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Zwischenbilanz in Genf

Claudia Witte, Genf29. Januar 2014

"Niemand ist unter Protest gegangen, niemand ist weggerannt." - Es ist ein mageres Zwischenfazit, das Lakhdar Brahimi nach den ersten fünf Tagen der Syrien-Gespräche in Genf zieht.

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Lakhdar Brahimi, der UN-Sondergesandte für Syrien (Foto: Getty Images)
Bild: FABRICE COFFRINI/AFP/Getty Images

Hotel de la Paix – Hotel zum Frieden, in diesem Fünf-Sterne-Etablissement logiert die syrische Regierungsdelegation während ihrer Genfer Gespräche mit der Opposition. Anders als der Name des Hotels ihrer Wahl nahelegt, befindet sich die syrische Regierung in Genf nicht auf einer Friedensmission. Eine Waffenruhe, und sei sie lokal begrenzt, ist ebenso wenig in Sicht wie die Freilassung von Gefangenen. Nicht einmal in Fragen des humanitären Zugangs zu Millionen von hilfsbedürftigen Syrern zeigt Damaskus Entgegenkommen. Und dabei hatte es vor wenigen Tagen noch so etwas wie einen Hoffnungsschimmer gegeben.

Hotel de la Paix – Hotel zum Frieden, in diesem Fünf-Sterne-Etablissement logiert die syrische Regierungsdelegation während ihrer Genfer Gespräche mit der Opposition (Foto: DW / Claudia Witte)
Das Hotel de la Paix in GenfBild: DW / Claudia Witte

Testfall Homs

Als Testfall des guten Willens der Assad-Regierung, der eigenen notleidenden Bevölkerung zu helfen, gilt die Rebellenhochburg Homs. Die Altstadt von Homs wird seit über einem Jahr von Regierungstruppen belagert. Dringend benötigte Hilfsgüter erreichen die verbliebenen Bewohner nicht, weil internationale Hilfsorganisationen keinen Zugang erhalten. Am vergangenen Sonntag kam Hoffnung auf, als Lakhdar Brahimi, der UN-Sondergesandte für Syrien, verkündete: "Die Regierungsseite hat uns erklärt, dass Frauen und Kinder die belagerte Altstadt mit sofortiger Wirkung verlassen dürfen. Andere Zivilisten dürfen ebenfalls gehen, aber die Regierung braucht zunächst Listen mit ihren Namen."

Während zahlreiche Beobachter das Angebot der Regierung als humanitäre Geste loben, lehnt die Opposition es vehement ab: "Wo will das Regime diese Leute denn hinbringen?", fragt Rafif Jouejati, Mediensprecherin der syrischen Nationalen Koalition in Genf. "Sie bieten an, Frauen und Kinder aus ihren Häusern zu entfernen und die Männer zurückzulassen. Und dann bieten sie an, in die Stadt hinein zu gehen und zu überprüfen, wer Waffen trägt und wer nicht. Das ist doch nichts als ein Komplott für ein weiteres Massaker."

Humanitäre Hilfe im Wartestand

Gleichzeitig mit dem Evakuierungsangebot der Regierung hatte Vermittler Brahimi Vorbereitungen für einen Hilfskonvoi mit Lebensmitteln und Medikamenten angekündigt. Der Konvoi steht inzwischen bereit, bestätigen Hilfsagenturen der Vereinten Nationen, aber man habe keine Genehmigung, um in die Altstadt von Homs zu liefern.

Rafif Jouejati, Sprecherin der Syrischen Nationalen Koalition, am 28.1.2014 in Genf (Foto: DW / Claudia Witte)
Rafif Jouejati von der Syrischen Nationalen KoalitionBild: DW / Claudia Witte

"Sobald wir Zugang haben, legen wir los", versichert Elisabeth Byrs vom World Food Program (WFP). "Aber das setzt voraus, dass wir von allen Parteien Sicherheitsgarantien bekommen. Als humanitäre Organisation warten wir auf grünes Licht, um reinzugehen. Bislang haben wir dieses Signal nicht erhalten und deshalb warten wir."

Die Regierung in Damaskus macht Sicherheitsprobleme für die Verzögerung verantwortlich und zeigt mit dem Finger auf die Rebellen. Dieser humanitäre Rückzieher entspricht dem, was Genfer Diplomaten seit Beginn des Konflikts in Syrien hinter vorgehaltener Hand beklagen: die Assad-Regierung mache gern vollmundige Zusagen, was den humanitären Zugang angehe, um dann in letzter Minute fadenscheinige Sicherheitsbedenken geltend zu machen.

Zugang! Zugang!

Die einzigen, die das derzeit ganz offen kritisieren, sind die Amerikaner. Das Gezerre um die Hilfe für Homs sei "grotesk" und nichts als eine PR-Aktion des Regimes, kommentiert Edgar Vasquez, ein Sprecher des State Department. Die syrische Regierung habe es in der Hand, den Zugang zu erleichtern und den Konvoi zuzulassen. "Es liegt am Regime, ja zu sagen", erklärt Vasquez.

Dabei ist Homs nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt zahlreiche Regionen in Syrien, die von Hilfslieferungen abgeschnitten sind. Das WFP spricht von mehr als 1,5 Millionen Menschen, die es derzeit nicht erreichen kann, und ruft alle Kriegsparteien auf, im ganzen Land sicheres Geleit zu gewähren und nicht nur in Homs. "Der Konvoi für Homs darf hier nicht als Feigenblatt dienen", mahnt Elisabeth Byrs. "Wir brauchen Zugang zu allen Teilen Syriens, wir wollen alle bedürftigen Menschen erreichen. Wir fordern seit langem Zugang. Die humanitären Organisationen haben hier die ewig gleiche Forderung und ich wiederhole sie noch einmal: Zugang! Zugang!"

Alles was Recht ist

Während sich die Vereinten Nationen mit direkter Kritik an der Regierung Assad zurückhalten, reden Menschenrechtsorganisationen Klartext. Nadim Houry, stellvertretender Direktor der Abteilung Naher Osten von Human Rights Watch, fürchtet, dass sich die Gespräche in Genf in Details verlieren, wo es doch eigentlich um die Anerkennung von Grundsätzen des internationalen humanitären Völkerrechts geht. "Sicheres Geleit für die Zivilbevölkerung und das Ermöglichen von humanitärer Hilfe, das sind grundlegende gesetzliche Verpflichtungen. Das sind keine Druckmittel, die die syrische Regierung gegen die Rebellen einsetzen kann." Und er führt aus: "Die Gespräche in Genf sollten sich nicht nur darum drehen, einer Handvoll von Lastwagen den Zugang zu belagerten Gebieten zu gewähren. Sie sollten vielmehr eine Abkehr markieren von der Bestrafung der Zivilbevölkerung."

Sind allein die Gespräche schon ein Erfolg?

Lakhdar Brahimi gibt die Hoffnung trotzdem nicht auf. "Das hier sind keine einfachen Verhandlungen. Sie waren es heute nicht, sie waren es in den vergangenen Tagen nicht und sie werden es in den kommenden Tagen nicht sein", sagte er während einer Pressekonferenz am Dienstag. Allein die Tatsache, dass beide Parteien bis Freitag bleiben und weiter diskutieren würden, sei schon erfreulich.

Diplomaten, die sich am 22. Januar in Montreux noch vorsichtig optimistisch gegeben haben, stellen sich inzwischen darauf ein, dass die Syrien-Gespräche am Freitag ohne konkretes Ergebnis zu Ende gehen.