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Sudan: Kriegsverbrechen vor Internationalem Strafgerichtshof

19. Oktober 2023

Diesen Donnerstag soll die Verteidigung des Angeklagten Abd-Al-Rahman vor dem Internationalen Strafgerichtshof mit ihren Plädoyers beginnen. Das Verfahren ist auch für die aktuelle Situation im Sudan von Bedeutung.

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Logo des Internationalen Strafgerichtshof auf dem Gebäude in Den Haag
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag befasst sich mit Kriegsverbrechen im Sudan, die 20 Jahre zurückliegenBild: Peter Dejong/AP/picture alliance

Wegen insgesamt 31 Fällen von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit muss sich Ali Muhammed Ali Abd-Al-Rahman vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag verantworten. Darunter sind etwa der gezielte Angriff auf Zivilisten, Vergewaltigungen und Massentötungen. Diese Verbrechen soll er laut Anklage als hochrangiger Führer der Dschandschawid-Miliz in Darfur von August 2003 bis mindestens im April 2004 begangen haben.

Ali Muhammad Ali Abd-Al-Rahman sitzt mit blauer Maske im Gerichtssaal des IStGH in Den Haag
Ali Muhammad Ali Abd-Al-Rahman muss sich wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten (Archivbild) Bild: International Criminal Court/AA/picture alliance

Die Dschandschawid waren eine Reitermiliz, die während des bewaffneten Konfliktes in Darfur auf Seiten der Regierung Gewalt gegen afrikanische Stämme und Rebellengruppen ausübte. Nach Angaben der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2008 hat dieser Konflikt 300.000 Menschen das Leben gekostet. Aus dieser Miliz ging später die sogenannte schnelle Eingreiftruppe (Rapid Support Forces/RSF) hervor.

Abd-Al-Rahman weist die Vorwürfe von sich 

Beim Prozessauftakt beteuerte Ali Muhammed Ali Abd-Al-Rahman, der auch unter dem Kampfnamen "Ali Kuscheib" bekannt sein soll, seine Unschuld. In einer Einlassung aus dem März 2022 hatten seine Verteidiger einen Vorgeschmack ihrer Linie gegeben. Bei Abd-Al-Rahman handele es sich nicht um den Milizenführer Ali Kuscheib, falls es einen solchen überhaupt je gegeben habe. Vielmehr sei er ein normaler Bürger, der nach seinem Ausscheiden in der Armee im Jahre 1990 Medizin auf einem Markt verkauft habe und 2005 als Rekrut im zentralem Polizeiregister gelistet wurde. Aus Sicht der Verteidigung ergebe sich bereits aus dieser bescheidenen Position, dass er es nicht gewesen sein könne.

Porträtaufnahme des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs Karim Khan
Chefankläger Karim Khan will weiter im Sudan ermitteln (Archiv-Bild).Bild: Peter Dejong/REUTERS

Chefankläger Karim Khan machte in seinem Eröffnungsplädoyer deutlich, dass er den vorliegenden Fall für eindeutig halte. Zeuge um Zeuge habe den Angeklagten gesehen, gehört und wiedererkannt, führte der Brite aus. Auch hätten viele Zeugen Abd-Al-Rahman von früher gekannt. Im Verlauf des Prozesses hat der Chefankläger nach Angaben des Gerichts rund 56 Zeugen vor Gericht aufgerufen. Insgesamt sind 600 Opfer bei dem Verfahren zugelassen. 

Wie die aktuelle Situation im Sudan den Chefankläger beschäftigt

Doch den Chefankläger beschäftigt nicht nur die Situation im Sudan vor rund zwanzig Jahren, sondern auch die heutige. In einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat im Juli dieses Jahres stellte Karim Khan klar, dass er auch weiterhin Kriegsverbrechen in dem Land verfolge und betonte dabei, dass gegen jeden Einzelnen, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen oder Genozid innerhalb seines Einflussbereichs beginge, ermittelt werde.

Im April dieses Jahres brachen Kämpfe zwischen den sudanesischen Streitkräften von General Abdel Fattah al-Burhan und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) unter der Führung von General Mohammed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, aus. Diese führten das Land an den Rand einer humanitären Katastrophe und Berichte über weitere Menschenrechtsverletzungen mehrten sich. 

Aus Sicht der Menschenrechtsexpertin Elise Keppler von der Organisation Human Rights Watch ist die Straflosigkeit vorheriger Menschenrechtsverletzungen in Darfur auch ein Grund für die anhaltenden Verletzungen. Keppler betont im Gespräch mit der DW, wie wichtig dieses Verfahren für die Opfer der mutmaßlichen Verbrechen ist.

Auch Niemat Ahmadi, Gründerin der Darfur Women Action Group, betont, dass es den Opfern aus Darfur zum ersten Mal erlaubt war, in einem Gerichtshof ihre Geschichte zu erzählen. "Es geht um die Würde," sagte Niemat in einem vom IStGH auf X, vormals Twitter, veröffentlichten Video. Sie glaubt, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen, damit die Situation im Sudan eines Tages gelöst werden kann.

Weitere Angeklagte aus Sudan noch auf freiem Fuß

Insgesamt hat der Internationale Strafgerichtshof sechs Fälle eröffnet und sieben Haftbefehle erlassen. Bislang ist der Fall des Angeklagten Abd-Al-Rahman der einzige, der bis zum Verfahren gelangt ist. Abd-Al-Rahman hatte sich im Juni 2020 freiwillig gestellt. Die anderen Angeklagten wurden überwiegend noch nicht an den Gerichtshof ausgeliefert. Der prominenteste unter ihnen ist wohl der frühere Machthaber des Sudans, Omar al-Baschir, der sich zwischenzeitlich im Sudan in Haft befand.

"Leider haben wir erfahren, dass sich diese Flüchtigen nicht mehr in Haft befinden. Es ist nach wie vor absolut notwendig, dass sie überstellt werden, um sich den gegen sie erhobenen Vorwürfen zu stellen, damit diese Verfahren weitergeführt werden können", sagte Elise Keppler.

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel