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Kunst

Streit um Welfenschatz: US-Gericht stoppt Klage

Sarah Judith Hofmann mit dpa | Bettina Baumann mit epd
15. Juli 2023

Im jahrelangen Streit um die Herausgabe des Welfenschatzes hat ein US-Berufungsgericht die Klage zurückgewiesen. US-Gerichte seien dafür nicht zuständig. Das Urteil deckt sich mit einer Entscheidung von 2022.

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Ein Muttergottes-Statue mit Kind aus dem Welfenschatz in Vitrine. Im Hintergrund: Eine Museumsbesucherin. (Foto: picture-alliance/dpa/S. Pilick)
Der Welfenschatz gilt als eine der Hauptattraktionen der Berliner MuseenBild: picture-alliance/dpa/S. Pilick

Erneut sind die Kläger im Streit um den millionenschweren Welfenschatz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) vor einem US-Gericht gescheitert. Ein Berufungsgericht in Washington, D.C. habe die Klage auf Rückgabe des Welfenschatzes gestoppt, teilte die Stiftung in Berlin mit. Damit wurde eine Entscheidung von 2022 bestätigt, wonach US-Gerichte dafür nicht zuständig sind.

Stiftungspräsident Hermann Parzinger sagte, "dieses Urteil bestätigt die Auffassung der SPK, dass die Klage auf Rückgabe des Welfenschatzes nicht vor einem US-Gericht verhandelt werden sollte". Die Stiftung vertrete seit langem die Auffassung, dass diese Restitutionsklage auch in der Sache unbegründet sei, weil der Verkauf des Welfenschatzes im Jahr 1935 kein NS-verfolgungsbedingter Zwangsverkauf war.

Die Klage war im Februar 2015 eingereicht worden. 2021 hatte sich auch das höchste US-Gericht, der Supreme Court, damit befasst und ein US-Bezirksgericht angewiesen, sich erneut mit dem Fall zu beschäftigen.

Jüdische Verkäufer unter Druck? 

Der Welfenschatz umfasst 44 Meisterwerke mittelalterlicher Kirchenkunst. Die Welfen sind das älteste Fürstenhaus Europas, die Familie sammelte zahlreiche Schätze an. Ein Konsortium deutsch-jüdischer Kunsthändler hatte den Welfenschatz 1929 von der Familie der Welfen erworben. Nachdem sie einzelne Stücke in den Folgejahren weltweit auf den Markt gebracht hatten, verkauften sie 1935 den Rest der Sammlung an den preußischen Staat, dessen Ministerpräsident damals der Nationalsozialist Herrmann Göring war. Jene 42 Goldschmiedearbeiten sind heute im Berliner Kunstgewerbemuseum ausgestellt.

Adolf Hitler (Mitte links) mit Hermann Göring (rechts) 1944. (Foto: picture-alliance/dpa/Fine Art Images)
Hermann Göring (r.) und Adolf Hitler im Jahr 1944 Bild: picture-alliance/dpa/Fine Art Images

Samy Rosenberg, einer der damaligen Kunsthändler, sei mit dem Leben bedroht worden, argumentieren die Erben. Hätte er den Welfenschatz nicht zu den Konditionen der Nazis verkauft, hätten er und seine Familie es niemals aus Deutschland herausgeschafft. Diese Einschätzung hatten sie vor der US-Richterin Colleen Kollar-Kotelly offenbar ausreichend belegen können. Sie befand am 31. März 2017: "Die Inbesitznahme des Welfenschatzes (…) weist genügend Verbindung zum Völkermord auf, insofern als dass der hier angenommene erzwungene Verkauf als Verstoß gegen das Völkerrecht gewertet werden kann."

Anwälte: Nazi-Kriegsverbrecher keine zivilisierten Geschäftsmänner

Hinter dem Rechtsstreit steht die Grundsatzfrage: Muss bei möglicher NS-Raubkunst jeder Einzelfall im Detail untersucht werden? Oder genügt das Wissen, dass jüdische Kunsthändler seit Hitlers Machtübernahme 1933 schrittweise entrechtet wurden und damit gar nicht mehr in der Lage waren, auf Augenhöhe auf dem Kunstmarkt zu handeln?

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz argumentiert mit dem Einzelfall. 1935 sei ein angemessener Preis gezahlt worden. Die Weltwirtschaftskrise habe zu niedrigen Preisen auf dem Kunstmarkt geführt. Geraubt worden sei der Schatz keineswegs.

Die Position der Kläger-Anwälte lautet: Im Jahr 1935 kann es keinen "fairen Deal" für jüdische Kunsthändler gegeben haben. Nazi-Kriegsverbrecher als zivilisierte Geschäftsmänner zu bezeichnen, sei beschämend, so die Anwälte Urbach und Stötzel.

Kein Gesetz für Raubkunstfälle in Deutschland

Bereits 2008 hatten die Anwälte der Erben die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erstmals aufgefordert, den Welfenschatz zurückzugeben. 2015 empfahl die sogenannte Limbach-Kommission aus unabhängigen Experten, den Schatz in Berlin zu lassen. Der 1935 gezahlte Preis von 4,25 Millionen Reichsmark habe dem damaligen Marktwert entsprochen. Daraufhin hatten die Anwälte Klage vor dem Gericht in Washington D.C. eingereicht. Da es in Deutschland keine Rechtsgrundlage für Restitutionsfälle gebe, bleibe ihnen nichts anderes übrig, hatten sie erklärt.

Drei goldene Armreliquiare des Welfenschatzes in Glasvitrine. Im Hintergrund: Besucher des Kunstgewerbemuseums Berlin.
Als wollten sie sich zu Wort melden: Armreliquiare des Welfenschatzes im Berliner KunstgewerbemuseumBild: picture-alliance/dpa

Anders als in Österreich oder Holland gibt es in Deutschland kein Restitutionsgesetz, nach dem Fälle möglicher Nazi-Raubkunst entschieden werden könnten. Die Limbach-Kom­mis­si­on kann bei Strei­tig­kei­ten über die Rück­ga­be von Kul­tur­gü­tern an­ge­ru­fen wer­den, die wäh­rend des na­tio­nal­so­zia­lis­tischen Herrschaft ih­ren Ei­gen­tü­mern, ins­be­son­de­re jü­di­schen Op­fern des NS-Ter­rors, ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­gen wur­den. Die Limbach-Kommission kann lediglich eine Empfehlung aussprechen, rechtlich bindend ist dies nicht.

Dieser Artikel erschien erstmals 2021 und wurde um die aktuellen Entwicklungen im Rechtstreit am 15.07.2023 ergänzt.