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Suche nach gemeinsamen Antworten

Stefan Dege (mit KNA)4. Oktober 2015

Die Erwartungen der Gläubigen sind hoch. Doch wie die Familiensynode im Vatikan ausgeht, ist offen. Zu unterschiedlich sind die Herausforderungen für die katholische Weltkirche rund um den Globus. Ein Überblick.

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Papst Franziskus und eine Familie (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Sollten wiederverheiratete Geschiedene die heilige Kommunion empfangen? Segnet die katholische Kirche künftig gleichgeschlechtliche Paare? Fragen wie diese beherrschen zwar die Debatte vor der Familiensynode in Rom. Der Kurs der Weltkirche in Sachen Ehe und Familie, Liebe und Sexualität dürfte jedoch stärker von den Lebensverhältnissen der Menschen in den diversen Weltregionen abhängen. "Wir sind eine Weltkirche. Die katholische Kirche versucht auf diese Fragen eine gemeinsame Antwort zu geben", betonte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, in einem Interview. Ein Blick auf die Kontinente und ihre Lebensbedingungen erscheint hilfreich.

In Asien beklagen viele Bischöfe die Globalisierung und einen "Effekt der Verwestlichung". Als Folge beobachten sie zerrüttete Ehen und Scheidungen. In Südkorea wächst die Kirche stark, mehr als vier Millionen Katholiken leben hier. Dagegen spielt die katholische Kirche in Japan kaum eine Rolle. In China leben bis zu 14 Millionen Katholiken. Insbesondere die papsttreuen Untergrundchristen leiden unter Benachteiligungen. Als Folge der "Ein-Kind-Politik" verlassen junge Leute die Dörfer, um in der Stadt zu arbeiten - und fehlen bei der Unterstützung ihrer Eltern. Ältere auf dem Land verelenden.

Christin in Tibet (Foto: picture-alliance/Photoshot)
Christin in TibetBild: picture-alliance/Photoshot

Wanderarbeit zerstört Familien in Asien

Auf den Philippinen gehören gut 80 Prozent der Bevölkerung dem römisch-katholischen Glauben an. Mehr als ein Viertel der rund 98 Millionen Einwohner leidet unter extremer Armut. Landflucht ist weit verbreitet. Viele Filipinos wandern in reichere Länder aus, etwa nach Australien. Familien zerbrechen. Opfer sind zumeist die Kinder. Alkoholismus und Gewalt greifen um sich. In vielen Ländern Asiens - etwa in Pakistan, Indonesien, Malaysia oder Bangladesch - erstarken fundamentalistisch islamische Strömungen. Im Nahen Osten schließlich sind Christen dem Terror des "Islamischen Staates" (IS) ausgesetzt.

In den 54 Staaten Afrikas hat es die katholische Kirche nicht leichter. Im vom Islam geprägten Norden bilden Christen eine überschaubare Minderheit. In Staaten wie Kongo oder Burundi stellen Katholiken die Hälfte der Bevölkerung. Südlich der Sahara wächst die Kirche dagegen explosionsartig - von knapp zwei Millionen Menschen Anfang des 20. Jahrhunderts auf rund 186 Millionen im Jahr 2010. Vielerorts wachsen "Megastädte" wie Lagos in Nigeria oder Kinshasa im Kongo. Polygamie ist weit verbreitet.

Probleme bringt auch hier die zunehmende Arbeitsmigration. Familien zerfallen, weil Männer ihre Familien verlassen, um in Minen, auf Plantagen oder in den Städten zu arbeiten. Ehefrauen bleiben alleinerziehend zurück. In den Großstädten gibt es Massenansiedlungen männlicher Arbeiter. Prostitution, Glücksspiel, Alkohol- und Drogenkonsum gedeihen. Weder das katholische noch das traditionell-afrikanische Bild der Familie greifen hier noch, beklagen Fachleute. In den Bürgerkriegsregionen Afrikas werden Menschen zudem durch Terror und Extremismus - etwa durch Boko Haram - traumatisiert. AIDS bleibt ein großes Thema in Afrika. Afrikas Bischöfe gelten als konservativ. Homosexualität ist ihnen ein Graus.

Warnung vor Neudefinition der Familie

In Australien sieht sich die katholische Kirche vor ähnlichen Herausforderungen wie in Deutschland. Der Kontinent hat die zweithöchste Scheidungsrate weltweit. Es gibt immer mehr Patchwork-Familien, immer kurzlebigere Beziehungen, viele interreligiöse und interkulturelle Partnerschaften. 2011 gehörten nur noch rund 60 Prozent der knapp 24 Millionen Australier einer christlichen Religion an. Ein Viertel der Bevölkerung war katholisch. Ihre Zahl sinkt, die Kirche verliert an Boden. In der Debatte um homosexuelle Partnerschaften hat sich die Australische Bischofskonferenz zuletzt klar positioniert.

Nach dem "Ja" der Iren zur Homo-Ehe beharrten Australiens Bischöfe auf der Ehe als einer "personalen Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau und einer schützenden Institution für ihre Kinder". Die Kirchenmänner warnten vor einer "gefährlichen Neudefinition" des Begriffs Familie.

Lateinamerika, die Heimat von Papst Franziskus, könnte bei der Familiensynode eine große Rolle spielen. Rund 500 Millionen Menschen leben auf dem katholischsten aller Kontinente. Nicht weniger als 22 Bischofskonferenzen entsenden ihre Vertreter nach Rom. Angesichts weitverbreiteter Armut setzen sie auf Wertevermittlung durch Bildung, um die Beziehungsfähigkeit junger Menschen zu stärken. Viele Paare leben in wilder Ehe, viele Beziehungen scheitern. Lange Arbeitszeiten, unsichere Arbeitsverhältnisse und geringe Einkommen sind ein Problem für viele Familien. Wie in Deutschland diskutiert auch die Kirche in Lateinamerika über den Umgang mit wiederverheirateten oder homosexuellen Paaren.

Weltjugendtag in Rio de Janeiro (Foto: picture alliance/dpa)
Begeisterung für die Kirche: Weltjugendtag in Rio de JaneiroBild: picture-alliance/dpa

Nordamerika mit der höchsten Scheidungsrate

In den USA, dem religiösesten Land der westlichen Industriestaaten, ist etwa ein Viertel der Einwohner katholisch, rund 60 Millionen. Ein Grund ist die Zuwanderung aus Asien und Südamerika. Lateinamerikaner importieren ein traditionelleres Bild von Familie, kennen andere Gemeindestrukturen und andere Bräuche. Diskussionsthema in der US-Kirche ist derzeit die Ehe von homosexuellen Paaren. Vor wenigen Wochen erst hat der Supreme Court, das oberste Verfassungsgericht der USA, solche legalisiert und der Ehe von Mann und Frau gleichgestellt. Viele Bischöfe sehen das traditionelle Familienbild in Gefahr.

Aber auch Abtreibung oder die künstliche Verhütung sind umstrittene Fragen. Die USA haben hohe Scheidungsraten, so ist auch der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen ein Problem. Welche Reformen die Synode bringen wird, darüber denken US-amerikanische Bischöfe und Gläubige unterschiedlich.