Richtungsstreit um Energiewendekosten vertagt
22. März 2013Geht der Energiewende in Deutschland die Luft aus? Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag mit den sechzehn Ministerpräsidenten der Länder sprach, ging es vor allem um eins: Strompreise. Denn über zwei Jahre nach der Entscheidung zum Ausstieg aus der Atomenergie sind Wind-, Sonne- und Bioenergie als Alternative in Verruf geraten. Kritiker machen den rasanten Ausbau von erneuerbaren Energien dafür verantwortlich, dass hierzulande die Haushaltsstrompreise zu Jahresbeginn um zwölf Prozent explodierten. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) preschte daraufhin mit einem Konzept vor, das Einschnitte bei bereits genehmigter wie auch zukünftiger Ökostrom-Förderung vorsah, um so den Strompreisanstieg zu drosseln. Er wollte so die von jedem privaten Stromkunden zu zahlende Ökostrom-Umlage von 5,3 Cent pro Kilowattstunde in den nächsten Jahren stabil halten. Doch was Altmaier als sogenannte Strompreisbremse noch bis zum Sommer des Jahres in Gesetzesform gießen will, das scheint nach diesem Spitzentreffen zwischen Vertretern von Bund und Ländern eher in weite Ferne gerückt.
Investitionssicherheit geht vor Strompreisreduzierung
Denn zentrale Punkte von Altmaiers Katalog an Kürzungen in der Ökostrom-Förderung finden bei den Ministerpräsidenten der sechzehn Bundesländer nicht die Zustimmung, die für eine gesetzliche Kurskorrektur notwendig ist. Mit rund 20 Milliarden Euro belastet die Energiewende pro Jahr die Stromkosten für private Haushalte. Altmaiers Vorschlag, die zugesagte Förderung für die Einspeisung von Sonnen- oder Windstrom nachträglich zu kappen, hatte vor dem Gipfel für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Umwelt- wie Wirtschaftsverbände hatten kritisiert, dass ein solcher Schritt den weiteren Ausbau des auf derzeit 25 Prozent gestiegenen Ökostromanteils dramatisch einbrechen lassen könnte, weil Investoren verunsichert würden. Regierung und Ministerpräsidenten hätten jetzt die Verunsicherung beendet, sagte die Bundeskanzlerin beim Energiegipfel. Es wurde vereinbart, "dass rechtlich zugesagte Vergütungen für Bestandsanlagen nicht nachträglich gekürzt werden." Der Sprecher der rot-grün regierten Bundesländer, Thorsten Albig (SPD), begrüßte diese Klarstellung als wichtiges Signal für den Investitionsstandort Deutschland.
Zudem betonte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident aber, dass die rot-grün regierten Bundesländer weiter für Alternativen zur Strompreisbremse des Umweltministers kämpfen wollten. Die Länder hatten vorgeschlagen, Strompreis-Senkungen für private Haushalte dadurch zu erreichen, dass die vom Staat erhobene Stromsteuer um 25 Prozent reduziert wird, was die Stromrechnungen um insgesamt 1,6 Milliarden Euro bundesweit entlasten könnte. Eine Forderung, die bis zur Bundestagswahl im September von der Regierung nicht weiterverfolgt werden dürfte. "Ich habe meiner Skepsis hier heute Ausdruck verliehen", sagte die Kanzlerin. Sie sehe dafür keine Spielräume im Haushalt, fügte sie noch hinzu.
Grundlegende Reformen erst nach der Wahl
Ein Grund für das Strompreis-Dilemma: Die Bundesländer bauen derzeit in Höchstgeschwindigkeit die Ökostromförderung aus. Das wird vor allem von Industrie und Wirtschaftsvertretern kritisiert. "Dieses Spiel auf Zeit gefährdet fahrlässig Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze", sagte der Chef des Industrieverbands BDI, Ulrich Grillo. Dabei sei eine weitere Reduzierung der Ökostromförderung und eine bessere Koordinierung der Ausbauziele weiterhin geboten, hob Grillo bereits vor dem Gipfel hervor: "Nach unseren Berechnungen addieren sich die individuellen Ausbauziele der sechzehn Bundesländer bei erneuerbaren Energien auf rund 150 Prozent der Bundesziele." Das sei unnötig teuer und eine Politik der "Flickschusterei".
Bereits vor dem Treffen signalisierte Umweltminister Peter Altmaier, dass er keine schnellen Lösungen erwartet: "Die grundlegende Reform, die wir brauchen, die sollten wir außerhalb des Wahlkampfes erörtern." Die Kanzlerin kündigte an, dass zumindest kleine Änderungen beim Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) aber noch bis Ende Mai von einer Arbeitsgruppe im Kanzleramt beraten werden sollen. Dabei gehe es vor allem um die stärkere Einbeziehung jener großen Stromverbraucher, die unter dem Schlagwort "energieintensive Betriebe" bislang von der Zahlung der Ökostrom-Förderung großzügig ausgenommen werden, um im internationalen Wettbewerb nicht benachteiligt zu sein. Der Umweltminister hatte hier Korrekturen angeregt, die auch von der Kanzlerin befürwortet werden. Allerdings, so die Kanzlerin, seien hier keine "Milliarden zu gewinnen". Ebenso wenig wie durch Kürzungen bei der Vergütung von neuen Windkraftanlagen Einsparungen von Milliarden zu erhoffen seien, dämpfte sie die Erwartungen. "Wir haben uns mal zu dieser Energiewende entschlossen", betonte Merkel. "Und jetzt wollen wir sie auch zu Ende bringen". Sie fügte aber auch noch hinzu: "Wir sind sicherlich am schwierigsten Punkt angekommen."