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Streit um US-Spählisten schwelt weiter

20. Mai 2015

Es klingt fast nach einer unendlichen Geschichte. Im Berliner Koalitionszwist über den Umgang mit den US-Spionagelisten zeichnet sich keine rasche Lösung ab. Die Opposition ist empört, ihr dauert die Aufklärung zu lang.

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Konstantin von Notz, Obmann der Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss (Foto: dpa)
Konstantin von Notz, Obmann der Grünen im NSA-UntersuchungsausschussBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Die Berliner Regierungskoalition hat noch keinen Konsens gefunden, was die Ausleuchtung der Spähaffäre um den Bundesnachrichtendienst (BND) und den US-Geheimdienst NSA angeht. Es ist auch keine schnelle Einigung in Sicht. "Da wird sich jetzt erstmal nichts tun", sagte ein Regierungsvertreter in Berlin. Regierungssprecher Steffen Seibert verwies auf die andauernden Gespräche mit den Amerikanern. Erst nach deren Abschluss werde die Bundesregierung eine Entscheidung fällen.

Im Kern geht es um die Listen mit Suchbegriffen, den sogenannten Selektoren, mit denen der US-Geheimdienst NSA jahrelang auch europäische Regierungen, Behörden und Unternehmen ausgeforscht haben soll. Der Bundesnachrichtendienst hat inzwischen Listen mit mehreren Zehntausend solcher Selektoren erstellt, die der US-Geheimdienst über die Jahre absprachewidrig übermittelte. Der BND steht im Verdacht, den USA geholfen zu haben. Unklar ist, wer im Kanzleramt wann wie viel von den Vorgängen wusste.

In der BND-Abhörstation Bad Aibling wurden zahlreiche NSA-Suchbegriffen eingesetzt (Foto: dpa)
In der BND-Abhörstation Bad Aibling wurden zahlreiche NSA-Suchbegriffen eingesetztBild: picture-alliance/dpa/A. Warmuth

Der NSA-Untersuchungsausschuss und das Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestages wollen die Listen der Suchbegriffe nun einsehen. Die SPD hat ebenso wie die Opposition gefordert, dies müsse notfalls auch gegen den Willen der USA möglich sein. in der Koalition gibt es aber Streit über eine Offenlegung der Unterlagen. Koalitionsvertreter hatten zu Wochenbeginn den Eindruck erweckt, als sei eine Einigung - etwa auf einen Ermittlungsbeauftragten - innerhalb weniger Tage möglich. Mit einer Entscheidung wird nun erst nach Pfingsten gerechnet.

Opposition verärgert

Die Opposition wirft der Regierung Vertuschung vor. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz (Artikelbild) kritisierte: "Die Vertagung der Herausgabe der Liste auf den Sankt Nimmerleinstag ist eine weitere Unverschämtheit der Bundesregierung gegenüber dem Parlament." Die Bundesregierung stehe "eindeutig auf der Seite der Vertuscher dieses Skandals". Der Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss warf der Regierung vor, sie breche ihre Zusage gegenüber dem Parlament. "Das zeigt, dass die Aufklärung, die Angela Merkel versprochen hat, ein Medien-Gag war", sagte er.

Den Vorschlag, dass nicht die Abgeordneten selbst, sondern ein Sonderermittler Einsicht in die Listen bekommen könnte, lehnte von Notz vehement ab. Das Parlament habe ein Recht, die Akten einzusehen. "Das werden wir uns nicht durch einen Ermittlungsbeauftragten abquatschen lassen - egal wen sie nominieren." Auch Linksfraktionschef Gregor Gysi wies die Idee eines Sonderermittlers zurück. Damit würden die Rechte des Parlaments beschnitten. "Das geht auf gar keinen Fall", sagte Gysi. "Das Ganze ist inzwischen wirklich zu einem Staatsskandal geworden." Er kündigte an, seine Partei werde gegen einen Sonderermittler notfalls eine Organklage vor dem Bundesverfassungsgericht einreichen. Der Opposition werde mit diesem Modell das Recht genommen, sich selbst ein Bild von den umstrittenen Selektoren-Listen zu machen.

"Ball liegt im Kanzleramt"

Dagegen sagte der SPD-Obmann im NSA-Ausschuss, Christian Flisek, er könne kein Spiel auf Zeit der Regierung erkennen. Aber auch er erwarte eine zügige Entscheidung. "Der Ball liegt beim Kanzleramt." Flisek und die Unions-Obfrau im NSA-Ausschuss, Nina Warken, bezeichneten die Ernennung eines Ermittlungsbeauftragten als "gangbaren Weg".

Die SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht sagte, es sei Zeit, dass die Regierung einen Vorschlag auf den Tisch lege. Lamprecht machte sich für eine gemeinsame Lösung mit der Opposition stark. Die Aufklärung der Affäre um die Geheimdienstzusammenarbeit müsse "vom Parlament insgesamt" geleistet werden. Die Fraktionen von Opposition und Koalition sollten an einem Strang ziehen.

Derweil warf die Union der Opposition vor, immer wieder geheime Dokumente aus den Ausschüssen an die Medien weitergereicht zu haben. Um die Geheimhaltung sicherzustellen, sei ein Sonderbeauftragter die richtige Lösung, sagte Unionsfraktionsvize Franz-Josef Jung. "Das Parlament schadet sich selbst, indem er geheime Unterlagen an die Öffentlichkeit gibt."

kle/stu (rtr, dpa, afp)