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Politik

Wer ist Amy Coney Barrett?

26. September 2020

US-Präsident Donald Trump will die Juristin Amy Coney Barrett zur Nachfolgerin der liberalen Ruth Bader Ginsberg im Obersten Gerichtshof der USA machen. Sie gilt als erzkonservativ, aber auch freundlich und großzügig.

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Washington Trump Vorstellung Supreme Court Richterin Nominierte Amy Coney Barrett
Bild: Carlos Barria/Reuters

Sie ist Abtreibungsgegnerin und tief religiös - und könnte bald als neue Verfassungsrichterin am Supreme Court die Rechtssprechung in den USA entscheidend mitprägen: Amy Coney Barrett. US-Präsident Donald Trump nominierte sie am Samstag als Nachfolgerin der kürzlich verstorbenen Richterin Ruth Bader Ginsburg

Während Ginsburg als feministische Ikone gefeiert und gehasst wurde, steht die Katholikin Barrett nicht nur für das konservative, sondern auch für das strenggläubige Amerika. Ihre Nominierung dürfte den Kulturkampf in den USA weiter anheizen. Denn Barrett votiert nicht nur vehement dagegen, dass Frauen entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft austragen oder nicht, sondern auch gegen die als Obamacare bekannte Krankenversicherung für alle und gegen die Ehe für Homosexuelle. Stattdessen setzt sie sich für Waffenbesitz und ein tradiertes Familienbild ein. 

Das "Reich Gottes" als ultimatives Ziel 

Vor allem Demokraten bangen, dass Barrett ihre religiösen Überzeugungen in ihre Arbeit als Oberste Richterin einfließen lassen könnte. In ihrer Zeit als Jura-Professorin an der katholischen Universität Notre Dame sagte sie in einer Vorlesung, eine Karriere in der Justiz sei immer nur ein "Mittel zum Zweck" und das Ziel sei es, "das Reich Gottes aufzubauen". Dieser Satz steht bis heute in der Kritik. 

Eine heftige Debatte löste Barrett auch 2017 aus, als sie zur Richterin am Bundesberufungsgericht nominiert war und zur Anhörung im Senat erschien. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein warf ihr vor: "Wenn man Ihre Reden liest, kommt man zu dem Schluss, dass das Dogma in Ihnen lautstark lebt." Barrett entgegnete: "Wenn Sie mich fragen, ob ich meinen katholischen Glauben ernst nehme: Ja, das tue ich. Obwohl ich betonen möchte, dass meine Kirchenzugehörigkeit oder mein Glaube die Erfüllung meiner Pflichten als Richterin nicht beeinflussen würde." 

USA - Kampagnenkundgebung für US-Präsident Trump
Barrett-Unterstützer in Jacksonville, USA: Mit ihrer Nominierung wäre die deutliche Mehrheit im Supreme Court katholisch Bild: Paul Hennessy/SOPA Images via ZUMA Wire/dpa/picture-alliance

In einem anderen Zusammenhang sprach Barrett davon, von "Anfang bis Ende" Fälle nur nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu entscheiden.

Der "Dogma"-Satz genoss bei Barretts Anhängern bald Kultstatus. Das Original "The dogma lives loudly within you" wurde sogar auf Tassen und T-Shirts gedruckt.

Was Barretts Haltung in Punkto Schwangerschaftsabbrüche bedeutet, ist noch unklar. Feministinnen haben größte Sorge, dass sie mithelfen könnte, das Grundsatzurteil des Supreme Court im Fall Roe v. Wade zu kippen. Darin hatten die Obersten Bundesrichter 1973 entschieden, dass die US-Verfassung das individuelle Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch schütze.

2016 äußerte Barrett an der Jacksonville University die Erwartung, die Legalität von Schwangerschaftsabbrüchen bleibe "im Kern erhalten", werde aber durch Einschränkungen abgeschwächt. "Es geht um die Frage, ob Leute noch sehr spät abtreiben können und ob Kliniken mit Restriktionen versehen werden können."

An Obamacare übte sie bereits öffentlich Kritik. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden befürchtet deshalb, dass mit ihrer Stimme diese Krankenversicherung abgeschafft werden könnte. 

Zwischen Karriere und sieben Kindern 

Was sie glaubt, das lebt sie auch - zumindest zum Teil: Mit ihrer Familie wohnt sie in South Bend, einer kleinen Universitätsstadt im Bundesstaat Indiana im Mittleren Westen. Barrett ist siebenfache Mutter, zwei ihrer Kinder stammen aus Haiti und sind adoptiert. Sie hat einen Sohn mit Down-Syndrom, den sie jeden Morgen im Huckepack die Treppe ihres Hauses heruntertragen soll.

Barrett gilt privat als überaus freundlich. Trotz übervollem Terminkalender engagiert sie sich ehrenamtlich an der Schule ihrer Kinder. Von ihren Kollegen wird sie als großzügig und gastfreundlich beschrieben, auch einfache Kirchenmitarbeiter schwärmen von ihrer Art. "Nicht jeder mit ihrem Bildungsniveau reagiert so auf die Menschen", wird eine Sozialarbeiterin im britischen "Guardian" zitiert.

Laut Medienberichten soll sie den People of Praise angehören, einer charismatischen Erneuerungsbewegung innerhalb der katholischen Kirche, die sich für tradierte Rollenbilder einsetzt. Barrett als ausgesprochene Karrierefrau dürfte dem nicht ganz entsprechen. 

Trump plant mit Barrett als Ginsburg-Nachfolgerin
Nimmt ihren katholischen Glauben sehr ernst: US-Richterin Amy Coney Barrett Bild: Rachel Malehorn/AP/dpa/picture-alliance

1972 in New Orleans, Louisiana, dem alten Süden der USA, als ältestes von sieben Kindern geboren, machte sie zunächst ihren Bachelor-Abschluss in Englischer Literatur. Danach studierte sie Jura an der renommierten University of Notre Dame, wo sie bis 2017 auch lehrte. Zudem arbeitete sie für den mittlerweile verstorbenen konservativen Verfassungsrichter Antonin Scalia, von ihm soll sie auch die juristische Position übernommen haben, die Verfassung wörtlich zu interpretieren, wie zur Zeit ihrer Entstehung. 

Trump hofft auf Unterstützung - auch nach der Wahl

Trump äußerste sich im Vorfeld enthusiastisch über Barrett ("Weltklasse, brilliant, großartig"). Als 2018 ein Posten im Supreme Court freigeworden war, hatte er sie bereits auf seine Liste potentieller Kandidaten gesetzt. Mit ihrer jetzigen Nominierung dürfte er sich vor allem die Zustimmung der konservativen Basis seiner Partei gesichert haben. Die Republikaner hoffen zudem, dass die Tatsache, dass sie eine Frau ist, auch liberale Senatoren überzeugt, sie als Nachfolgerin von Ginsburg zu wählen.

Auch für die Zeit nach der Präsidentschaftswahl könnte Trump mit Barrett vorgesorgt haben. Er hatte selbst bereits gesagt, dass der Ausgang der Abstimmung vor dem Obersten Gerichtshof landen könnte, falls er nicht seinem Sinne ausfällt. Eine konservative Mehrheit und wohlgesonnene Richter könnten ihn dann unterstützen.

In jedem Fall dürfte Amy Coney Barrett den Supreme Court auf Jahrzehnte hin konservativ prägen, denn die Richterinnen und Richter am Obersten Gericht werden auf Lebenszeit ernannt.

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft