU-Mitgliedschaft den serbischen Verantwortlichen klar machen, dass die Rechte von Lesben und Schwulen zu den gemeinsamen Werten der europäischen Familie gehören."