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Stück für Stück fällt der Mantel des Schweigens

Klaus Dahmann24. Juli 2014

In Australien muss sich ein katholischer Militärbischof wegen Kindesmissbrauchs vor Gericht verantworten. Der Fall ist der jüngste in einer ganzen Serie von Missbrauchsskandalen, die die katholische Kirche erschüttert.

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Kindesmissbrauch (Symbolbild) - © Gerhard Seybert
Bild: Fotolia/Gerhard Seybert

Die Vergehen, die Max Davis zur Last gelegt werden, liegen 45 Jahre zurück: Vor seiner Priesterweihe soll er als Lehrer ein Kind unter 14 Jahren mehrfach sexuell missbraucht haben. Der 68-Jährige weist die Anschuldigungen zurück. Im Zuge der Ermittlungen legte er aber sein Amt als Militärbischof nieder, zumindest solange der Fall vor Gericht anhängig ist.

Lange hüllte die katholische Kirche einen Deckmantel des Schweigens über sexuellen Missbrauch durch Geistliche. Erst Mitte der 1990er Jahre löste der Fall eines irischen Priesters, der 40 Jahre lang Kinder misshandelt und sexuell missbraucht hatte, eine weltweite Enthüllungswelle aus: In den USA brachte das Buch "A Gospel of Shame" zahlreiche Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche ans Tageslicht. In Deutschland erregte vor allem der milde Umgang der Amtskirche mit verurteilten Priestern die Gemüter: Mehrere Geistliche waren nach ihrer Haftstrafe in andere Pfarreien versetzt worden. Im Jahr 1995 leitete die Staatsanwaltschaft Kassel Ermittlungsverfahren gegen zwei Bischöfe ein, die solche Versetzungen jahrelang unterschrieben hatten - die Verfahren wurden jedoch wegen geringer Schuld wieder eingestellt.

Australischer Militärbischof Max Davis- AP Photo/Australian Catholic Bishops Conference
Wegen Kindesmissbrauchs angeklagt: der australische Militärbischof Max DavisBild: picture alliance/AP

Reaktion der Amtskirche

Als Anfang 2001 erneut sexuelle Missbrauchsfälle, vor allem in Afrika, Schlagzeilen machten, reagierte der Vatikan: Mit einem päpstlichen Erlass wurde festgelegt, dass Sexualdelikte von Priestern nun in die Zuständigkeit der Glaubenskongregation in Rom fallen. Sexueller Missbrauch zählte fortan zu den sogenannten "delicta graviora", also den sehr schwerwiegenden Vergehen, für die die härtesten kirchenrechtlichen Disziplinarstrafen verhängt werden können. Nach dem Erlass gingen im Vatikan 3.000 Fälle ein, in denen Priester sexueller Delikte beschuldigt wurden.

Wenige Monate später veranlassten neue schockierende Missbrauchsfälle in den USA die dortige Bischofskonferenz, ihre Richtlinien im Umgang mit den Straftätern zu verschärfen: Verurteilten Geistlichen wurden automatisch die Rechte und Pflichten, die sie durch die Weihe erhalten hatten, entzogen. Zudem hoben die amerikanischen Bischöfe - auf Druck des Vatikans - die Verjährungsfrist an, um auch weiter zurückliegende Fälle behandeln zu können.

Canisiuskolleg Berlin - Copyright: Imago Christian Schroth Canisius Kolleg Gesellschaft
Tatort jahrelangen Kindesmissbrauchs durch Ordensleute: das Canisius-Kolleg in BerlinBild: picture alliance/AP

Missbrauch vertuscht

Anfang 2010 kam ein Missbrauchsskandal im jesuitischen Canisius-Kolleg in Berlin ans Licht. Laut Untersuchungsbericht hatte der Orden über Jahrzehnte sexuelle und körperliche Gewalt gegen Kinder vertuscht. Nun wurden auch andere Missbrauchsfälle in Heimen und Schulen bekannt. Die Deutsche Bischofskonferenz ernannte einen bundesweit zuständigen Beauftragten für Missbrauchsfälle und verabschiedete wenige Monate später neue Leitlinien. Den Opfern wurden auch Entschädigungszahlungen in Höhe von 50.00 Euro sowie die Übernahme von Therapiekosten zugesichert - zu wenig, kritisierten die Betroffenen. Schließlich richtete der Bundestag gemeinsam mit der katholischen Kirche einen Hilfsfonds über 120 Millionen Euro ein.

Die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals am Canisius-Kolleg durch die Bischofskonferenz geriet allerdings bald ins Stocken: Anfang 2013 kündigte der beauftragte Kriminologe die Zusammenarbeit, weil katholische Amtsträger die Arbeit massiv behindert hätten. Im August des selben Jahres wurde das Forschungsprojekt erneut ausgeschrieben.

Bischof Stephan Ackermann - Foto: Harald Tittel/dapd
Soll die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche aufklären: der Trierer Bischof Stephan AckermannBild: dapd

Tatsächliche Ausmaße unbekannt

Im Zentrum der Kritik stand auch immer wieder der Vatikan, weil er sich aus Sicht der Opfer zu zögerlich zu den Missbrauchsfällen äußerte. Johannes Paul II. übte zwar innerhalb der Kirche Druck aus, vor allem auf die nationalen Bischofskonferenzen, doch öffentliche Äußerungen zu den Missbrauchsfällen blieben rar. Erst Papst Benedikt XVI. traf 2008 in den USA und in Australien mit Opfern sexueller Übergriffe von Geistlichen zusammen, um ihnen sein Mitgefühl auszusprechen. Ende 2010 bat er sie öffentlich um Vergebung. Von den Kirchenoberen forderte Benedikt "Null-Toleranz". In seinen letzten beiden Amtsjahren wurden fast 400 Priester wegen Kindesmissbrauchs entlassen. Ein härteres Vorgehen gegen die Straftäter kündigte auch Papst Franziskus kurz nach Beginn seines Pontifikats an. Auch setzte er die von seinem Vorgänger begonnenen Treffen mit Missbrauchsopfern fort.

Die tatsächlichen Ausmaße sexueller Übergriffe durch Geistliche sind bis heute unklar. Man geht davon aus, dass nur ein geringer Teil der Missbrauchsfälle ans Tageslicht kommt. Standen anfangs noch Irland und die USA im Zentrum der Enthüllungen, sind mittlerweile Fälle auf allen Kontinenten bekannt. In Australien, wo sich nun der ehemalige Militärbischof Max Davis vor Gericht verantworten muss, sind bisher 71 katholische Würdenträger verurteilt worden.

Papst Benedikt trifft Missbrauchsopfer in den USA - Foto: privat +++(c) dpa - Bildfunk+++
Benedikt XVI. ging als erster Papst auf Missbrauchsopfer zuBild: picture-alliance/dpa
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