Sudans Kulturschätze werden zerstört
13. Juni 2023Die seit Wochen andauernden Kämpfe im Sudan zwischen der sudanesischen Armee und den paramilitärischen Truppen der Rapid Support Forces (RSF) haben eine humanitäre Katastrophe bewirkt. Seit Beginn der Kämpfe im April 2023 wurden laut dem für den Sudan zuständigen UN-Experten Radhouane Nouicer mehr als 850 Zivilistinnen und Zivilisten getötet und über 3500 weitere verletzt. Hunderttausende seien auf der Flucht vor den wütenden Attacken der Soldaten. Täglich komme es zu Plünderungen, Morden und Vergewaltigungen.
"Dieses Land wird auf eine unmenschliche Art und Weise zerstört", sagte Nouicer in einem kürzlich veröffentlichten Statement. “Was hier vor sich geht, ist schlimmer als alles, was ich im Laufe meiner langen Karriere in Konfliktzonen erlebt habe. Es ist erschreckend, tragisch, brutal und völlig unnötig." Die Kriegsparteien würden sämtliche international gültigen humanitären Rechte mit Füßen treten. Den Krankenhäusern und Ärzten fehle es an allem, an den Grenzen herrsche Chaos und Leichen lägen in den Straßen. Menschen riskierten erschossen zu werden bei dem Versuch, Tote zu bergen.
Verwüstung kultureller Denkmäler und Schriften
Auch die Kulturschätze des Landes sind in großer Gefahr, wichtige Teile davon wurden bereits von den RSF zerstört. Das Magazin "The Continent" berichtet laut der katholischen Nachrichtenagentur KNA von einer "Zerstörung von Sudans Vergangenheit". Die Verwüstung von Bibliotheken, Museen und Glaubensstätten wird von Beobachtern mit der Zerstörung von Afghanistans Kulturschätzen durch die Taliban verglichen. Auch vor Kirchen und Moscheen machten die Soldaten laut KNA nicht halt.
Dem Bericht zufolge brannten bei Kämpfen in der Nil-Metropole Omdurman historisch wichtige historische Stätten wie der alte Markt aus. Dort wurde auch das "Mohamed Omer Bashir Centre for Sudanese Studies", eine Bücherei der Ahlia-Universität, zerstört. Dem Feuer seien handgeschriebene Manuskripte und seltene Bücher zum Opfer gefallen.
Sogar Mumien wurden beschädigt
Hamid Bakheet, Lyriker und Mitglied des sudanesischen Schriftstellerverbands, berichtet im DW-Interview von den Zerstörungen: "Das Mohamed Bashir Center war eine der wichtigsten Quellen unseres schriftlichen Erbes". Auch das Nationalmuseum in Khartum sei gestürmt und Exponate zerstört und beschädigt worden. Sogar vor Mumien hätten die Angreifer nicht haltgemacht.
Laut dem Bericht in "The Continent" sei in einem Video sei zu sehen, wie einer der RSF-Kämpfer eine jahrtausendealte Mumie als Opfer des 2019 gestürzten Diktators Omar al-Baschir präsentiert und Vergeltung für den Ermordeten schwört.
Hamid Bakheet berichtet gegenüber der DW auch von der Zerstörung von wichtigen Exponaten wie seltenen Tierarten im Naturkundemuseum, von Attacken auf Bibliotheken und Verlage wie Dar Madarek, Dar Al-Kandaka und den "Booksellers Complex" auf dem Khalifa Square.
Kulturelles Gedächtnis des Landes in großer Gefahr
Auf die Frage, warum die RSF das Erbe ihres eigenen Landes zerstören, sagt Bakheet gegenüber der DW, dass den Kämpfern oft Unwissen und Ignoranz unterstellt werde, "doch man geht vielmehr davon aus, dass die Zerstörung ganz bewusst geschieht. Als gäbe es historische Fakten, die die RSF auslöschen wollen. Sie wollen eine neue Zeitrechnung erschaffen, die ihrer Macht neu beginnt. Dazu kommt Hass. Hass auf Bildung und Lernende im Allgemeinen, als wollten sie die Gesellschaft umformen zu einer ignoranten Gesellschaft ohne Gedächtnis."
Die verbleibenden Kulturschätze des Sudans zu schützen, sei laut Bakheet enorm schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, da die Soldaten keinerlei Konventionen beachteten. "Vielleicht können Intellektuelle eine Kampagne starten und versuchen, einige Referenzen und historisch wichtige Schriften zu retten. Aber die Exponate der Museen bleiben für immer zerstört, und hierin liegt das Desaster." Der Sudan hat eine reiche Geschichte. Im Land gibt es allein 200 Pyramiden, fast doppelt so viele wie im Nachbarland Ägypten.