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Syrer in Not

Mona Naggar11. November 2013

Fast die Hälfte der Syrer ist auf Hilfe von außen angewiesen - Tendenz steigend. Sie leiden unter Krieg, Vertreibung und dem Zusammenbruch der Wirtschaft. Tausende sind in umkämpften Gebieten eingeschlossen.

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Bild: Reuters/Goran Tomasevic

Um Mohamed ist froh, mit ihrer Familie in Sicherheit zu sein. Vor einer Woche ist sie aus Damaskus geflohen. Jetzt wohnt die 34-Jährige mit ihrer Familie in Beirut.

Zuvor lebte sie in Jaramana, einem Vorort im Südosten von Damaskus. Immer wieder kam es dort zu Kämpfen zwischen der bewaffneten Opposition und der regulären syrischen Armee. Auch die Lebensbedingungen seien immer schwieriger geworden, erzählt Um Mohamed: "Alles ist wahnsinnig teuer geworden. Ein Kilo Auberginen hat früher 20 syrische Pfund gekostet, jetzt bezahlt man über 200 Pfund." Umgerechnet sind das etwa 1,5 US-Dollar. Für Brot musste die Mutter von sechs Kindern oft fünf oder sechs Stunden lang anstehen. Ihr Mann, der als Gemüsehändler gearbeitet hat, ist schon lange arbeitslos.

Die Situation in Nachbarorten von Jaramana ist noch viel schlimmer: Darayya etwa wird seit zehn Monaten von Regierungstruppen belagert. Die bewaffnete Opposition, die den Ort unter ihre Kontrolle gebracht hat, soll zur Aufgabe gezwungen werden.

Bulgur und Kürbis

Der Journalist Abdalrahman Malik stammt selbst aus Darayya und konnte den Ort vor der Belagerung verlassen. Er arbeitet für eine syrische Lokalzeitung und steht in regelmäßigem Kontakt mit dem humanitären Büro in Darayya. Dort leben noch 6000 Zivilisten, und nichts darf von außen herein kommen, erzählt der 24-Jährige: "Eine vom Lokalrat gegründete zentrale Küche bereitet Mahlzeiten für die Menschen vor. Früher gab es drei Mahlzeiten am Tag. Jetzt nur noch eine. Sie besteht meistens aus Bulgur und Kürbis. In Darayya gibt es noch landwirtschaftlich genutzte Flächen, wo vor allem Kürbis wächst."

Menschen in Aleppo vor einem zerstörten Fahrzeug. Foto: REUTERS/Muzaffar Salman/Files
Der Versuch eines Alltags, mitten im BürgerkriegBild: Reuters/Muzaffar Salman

Ähnliche Berichte gibt es auch aus anderen Vororten im Süden der Hauptstadt. Aus Moaddamiyeh, das ebenfalls von Regierungstruppen belagert ist, berichteten Aktivisten Anfang Oktober, dass Kinder infolge von Unterernährung gestorben seien.

Abhängigkeit durch Arbeitslosigkeit

Die Situation für die Menschen in Syrien spitzt sich immer mehr zu: Sie leiden unter den Kampfhandlungen und Belagerungen, müssen fliehen wie Um Mohamed oder geraten zwischen die Fronten wie die Bewohner von Darayya oder Moaddamiyeh. Immer mehr Syrer bekommen auch die wirtschaftlichen Folgen des Krieges zu spüren.

Das Syrische Zentrum für Politikstudien (SCPR) in Damaskus hat für Mitte 2013 eine Arbeitslosenquote von 48,5 Prozent errechnet. Rabi Nasr vom SCPR schätzt, dass 2,3 Millionen Syrer in den vergangenen Monaten ihre Arbeit verloren haben: "Jeder dieser arbeitslos gewordenen Menschen hat eine große Familie zu versorgen. Wir können sagen, dass zehn Millionen, also fast die Hälfte der Syrer, ihre finanzielle Stütze verloren hat", erklärt der Wirtschaftswissenschaftler.

Ein Mann kehrt die Scherben nach einem Bombenangriff weg. Foto: REUTERS/Nour Fourat
Das Beseitigen von Kriegsfolgen bleibt oft als einzige BeschäftigungsmöglichkeitBild: Reuters/Nour Fourat

Hilfe mit Hindernissen

Diese desolate Lage führt dazu, dass immer mehr Menschen im kriegsgeplagten Land nicht mehr in der Lage sind, genug Nahrungsmittel für sich und ihre Familie zu beschaffen. Das WFP, das UN World Food Programme, ist in Syrien im Einsatz. Über Partnerorganisationen wie der Rote Halbmond verteilt es Grundnahrungsmittel an die Ärmsten.

Die UN-Organisation habe im Oktober Nahrungsmittelhilfen an 3,3 Millionen Menschen in allen syrischen Provinzen verteilt, erklärt Laure Chadraoui vom WFP in Beirut. Eigentlich sollten vier Millionen erreicht werden, aber das WFP stoße immer wieder auf Hindernisse. So habe die Organisation Schwierigkeiten, die Städte Aleppo im Norden und Hassaka im Osten zu erreichen. Im vergangenen Monat konnte das WFP zum ersten Mal 100.000 Rationen in Aleppo verteilen.

"Seit über einem Jahr versuchen wir, mit unseren Lebensmittelhilfen in die südlichen Vororte von Damaskus, wie Darayya, Yarmouk, Douma oder Joubar, zu gelangen - aber ohne Erfolg", sagt Chadraoui. Auch einige Gebiete in der Hauptstadt kann die UN-Organisation nicht erreichen. Die Hindernisse, von denen Laure Chadraoui spricht, sind anhaltende Kämpfe und Checkpoints, an denen Lastwagen mit WFP-Hilfslieferungen manchmal überfallen und ausgeraubt werden.

Ein syrisches Kind wartet weinend auf Hilfslieferungen einer Organisation. Foto: REUTERS/Ahmed Jadallah/Files (SYRIA - Tags: CIVIL UNREST POLITICS CONFLICT) ATTENTION EDITORS: PICTURE 24 OF 40 FOR PACKAGE 'SYRIA - A DESCENT INTO CHAOS.' SEARCH 'SYRIA TIMELINE' FOR ALL IMAGES
Warten auf Hilfslieferungen: Vor allem die Familien leidenBild: Reuters/Ahmed Jadallah

Der stellvertretende syrische Außenminister Faisal Mekdad versicherte am vergangenen Montag (04.11.2013), dass seine Regierung den Zugang aller Syrer zu humanitären Hilfen sicherstellen werde. Abdalrahman Malik, der junge Journalist aus Darayya, bezweifelt das: "Ich habe kein Vertrauen mehr in das Regime."