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Sundance im Schatten von Corona

Scott Roxborough pj
29. Januar 2021

Das diesjährige Sundance öffnet mit "In the Same Breath" der amerikanisch-chinesischen Regisseurin Nanfu Wang. Er handelt vom Ausbruch der Corona-Pandemie.

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Filmstill aus "In the Same Breath" von Nanfu Wang: Menschen mit Atemschutzmasken und chinesischen Flaggen
Filmstill aus "In the Same Breath" von Nanfu WangBild: Sundance Institute/AP/picture alliance

Der Beginn des Jahres 2021 steht noch ganz im Zeichen der Pandemie. Kein Wunder also, dass die diesjährige Ausgabe des Sundance Filmfestivals mit einem Dokumentarfilm beginnt, der erzählt, wie es zur jetzigen Situation kommen konnte. 

"In the Same Breath" von Nanfu Wang ("Land der Einzelkinder") ist ein packender, emotionaler Bericht über Fehlinformation und Fehlverhalten seitens der chinesischen und US-amerikanischen Regierungen im Hinblick auf COVID-19. Wang, die in China aufgewachsen ist und seit etwa neun Jahren in den USA lebt, zieht Parallelen zwischen dem Umgang mit der Krise in Peking und Washington und beschreibt, wie Autoritäten die Gefahr erst herunterspielten und bei der Bekämpfung der Krise die falschen Entscheidungen trafen. 

Folgenreiches Fehlverhalten der Regierungen

Wang führt Beweise dafür vor, die Chinas offizielle Todeszahlen im Zusammenhang mit COVID-19 in Frage stellen. Die offizielle Zahl der mit oder an Corona Verstorbenen in China lag im April 2020 bei 3335. Die eigentlichen Zahlen liegen vermutlich zehn Mal so hoch, argumentiert Wangs Film. Wang porträtiert auch, wie Misstrauen gegen die chinesische und US-amerikanische Regierung und die Mainstream-Medien in den USA  zu Anti-Lockdown-Protesten, Verschwörungstheorien und den welthöchsten Infektions- und Sterberaten führten. "Ich habe in einem autoritären Staat gelebt und lebe nun in einer Gesellschaft, die sich frei nennt. In beiden Systemen wurden einfache Leute zu Opfern ihrer machthungrigen Führer", sagt Wang gegen Ende ihres Films. 

Politik, Pandemie und Medienmanipulation: ein starker Start für das Sundance, das wegen COVID-19 dieses Jahr fast ausschließlich virtuell stattfindet - bis auf einige wenige Veranstaltungen mit entsprechenden Maßnahmen in Park City, Utah. Das Festival ist auch kleiner als sonst - diesmal laufen etwa 70 Filme an sieben Tagen. In normalen Jahren sind es 100 Filme an zehn Tagen. Aber für Kinofreunde im Lockdown gibt es dennoch viel zu entdecken.

Ein Kinosaal voller Menschen beim Sundance Festival 2018
Bilder aus anderen Zeiten: ein Kinosaal beim Sundance Festival 2018Bild: Getty Images/AFP/A. Weiss

Soul Music und ein Fehler in der Matrix

Sundance war immer schon ein Hotspot für Dokumentarfilme. In den letzten fünf Jahren hat das Festival drei der vier Gewinner des Dokumentarfilm-Oscars und 13 der 15 nominierten "entdeckt" - und auch 2021 scheint ein guter Jahrgang zu sein. "Life in a Day 2020" des schottischen Filmemachers Kevin Macdonald tritt fast in einen Dialog mit Wangs Film. Die Kompilation aus 300.000 Youtube-Videos, die allesamt am 25. Juli 2020 gedreht wurden, verspricht eine Momentaufnahme eines Jahres, das viele am liebsten vergessen würden. Die ständig auftretenden Waldbrände in Kalifornien stehen im Mittelpunkt von Lucy Walkers "Bring Your Own Brigade".

Unter den Doku-Highlights ist auch "Summer of Soul" von Questlove, dem Chef und Drummer der Band The Roots. Er behandelt darin das Harlem Cultural Festival von 1969, das afroamerikanische Musik feierte und heute fast vergessen ist. Jonas Poher Rasmussen wartet mit dem animierten Dokumentarfilm "Flee" auf, der von den Erfahrungen eines afghanischen Geflüchteten in Dänemark handelt. "A Glitch in the Matrix" des renommierten Dokumentaristen Rodney Ascher ("Room 237") stellt die Frage: Leben wir in der Realität oder in einer Computeranimation? 

Fokus auf Filmemacherinnen und Black Power

Seit seiner Gründung hat sich das Sundance Filmfestival der Inklusion und Diversität verschrieben und die unterrepräsentierten Stimmen des Kinos gefördert. 2021 ist da keine Ausnahme: Filmemacherinnen und People of Color stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Zu den Must-Sees gehören "Land" von "House of Cards"-Star Robin Wright: Die Geschichte einer Frau, die den Sinn des Lebens in der Wildnis sucht, nachdem sie eine Nahtod-Erfahrung hatte. "Passing" der Britin Rebecca Hall ("Vicky Cristina Barcelona") ist ein Historiendrama, das auf dem gleichnamigen Roman von Nella Larsen aus dem Jahr 1929 basiert. Tessa Thompson und Ruth Negga spielen zwei Afroamerikanerinnen, die sich als Weiße ausgeben, um die Rassentrennung zu umgehen.  

Filmstill aus "Summer of Soul" von Ahmir "Questlove" Thompson: ein Keyboarder mit Sonnenbrille vor Publikum
Filmstill aus "Summer of Soul" von Ahmir "Questlove" ThompsonBild: Sundance Film Festival/AP/picture alliance

Amerikas brutale Geschichte der Rassentrennung ist auch der Hintergrund eines weiteren Sundance-Höhepunktes: Daniel Kaluuya ("Get Out") spielt in Shaka Kings "Judas and the Black Messiah" Fred Hampton, den Vorsitzenden der Black Panther Partei, der in den späten Sechzigern vom FBI-Informanten William O'Neal (Lakeith Stanfield) betrogen wurde. Der Film, den HBO Max am 12. Februar online veröffentlicht, gilt bereits als Favorit der diesjährigen Oscar-Verleihung. 

Neuentdeckungen und übersehene Schätze

Sundance wird auch einigen übersehenen filmischen Schätzen eine zweite Chance geben. Philippe Lacôtes faszinierender Film "Night of the Kings" und "The World to Come" der norwegischen Regisseurin Mona Fastvold feierten ihre Premieren in Venedig 2020 und wurden von der Kritik gelobt, fanden danach aber ein wenig unterhalb des Radars statt. Der erste der beiden ist ein kraftvolles Update von "1001 Nacht" und spielt an der Elfenbeinküste. Der zweite Film erzählt eine Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen Mitte des 19. Jahrhunderts in Amerika.

Sundance, das weltweit wichtigste Festival für unabhängige Filme, präsentiert auch immer spannende Neuentdeckungen. 2021 kamen sie aus der ganzen Welt. "Luzzu", ein maltesischer Film, handelt von den Problemen eines Fischers und wurde mit Laiendarstellern gedreht; "Cryptozoo" ist eine Wes Anderson-artige Zeichentrickkomödie des US-Amerikaners Dash Shaw. Beide Filme sorgen bereits für eine Menge Aufmerksamkeit.  

Und auch für Fans bewährter Schauspielkunst gibt es einen Film beim Sundance 2021: "The Prisoner of Ghostland" mit Nicolas Cage. Cage spielt darin einen berüchtigten Verbrecher, der ein entführtes Mädchen aus den Klauen verfluchter Samurai in einer Geisterstadt befreien will. Was will man mehr?