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PolitikSüdkorea

Südkorea und Deutschland stehen vor geopolitischem Dilemma

8. Mai 2023

Südkorea und Deutschland sind wirtschaftlich eng mit China verbunden. Sicherheitspolitisch sind die USA ihr Partner. Wachsende Spannungen zwischen China und USA bereiten ihnen Probleme. Gemeinsam suchen sie Lösungen.

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Südkorea | Aussenministerin Annalena Baerbock ist in Südkorea
Außenministerin Annalena Baerbock traf im April 2023 den koreanischen Außenminister Park Jin in SeoulBild: Kira Hofmann/photothek/picture alliance

Deutschland und Südkorea trennen gut 8000 Kilometer. Aber die Geschichte beider Länder und ihre vergleichbaren Interessen machen sie zu naheliegenden Partnern.

Deutschland wurde 1949 von den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs in Ost- und Westdeutschland, Korea nach dem Koreakrieg 1953 in Nord- und Südkorea geteilt. In der Zeit danach haben Westdeutschland und Südkorea eine rasante Wirtschaftsentwicklung und auch einen Prozess der Demokratisierung durchlaufen.

Deutschland erlebte dann 1989/90 die Wiedervereinigung, die in Korea bis heute ausgeblieben ist. Beide Länder waren Frontstaaten des Kalten Krieges, der aufgrund der jeweiligen Teilung besondere Brisanz hatte. Aber beide Länder haben auch in besonderer Weise von der internationalen Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg profitiert.

Kim Hong Kyun - Botschafter von Südkorea in Deutschland besucht DW
Kim Hong Kyun, Botschafter von Südkorea in DeutschlandBild: DW

140 Jahre Beziehungen

Bei einem Besuch im Bonner Funkhaus der DW sagte der südkoreanische Botschafter Kim Hong Kyun: "Auf Grund der gemeinsamen historischen Erfahrungen streben Korea und Deutschland eine weitere Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und von Mensch zu Mensch an."

Botschafter Kim ist gerade in Deutschland unterwegs, um den Austausch der erster Diplomaten zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Korea vor 140 Jahren und das Anwerberabkommen der 1960er-Jahre zu feiern, als Tausende koranischer Bergarbeiter und Krankenschwestern nach Deutschland kamen.

Ähnlich wichtig nimmt Deutschland die gemeinsamen Interessen beider Länder. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts erklärte gegenüber der DW: "Südkorea ist für Deutschland ein wichtiger Wertepartner und eine bedeutende gleichgesinnte Stimme in der internationalen Gemeinschaft."

Abhängigkeit von China

Als mögliche Felder einer vertieften Zusammenarbeit, die in der Vergangenheit vor allem wirtschaftlicher Natur waren, gewinnen Sicherheitsaspekte mehr und mehr an Bedeutung: Cybersicherheit, Sicherung kritischer Infrastruktur, Diversifizierung der Lieferketten und Energiesicherheit. Im März 2023 gab es etwa erstmalig einen gemeinsamen Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz und des südkoreanischen Geheimdienstes, in dem vor Angriffen der nordkoreanischen Hackereinheit "Kimsuky" gewarnt wurde.

Die wachsende Bedeutung von Sicherheitsfragen hängt auch mit dem Aufstieg der Volksrepublik China zusammen. Chinas internationaler Auftritt wird immer selbstbewusster. Südkorea und Deutschland stehen diesbezüglich vor einem vergleichbaren Dilemma: China ist als Handelspartner für beide Länder von existenzieller Bedeutung. Im Vergleich zu Deutschland ist die Volkswirtschaft in Südkorea sogar noch abhängiger von China. Knapp acht Prozent aller deutschen Exporte gingen laut Weltbank nach China. Südkorea exportiert sogar ein Viertel seiner Waren ins Reich der Mitte.

 USA Südkorea | Joe Biden und Yoon Suk Yeol
US-Präsident Biden und Südkoreas Präsident Yoon am 26. April 2023 in Washington DCBild: Yonhap/picture alliance

Abhängigkeit von den USA

Die wirtschaftliche Abhängigkeit Südkoreas von China wurde deutlich, als 2017 das US-amerikanische Raketenabwehrsystem THAAD auf dem südkoreanischen Boden installiert wurde. China reagierte mit informellen wirtschaftlichen Sanktionen gegen südkoreanische Unternehmen, die insbesondere den koreanischen Konzern Lotte hart getroffen hatten.

Der Fall verweist auf den sicherheitspolitischen Aspekt des Dilemmas. Südkorea und Deutschland sind in Ostasien und respektive in Europa auf die Schutzmacht USA angewiesen.

Die Spannung zwischen Peking und Washington wächst. Eine Blockbildung wie im Kalten Krieg würde die Exportnationen Südkorea und Deutschland hart treffen. Eric J. Ballbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik sagt im Gespräch mit der DW: "Beide Nationen sind stark auf den Export angewiesen. Beide Nationen haben deswegen auch starkes und gemeinsames Interesse an der Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung. Beide setzen sich für starke multilaterale Institutionen und Organisationen ein sowie für freie See- und Handelswege."

Ankunft der Bundeswehr Fregatte „Bayern“ in Tokio
Deutsche Fregatte "Bayern" auf Asien-Reise 2021 (Archiv)Bild: David Mareuil/AFP/Getty Images

Voneinander lernen

In Reaktion auf die wachsende Herausforderung wollen beide Seiten die Partnerschaft vertiefen. Verdeutlicht wurde dies, als Südkorea und Deutschland gemeinsam für eine Resolution der Vereinten Nationen zur Verurteilung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine warben. Auf ihrer Asien-Reise wiederum lief die deutsche Fregatte "Bayern" 2021 auch in die südkoreanischen Hafenstadt Busan ein.

Botschafter Kim betonte im Gespräch mit der DW deswegen: "Südkorea und Deutschland müssen voneinander lernen. Ich habe meinen deutschen Kollegen gegenüber betont, dass Südkorea und Deutschland mehr über unsere Strategien gegenüber China sprechen müssen."

Aus Sicht vom Politologen Ballbach gehen all diese Initiativen in die richtige Richtung. Das volle Potenzial der Beziehungen würde aber noch nicht ausgeschöpft. Der wichtige Symbolcharakter des Einsatzes der Fregatte Bayern oder der Austausch über Cybersicherheit sollten nur ein Anfang sein. "Ich hoffe, dass man in Deutschland schnell erkennt, dass Südkorea ein sehr wichtiger Partner ist und auch in Zukunft immer wichtiger werden wird. Ich hoffe auch, dass sich das auch politisch niederschlägt." Mit dem letzten Satz verweist Ballbach auf die Tatsache, dass der letzte offizielle Besuch eines deutschen Bundeskanzlers 30 Jahre zurückliegt. Damals regierte noch Bundeskanzler Helmut Kohl. Angela Merkel hatte 2010 Südkorea nur im Rahmen eines G20-Gipfels besucht.

Botschafter Kim ließ im DW-Interview keinen Zweifel aufkommen, dass Südkorea den Besuch des deutschen Bundeskanzlers sehr begrüßen würde. Neben bilateralen Themen könnten beide Länder auch "in einem breiten Spektrum der regionalen und globalen Herausforderungen zusammenarbeiten."

 

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia