Studenten gegen Rüstungsforschung
14. März 2012Als erste deutsche Hochschule verpflichtete sich die Universität Bremen 1986, mit einer sogenannten "Zivilklausel" ausschließlich für friedliche Zwecke zu forschen. Die Selbstverpflichtung ist eine deutsche Besonderheit, die aus der Friedensbewegung kommt. Nur japanische Universitäten kennen ebenfalls Zivilklauseln. Im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärt Katharina Sass vom "Arbeitskreis Zivilklausel" der Universität Köln, warum deutsche Hochschulen gerade heute auf Rüstungsforschung verzichten sollten.
Deutsche Welle: Zivilklauseln gibt es schon länger an deutschen Hochschulen. Wieso ist das Thema heute wieder so präsent?
Solche Klauseln gibt es schon seit den fünfziger Jahren, zum Beispiel an Atomforschungszentren, etwa in Karlsruhe. In den achtziger Jahren kamen über die Friedensbewegung weitere dazu und in den neunziger Jahren noch weitere, weil man geglaubt hat, jetzt gibt es eine Friedensdividende, weil der Kalte Krieg vorbei war. Gleichzeitig gibt es aber auch eine starke Gegenbewegung, die Hochschulen immer stärker für die Kriegsforschung vereinnahmen will. Das hat seit gut zwei Jahren zu einer neuen Studenteninitiative für Zivilklauseln an den Hochschulen geführt.
Lässt sich in der Forschung denn immer unterscheiden, welche Dinge für friedliche und welche für eine militärische Nutzung verwendet werden?
Natürlich kann es immer passieren, dass man irgendetwas hinterher auch militärisch nutzen kann, auch wenn das vorher gar nicht das Ziel war. Aber das ist eben der springende Punkt. Es gibt das Stichwort 'dual use', also doppelte Nutzung. Gerade bei dieser 'dual use'-Forschung ist von Anfang an klar, dass etwas erforscht werden soll, das auch militärisch nützlich ist. Und das lehnen wir ab. Wir möchten nicht, dass solche Interessen im Vordergrund stehen, wenn die Zielsetzung eines Forschungsprojektes festgelegt wird. Wir wollen, dass die Forschung frei ist.
Wie kann denn die militärische Nutzung eines Forschungsprojektes aussehen?
Das kann prinzipiell in allen Fakultäten stattfinden. Am deutlichsten sind natürlich die Beispiele aus den Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften, wenn es ganz klar darum geht, Waffen zu entwickeln. Aber auch in den Gesellschaftswissenschaften können Kriegsstrategien erarbeitet werden. Und es kommt eben immer wirklich auf die Perspektive an und auf die Frage, woher kommt das Geld und wem nützt es?
Stichwort 'Geld': Das ist ja in Zeiten mangelnder finanzieller Grundlagen an Universitäten ein besonderes Problem. Denn viel kommt aus Drittmitteln. Und da sehen Sie auch die spezielle Problematik?
Ja, die Drittmittelabhängigkeit ist ein sehr großes Problem und es wird auch immer schlimmer. Und da spielen natürlich auch Gelder vom Verteidigungsministerium oder aus der Rüstungsindustrie, die an bestimmte Projekte vergeben werden, eine Rolle. Die Hochschulen in Deutschland wurden leider so umstrukturiert, dass sie in starker Konkurrenz um Gelder stehen, so dass freie Wissenschaft nicht mehr einfach möglich ist. Stattdessen müsste man sie eigentlich gut ausfinanzieren.
Ist die Zivilklausel ein typisch deutsches Phänomen oder gibt es auch Universitäten im Ausland, die mitziehen?
Ich würde schon sagen, dass Deutschland aufgrund des Nationalsozialismus und der Weltkriege eine besondere historische Verantwortung hat. Daraus resultiert ja auch, dass im Deutschen Grundgesetz steht, die Wissenschaft solle frei sein. Nichts desto trotz gibt es natürlich internationale Zusammenarbeit. Verschiedene Prominente wie Nobelpreisträger Noam Chomsky und der Bürgermeister von Hiroshima zum Beispiel haben einen internationalen Appell unterschrieben, dass die Universitäten sich dem Frieden verpflichten und Zivilklauseln in ihre Grundordnungen schreiben sollen. Gerade in den USA besteht ja eine große Abhängigkeit der Forschung in den Ingenieur- und Naturwissenschaften, weil das Pentagon hier sehr viel finanziert.
Sie setzen sich seit zwei Jahren an der Universität Köln für die Zivilklausel ein. Wie erfolgreich sind Sie damit?
In Köln haben wir vor anderthalb Jahren eine Abstimmung gehabt, bei der sich zwei Drittel der Studierenden für eine Zivilklausel ausgesprochen haben. Aktuell machen wir eine Unterschriftenkampagne unter den Mitarbeitern der Universität, wo wir schon über hundert Unterschriften gesammelt haben. Darüber gibt es natürlich Konflikte mit der Hochschulleitung. Aber wir bleiben dran. Anfang Mai ist die bundesweite Zivilklauselwoche der Initiative 'Hochschulen für den Frieden! - Nein zur Kriegsforschung!- Ja zur Zivilklausel!', wo wir Veranstaltungen machen und aufklären werden über das Thema.
Vor kurzem hat der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière gesagt, er erkenne keinen großen intellektuellen Beitrag der deutschen Universitäten zur Frage von Krieg und Frieden. Diese Aussage hat eine Debatte ausgelöst rund um die Sicherheitspolitik als wissenschaftlichen Gegenstand. Wie beurteilen Sie die Debatte?
Einerseits kriegen wir Gegenwind, andererseits eher Aufwind, weil die Debatte auf das Thema aufmerksam macht und sich die Auseinandersetzung zuspitzt. Verteidigungsminister De Maizière fordert ganz klar, dass die Hochschulen Kriegsforschung betreiben und Strategien für die aktuellen Kriege und deutschen Interessen entwickeln sollen. Er pointiert damit genau das, was wir bekämpfen: die Einflussnahme der Politik und Industrie auf die Hochschulen. In Köln gibt es zum Beispiel einen Vertrag zwischen dem Bayer Konzern und der Universität. Das sehen wir sehr kritisch. Wir hoffen sehr, dass sich noch mehr Menschen unserer Bewegung anschließen werden.
Das Gespräch führte Svenja Üing
Redaktion: Sabine Damaschke