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Streit um Stalin bei Ausstellung in Potsdam

Roman Goncharenko | Vladimir Esipov
17. Juli 2020

Vor 75 Jahren begann die Potsdamer Konferenz. Die Beschlüsse der Alliierten prägen Deutschland bis heute. Doch die Texte einer Ausstellung dazu in Schloss Cecilienhof bringen Russlands Kulturministerium in Rage.

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Deutschland Ausstellung Potsdamer Konferenz 1945 - Die Neuordnung der Welt im Schloss Cecilienhof
Der Innenhof des Schlosses CecilienhofBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Ob die Aufteilung in Besatzungszonen oder die Festlegung der Oder-Neiße-Grenze - die Ergebnisse der Potsdamer Konferenz, die am 17. Juli 1945 begann, haben vor allem Deutschland stark beeinflusst, aber auch die globale Ordnung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Eine Sonderausstellung am historischen Ort des Treffens, im Schloss Cecilienhof in Potsdam, bietet seit Ende Juni eine "multimediale Zeitreise" in jene rund zwei Sommerwochen bis zum Ende des Treffens am 2. August 1945. Der Gipfel der drei Siegermächte - USA, Großbritannien und Sowjetunion - wird im Kontext einer "Neuordnung der Welt" dargestellt, wie es im Titel heißt. Doch neben Corona-Einschränkungen hatte die Ausstellung ein Problem, mit dem die Veranstalter wohl nicht gerechnet hatten: Russland.

Die Regierung in Moskau hat ihren Beitrag zu dem Projekt der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) zurückgezogen. Das Ergebnis: Die Ausstellung präsentiert 133 Exponate aus zwei Dutzend Ländern, aber russische, wie etwa persönliche Gegenstände des damaligen Sowjetführers Joseph Stalin, sind nicht dabei.

An Stalin scheiden sich die Geister

Jürgen Luh hat bis zuletzt gehofft, dass die Exponate aus Russland doch noch kommen würden. Der Historiker und Kurator der Potsdamer Ausstellung schloss sogar eine Wette mit Kollegen ab - und verlor. Das russische Kulturministerium erteilte keine Genehmigung für die Ausfuhr der Exponate aus russischen Museen nach Deutschland. Hintergrund war die Absage deutscher Historiker, von Russland vorgeschlagene Formulierungen für die Texte zu nutzen. Es ging vor allem um Stalin und das Ende des Zweiten Weltkriegs in Asien.

Deutschland Schloss Cecilienhof Churchill, Truman und Stalin
Die drei Großen der Potsdamer Konferenz 1945: Der britische Premier Winston Churchill, US-Präsident Harry S. Truman und der sowjetische Staatschef Josef Stalin (v.l.n.r.)Bild: picture-alliance/dpa

"Wir konnten uns über Formulierungen in Begleittexten nicht einigen", sagte Luh in einem Gespräch mit der DW. "Es gab Dinge, die unverständlich waren. Etwa, der Zweite Weltkrieg sei in Asien durch den Eintritt der glorreichen sowjetischen Armee zu Ende gegangen - und nicht durch die (US-amerikanischen) Atombomben. Das kann man so sehen, entspricht aber nicht ganz dem, was die Wirklichkeit war. "

Die Veranstalter haben aus Russland eine Reihe von "Verbesserungsvorschlägen" bekommen, erzählt Luh. Sollte die deutsche Seite diese nicht berücksichtigen, so hieß es aus dem russischen Kulturministerium, dann sei nicht auszuschließen, dass die Exponate doch nicht zur Verfügung gestellt werden - trotz eines unterschrieben Vertrags. Die deutschen Ausstellungsmacher halten ihre Texte für "absolut neutral und korrekt" und weigerten sich, die russischen Vorschläge aufzugreifen. Moskau reagierte mit Ausfuhrverbot.

Russland spricht von Verdrehung historischer Fakten

Wenige Tage vor dem 75. Jahrestag der Potsdamer Konferenz äußerte sich der ehemalige russische Kulturminister und Berater des Präsidenten, Wladimir Medinski, zu dem Streit um die Ausstellung. "Im Grunde ging es um eine direkte Verdrehung historischer Fakten", behauptete er bei einer Veranstaltung in Moskau anlässlich des Jahrestages. 

Potsdamer Konferenz im  Schloß Cecilienhof
Historische Persönlichkeiten - einer der Ausstellungssäle im Schloss Cecilienhof Bild: DW/V. Esipov

"Begleittexte zu unseren Exponaten haben zu einem Imageschaden für die russische Seite geführt. Das ist etwas, was man mit dem verschlissenen, aber doch treffenden Wort 'Fälschung' der Geschichte beschreibt." Vor diesem Hintergrund hätten russische Museumsdirektoren es als beleidigend angesehen, Exponate nach Deutschland zu schicken, so der Präsidentenberater laut "Rossijskaja Gaseta".

Die Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta" zitiert auch Stanislaw Dawydow, einen Vertreter des Moskauer Museums des Sieges. Laut Dawydow werde Stalin in der deutschen Fassung des Mediaguides der Ausstellung als "Alleinherrscher" bezeichnet, "der seine Macht mit Hilfe der Geheimpolizei durchsetzte". "Wir haben gefragt, was das mit der 'Alleinherrschaft' und 'Geheimpolizei', die es in der UdSSR nie gegeben hatte, bedeuten soll. Man antwortete uns höflich und doch scharf, dass man nicht ändern werde", so Dawydow. Als "umstritten" bezeichnet die russische Seite auch das Ausmaß der Gewalt der Roten Armee gegenüber der deutschen Bevölkerung und das Verhältnis zwischen Polen und Deutschland 1939. 

Spiegel der russischen Geschichtspolitik

Potsdamer Konferenz im  Schloß Cecilienhof | Historiker Jürgen Luh
Historiker und Kurator Jürgen LuhBild: DW/V. Esipov

Die Argumente der russischen Seite erinnern an die gegenwärtige Geschichtspolitik in Russland, bei der Stalin und der sowjetische Sieg im Zweiten Weltkrieg eine zentrale Rolle spielen. Wer den Sowjetführer kritisiert, riskiert, als Geschichtsfälscher gebrandmarkt zu werden. Im Audioguide zu der Ausstellung wird an einer Stelle der Personenkult Stalins erwähnt. Russland habe das nicht gefallen, so Jürgen Luh. 

Der Historiker bedauert die Entscheidung Moskaus, sich an der Ausstellung über die Potsdamer Konferenz nicht zu beteiligen: "Russland ist ein riesiges Land, das einen großen Beitrag zum Untergang des Nationalsozialismus geleistet hat, man kann darauf stolz sein." Nichts davon werde infrage gestellt. Laut Luh habe es mit den russischen Museen keine Probleme gegeben. Zum Ausfuhrstopp habe die Sorge des Kulturministeriums in Moskau geführt. Dabei sei man als Historiker frei, zu interpretieren. "Weder die deutsche Bundesregierung, noch die amerikanische, noch die britische, noch die russische können uns sagen, wie wir das zu interpretieren haben", sagt Luh.