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Ist die globale Energiewende bezahlbar?

Richard A. Fuchs
21. März 2017

2016 war ein Rekordjahr für Erneuerbare Energien weltweit. Es wurde mehr in Ökostrom als in fossile Kraftwerke investiert. Eine Konferenz in Berlin will jetzt beweisen: Der Umstieg rechnet sich auch für ärmere Länder.

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BETD 2017
90 Länder - ein Thema: Wie gelingt die globale Energiewende?Bild: BETD/photothek/M. Gottschalk

Kurz vor der Energiewende-Konferenz im Auswärtigen Amt in Berlin, zeigte die Windenergie in Deutschland, was in ihr steckt. Der Grund: Am vergangenen Wochenende, an dem ein Sturmtief Europa überquerte, wurden 53 Prozent des deutschen Strombedarfs mit Windkraft gedeckt. Ökostromrekord im deutschen Netz. Eine Erfolgsmeldung, wie gemacht für die große Energiewende-Konferenz der Bundesregierung, zu der Minister und Experten aus mehr als 90 Ländern angereist sind.

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Auf dem Grünen Sofa: Außenminister Gabriel (links) und Wirtschaftsministerin ZypriesBild: BETD/photothek.net/M. Gottschalk

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) rief die Weltgemeinschaft auf dem dritten "Berlin Energy Transition Dialogue" in Berlin dazu auf, beim Klimaschutz nicht nachzulassen. "Den Klimawandel bekämpfen wird nicht mit Zäunen und Abschottung, sondern mit internationaler Zusammenarbeit", sagte der heutige Außenminister, der bis vor wenigen Wochen im Kabinett Merkel die Energiewende als Wirtschaftsminister verantwortete. Gabriel reagierte damit auf den Widerstand der US-Regierung von Donald Trump, die sich im Rahmen der G20-Runde nicht zum Klimaschutz verpflichten will. Die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer werden unter deutscher Präsidentschaft im Juli in Hamburg zusammenkommen. In Berlin wurde jetzt die Rolle der Erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz debattiert. 

"Energiewende ist logisch, nicht nur ökologisch"

Bertrand Piccard, Pilot des solaren Weltumseglers Solar Impulse, würdigte Pionierländer wie Deutschland, die bewiesen hätten, dass die Energiewende ökologisch und ökonomisch sinnvoll sei. "Energiewende ist logisch, nicht nur ökologisch", so Piccard. Er stellte eine Plattform vor, auf der 1000 wirtschaftliche Energielösungen mit Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz zur Nachahmung empfohlen werden. "Pioniere werden zu Beginn immer für verrückt erklärt. Wenn alles funktioniert, dann sagen danach alle: war doch klar!" Es gehe jetzt darum, so Piccard, das Paradigma der fossilen Energiewelt durch ein neues, nachhaltiges Paradigma zu ersetzen. Die Weltumrundung mit seinem Solarflieger habe bewiesen: Technologien und Know-how seien vorhanden.

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Er flog mit Sonnenenergie einmal um die Welt: Solar-Impulse-Pilot Bertrand PiccardBild: BETD/photothek.net/M. Gottschalk

Vizekanzler Gabriel sieht diesen Weg auch als Chance, Konflikte um Energie- und Wasserreserven zu entschärfen. "Wir brauchen die globale Energiewende, weil sie die Welt sicherer und gerechter macht." Im Fokus der Debatten in Berlin standen allerdings nicht die Ziele des Weltklimavertrags von Paris. Darin verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Es ging vielmehr um die Frage: Wie wird die Energiewende, die hohe Anfangsinvestitionen in Windräder, Solarparks und Biogasanlagen verlangt, auch für Schwellen- und Entwicklungsländer bezahlbar?

Berlin Energy Transition Dialogue
Dolf Gielen, Direktor für Innovation bei der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) mit Sitz in Bonn und Abu DhabiBild: DW/R. Fuchs

29 Billionen US-Dollar für die Wende

Eine auf der Berliner Konferenz vorgestellte Studie der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) will dazu die nötigen Antworten liefern. Die IRENA-Forscher analysieren in der Studie, welche finanziellen Anstrengungen bis 2050 nötig sind, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Ihre Botschaft: Eine globale Energiewende ist technisch machbar, und selbst für ärmere Länder ökonomisch von Vorteil. Die Studie, erstmals in Kooperation mit der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris gemeinsam erstellt, beziffert den Investitionsbedarf für den Umbau des weltweiten Energiesektors auf rund 29 Billionen US-Dollar bis 2050. Eine gewaltige Summe, die Dolf Gielen von der IRENA eingeordnet wissen will. "Das sind nach unseren Schätzungen lediglich 0,4 Prozent der Wirtschaftsleistung der Welt", sagt der Direktor für Innovation und Investitionen von IRENA, im DW-Interview.

Die von der Bundesregierung im Rahmen ihrer G20-Präsidentschaft beauftragte Studie stellt den Investitionen für Erneuerbare hohe Gewinne entgegen. Einmal beim weltweiten Wirtschaftswachstum, aber auch beim Arbeitsplatzaufbau. "Wir rechnen durch die Investitionen in Erneuerbare Energien und Energieeffizienz mit einem Wachstumsimpuls von 0,8 Prozent für die globale Wirtschaft", sagt Gielen. Zudem würden sechs Millionen mehr Arbeitsplätze geschaffen, als durch Jobverluste bei Öl-, Kohle- und Gasproduktion wegfielen. "Das sieht für uns ökonomisch alles sehr sinnvoll aus." Dazu kämen weitere positive Nebeneffekte, darunter die Bekämpfung von Feinstaub und Smog in Großstädten, ebenso wie die langfristig günstigeren Energiekosten für Verbraucher.

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Die Energiewende verbindet: Delegierte im GesprächBild: BETD/photothek.net/M. Gottschalk

Das lasse sich selbst an Ländern wie Russland ablesen, zitiert Gielen aus einer Länderstudie, die IRENA in kürze veröffentlichen will. IRENA-Forscher haben darin den Stromverbrauch in Russland untersucht und herausgefunden: Etwa zehn Prozent des russischen Energieverbrauchs findet in Sibirien statt, wo Strom hauptsächlich durch Dieselgeneratoren produziert wird. "Das ist sehr teurer Strom und da kann man mit Investitionen in Erneuerbare Energien ganz viel machen", sagt Dolf Gielen. Zudem würden die Kosten eines Umstiegs deutlich kleiner, je intensiver die Länder vorab in Energieeffizienzmaßnahmen investierten. "Wenn der Energiebedarf der Länder um 40 bis 60 runtergeht, dann brauchen sie für die wegfallenden Energiemengen auch keinen Ersatz mehr."

Berlin Energy Transition Dialogue
Neoka Naidoo (links) und Letlhohonolo Mokwena, zwei Delegierte aus Südafrika beim Energiewende-Kongress im Auswärtigen Amt in Berlin Bild: DW/R. Fuchs

"Der Appetit auf Erneuerbare ist da"

IRENA-Direktor Adnan Amin kommt auf der Konferenz deshalb zum Schluss: "Die Erneuerbaren Energien waren ökonomisch noch nie so sinnvoll wie heute." Klingt gut, findet Neoka Naidoo aus Südafrika. Sie repräsentiert die Nichtregierungsorganisation African Coalition for Sustainable Energy Access (ACSEA), die gegen Energiearmut kämpft. Noch spiegelt die Berliner Aufbruchsstimmung aber nicht ihre Realität im Südlichen Afrika wider, sagt Neoka Naidoo im DW-Interview.

"Der Appetit auf Erneuerbare ist bei südafrikanischen Investoren da. Neben dem staatlich finanzierten Investitionsprogramm für Wind- und Solarenergie passiert trotzdem noch nicht viel." Weil die Kosten für die Erneuerbaren Energien aber weiter fallen und ihre Einsatzmöglichkeiten größer werden, ist sie überzeugt: "Wir wollen das, was wir hier an Erfolgen sehen, auch in Südafrika hinbekommen."