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Opposition wirft Erdogan "Staatsstreich" vor

23. August 2015

Die Opposition hat Präsident Erdogan nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen des Verfassungsbruchs bezichtigt. Er habe die Koalitionsverhandlungen absichtlich scheitern lassen, um Neuwahlen ansetzen zu können.

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Präsident Erdogan (Foto: AFP/GettyImages)
Bild: Getty Images/B. Kilic

"Wir stehen vor einem zivilen Staatsstreich", sagte der Vorsitzende der säkularen Partei CHP, Kemal Kilicdaroglu, bei einem Treffen seiner Fraktion in Ankara. "Die Demokratie und die Verfassung sind außer Kraft gesetzt."

Die CHP wirft Präsident Recep Tayyip Erdogan vor, dass er die Koalitionsverhandlungen absichtlich habe scheitern lassen, um Neuwahlen zum Parlament in Ankara ansetzen zu können. Der Präsident habe die Verfassung missachtet, da er der CHP als der zweitstärksten Kraft im Parlament keine Möglichkeit zur Bildung einer Koalitionsregierung gegeben habe.

Machterhalt um jeden Preis

Die regierende islamisch-konservative AKP hatte bei der Parlamentswahl am 7. Juni nach mehr als zwölf Jahren Alleinregierung ihre absolute Mehrheit im Parlament verloren. Seitdem liefen Beratungen mit den anderen Parteien über die Bildung einer Koalition. Nachdem die AKP die Gespräche mit der CHP und der rechtsnationalen Partei MHP für gescheitert erklärte, entschied sich Erdogan dagegen, CHP-Chef Kilicdaroglu mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Die CHP sei bereit gewesen, zusammen mit der AKP eine Regierung zu bilden, sagte Kilicdaroglu. Seine Partei habe aber eine "180-Grad-Wende" in der Außenpolitik, eine neue Wirtschaftspolitik sowie einschneidende Reformen im Bildungswesen verlangt. Offiziell lief die Frist zur Bildung einer Regierungskoalition in der Türkei an diesem Sonntag aus.

Oppositionsführer Kilicdaroglu (Foto: Reuters)
Erbost über Erdogans Eigenmächtigkeiten: Oppositionsführer KilicdarogluBild: Reuters/U. Bektas

Erdogan, der sich als Präsident eigentlich aus der Tagespolitik herauszuhalten hat, ist für den Machterhalt offenbar bereit, bis an die Grenzen des Legalen und auch darüber hinaus zu gehen. Seit der Parlamentswahl sinnt der 61-jährige ganz unverhohlen darauf, die Wahl wiederholen zu lassen. Der Verlust der absoluten Mehrheit für die AKP hatte für Erdogan zur Folge, dass er seinen Plan zur Einführung eines Präsidialsystems und damit die Ausweitung seiner persönlichen Machtbefugnisse, erst einmal zurückstellen musste.

Erdogan übergeht Wahlleitung

Nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen rief Erdogan Neuwahlen für den 1. November aus. Die Verkündung des Wahltermins durch den Staatschef stieß beim eigentlich zuständigen Amt des Wahlleiters auf Überraschung. Es gebe noch keine Entscheidung für den 1. November, wurden Vertreter der Behörde zitiert. Das Amt habe die im Parlament vertretenen Parteien lediglich aufgefordert, sich zu dem Terminvorschlag zu äußern. Auch Termine im Oktober oder später im November seien möglich. Allerdings ist offen, ob das Wahlamt dem Präsidenten zu widersprechen wagt.

Nicht nur beim Wahltermin mischt Erdogan mit. Laut der Verfassung muss bis zum Wahltag eine Übergangsregierung aus Vertretern aller Parteien gebildet werden. Da die nationalistische MHP und die säkulare CHP bereits abgewunken haben, bleiben noch die AKP und die Kurdenpartei HDP. Laut Presseberichten will die AKP die HDP jedoch aus der Regierung heraushalten, da Erdogan sie als verlängerten Arm der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sieht. Schon in den kommenden Tagen könnte es deshalb großen Krach in Ankara geben …

Ob die AKP im Falle eines Wahlsieges wieder die absolute Mehrheit zurückerobern kann, halten seriöse Umfrageinstitute in der Türkei aber für fraglich.

qu/haz (afp, dpae)