Syrische Künstler schärfen Bewusstsein für ihre Heimat
23. Februar 2015
Der syrische Kartoonist Hussam Sarah lebt in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Frankfurt. Zuvor war er in Bahrain bedroht und angegriffen worden, weil er den syrischen Präsidenten Bashir al Assad auf satirischen Kartoons dargestellt hatte. "Wer kein Risiko eingehen will, sollte kein Kartoonist werden. Kartoonisten stehen ganz vorne in der Front gegen Diktatoren", sagt er. "Einmal haben sie mich und meine Familie im Auto eingesperrt und versucht, uns zu verbrennen."
Ende 2002 war Hussam Sarah sechs Monate lang in Damaskus inhaftiert, nachdem er Lokalpolitiker auf seinen Kartoons durch den Kakao gezogen hatte. "Die Sicherheitsleute sperrten mich in totaler Dunkelheit ein – ohne Gerichtsverfahren", erinnert er sich. Während seiner Arbeit für Zeitungen beschäftigte er sich mit sensiblen Themen wie Korruption und Frauenrechte. Als 2011 der Arabische Frühling ausbrach und die ersten Freiheitsregungen begannen, veränderten sich Ton und Inhalt seiner Kartoons. "Bashar al-Assad erkennbar zu zeichnen war schon ein gewaltiger Schritt. Ich hatte Angst vor den Konsequenzen. Satire macht zwar Spaß, ist aber auch riskant", bemerkt er.
Legale Schlupflöcher
Viele Flüchtlinge in Deutschland werden wie Hussam Sarah in vorübergehenden Unterkünften untergebracht, sie dürfen nicht arbeiten und nicht an Deutschkursen teilnehmen. Die meisten dürfen ohne spezielle Erlaubnis nicht außerhalb einer bestimmten, ihnen zugewiesenen Region herumreisen. Sarah kam über die Türkei mit einem Touristenvisum nach Deutschland, die Reise konnte er aus eigenen Mitteln bezahlen. Nach seiner Ankunft beantragte er Asyl und durchläuft zur Zeit das Beantragungsverfahren.
Für den Künstler stellt das Leben in einer vorübergehenden Unterkunft ein Hindernis seiner Karriere dar. "Ich muss so schnell wie möglich hier raus, um ein normales Leben zu beginnen und Teil der Kunstwelt zu werden", sagt er. Trotz allem haben jedoch die bürokratischen Hürden Sarahs Optimismus und Ehrgeiz nicht dämpfen können.
"Deutschland hat Raum und Freiheit für die Kunst geschaffen, egal welcher Richtung," antwortet er auf die Frage nach seinen zukünftigen Kunstprojekten in Deutschland. "Viele syrische Frauen und Kinder sind von der Regierung festgenommen, geschlagen und verschleppt worden. Ich will die Welt auf sie aufmerksam machen."
Sarah erhofft sich Ausstellungen quer durch Deutschland, die mehr Bewusstsein für die Situation in seinem Heimatland erwecken.
Stipendien für Künstler auf der Flucht
In einigen Fällen ist ein solches Bewusstsein in Deutschland bereits vorhanden, und es wird einiges getan, um syrische Künstler zu unterstützen. Seit 2011 vergibt das Heinrich-Böll-Haus Stipendien an Künstler aus Syrien, die diesen ermöglichen, einige Monate ohne finanzielle Sorgen in Deutschland zu leben.
"Während der letzten drei Jahre war es unser Ziel, politisch verfolgten syrischen Künstlern bei ihrer Flucht aus Kriegsgebieten beizustehen und ihnen bei ihrer Einreise nach Deutschland zu helfen, sodass sie in Sicherheit leben können", erklärt Sigrun Reckhaus, die syrischen Künstlern bei ihrem Umzug behilflich ist. Das Projekt beinhaltet auch eine Vernetzung mit einer großen Bandbreite von Institutionen und Gruppen. "Einen syrischen Künstler nach Deutschland zu bringen erfordert einen immensen Aufwand. Unser größte Problem dabei ist das Visum," erläutert Reckhaus.
Entscheidend für die Auswahl für das Programm sind Fähigkeiten und Dringlichkeit. "Unser erstes Kriterium ist die künstlerische Qualität. […] Wir haben ein Künstlerkommittee, das jeden einzelnen Fall objektiv untersucht, wobei politisch verfolgten Künstlern Vorrang gegeben wird", fügt Reckhaus hinzu.
Erinnerungen in Kunst festhalten
Der syrische Maler Abdul Razzak Shaballot wurde im Oktober 2014 vom Heinrich-Böll-Haus nach Deutschland gebracht. Wie mehr als zwei Millionen seiner Landsmänner war er 2012 von Syrien nach Beirut geflohen. "Als Künstler muss ich zeichnen, um zu überleben. Um das tun zu können, bin ich aus dem Land geflohen", fasst er zusammen. Als Reaktion auf den Krieg in seinem Land wandte sich Shaballot einem hyperrealistischen Stil zu.
Zur Zeit arbeitet er an einem Kunstprojekt, um Menschen, die ihn in seinem Leben tief berührt haben, zu ehren. Mit tiefer Wehmut spricht er von seinem Vater, der in Syrien spurlos verschwand, und über seinen Bruder, der zu Tode gefoltert wurde, weil er in der Stadt Homs gegen Assad demonstriert hatte. "Der Terror und die Erinnerung an meine Familie und meine Freunde haben mich dazu inspiriert, sie zu zeichnen, um sie auf diese Weise wieder zum Leben zu erwecken", erklärt Shaballot. Das Projekt wendet sich an ein deutsches Publikum - "um es über die derzeitige Tragödie in Syrien aufzuklären".
Universell gültige Sprache
Ein weiterer Flüchtling aus Syrien in Deutschland ist Musiker und Sänger Rebal Alkhodarie. Seit den Anfängen des syrischen Konflikts ist er in Politik und Kunst aktiv. Bevor er im August 2013 nach Deutschland kam, sah er sich durch seine politischen Aktivitäten gezwungen, nach Jordanien zu fliehen. "Ich war einer der ersten Syrer, die auf der Straße demonstrierten und für Freiheit und Gleichheit sangen", sagt er. "Meine Musik und meine Lieder haben die Aufmerksamkeit auf das grausame Schicksal des syrischen Volkes gelenkt, und deshalb wurde ich vom syrischen Geheimdienst verfolgt."
Die Lieder von Alkhodarie und sein Einsatz für den Widerstand gegen Assad haben ihm den Respekt syrischer Flüchtlinge eingebracht. "Ich versuche, den Menschen ohne Stimme eine Stimme zu geben, und ihr Leid durch meine Musik bekannt zu machen. Die Kunst ist ein wirksames Mittel im Kampf für die Freiheit", sagt der Musiker.
Alkhodarie würde gerne auf lange Zeit in Deutschland bleiben, weil er hier eine Zukunft für seine Kunst sieht. Nach Syrien zurückzukehren ist für ihn keine Option: "Die syrische Krise wird nie zu Ende gehen. "Erfolgreich in Deutschland zu werden ist seine einzige Möglichkeit. "Über meine Zukunft hier mache ich mir keine Sorgen, weil meine deutschen Freunde mich unterstützen," sagt er optimistisch. Mit seinem derzeitigen Projekt "Arabesica," versucht Alkhodarie, eine kulturelle Brücke zwischen den Völkern zu bauen. "Die Hauptidee von 'Arabesica' ist es, deutsche und syrische Flüchtlingsmusiker zusammen zu bringen, denn die Kunst spricht eine universelle Sprache, die von allen Völkern ohne Grenzen verstanden wird."