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T wie Trauerspiel

Rolf Wenkel18. November 2006

Vor zehn Jahren ging die Deutsche Telekom an die Börse. Viele Privatanleger machten damals ihre erste Erfahrung mit Aktien - ein Fehler. Mit der T-Aktie ist den Deutschen eine Aktienkultur nachhaltig verleidet worden.

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Dekoration vor der Frankfurter Börse anlässlich der dritten Emission im Jahr 2000
Dekoration vor der Frankfurter Börse anlässlich der dritten Emission im Jahr 2000Bild: AP
Ron Sommer beim Börsengang 1996
Ron Sommer beim Börsengang 1996Bild: AP

Keine Torte, keine Kerzen, keine Geschenke - und ein Flasche Sekt wird wohl auch keiner aufmachen, wenn die T-Aktie am Samstag (18.11.2006) zehn Jahre alt wird. Finanzminister Theo Waigel wollte damals möglichst viel Geld für die erste Tranche des ehemaligen Staatsunternehmens einnehmen, deshalb durfte der Börsengang kein Flop werden. Und der damalige Telekom-Chef Ron Sommer setzte den Auftrag um: In einer beispiellosen Werbekampagne wurde das Papier zur Volksaktie hochstilisiert.

"Mal ehrlich: wir alle freuen uns doch, wenn wir was besonders günstig kriegen. Sagen wir, ein Grundstück mit Blick auf die Alpen oder auch nur einen Kanarienvogel", lockte damals der beliebte deutsche Schauspieler Manfred Krug in Werbespots. "Warum soll das bei einer Aktie anders sein? Und jetzt kommt's: Bei der Telekom-Aktie gibt's das. Einen besonderen Preisnachlass für Privatanleger."

"Pfiffige Anleger"

Vertrauenerweckend: Manfred Krug warb für die T-Aktie
Vertrauenerweckend: Manfred Krug warb für die T-AktieBild: AP

Der Radio- und Fernsehwerbung konnte sich damals kaum jemand entziehen. Umgerechnet knapp 50 Millionen Euro steckte die Telekom in die Werbung für die T-Aktie. Und Telekom-Chef Sommer ließ keinen Zweifel daran, dass er mit seiner Aktie ein ganzes Volk reich und glücklich machen wollte. "Ich sehe deutliche Anzeichen dafür, dass immer mehr Deutsche von braven Sparern zu pfiffigen Anlegern werden wollen", schwadronierte er. "Weil ihnen größtmögliche Sicherheit bei magerer Rendite allein einfach zu wenig ist." Dass Aktien davon zunächst nicht profitiert hätten, lag laut Sommer daran, dass der Weg zur Aktie für den Kleinanleger mühevoll gewesen sei, während andere Anlageformen wesentlich offensiver vermarktet worden seien. "Zur Aktie hingegen musste man sich hartnäckig durchkämpfen. Das jedoch steht diametral der politisch und volkswirtschaftlich wünschenswerten Zielsetzung entgegen, breitere Bevölkerungsschichten am Produktivvermögen der deutschen Wirtschaft zu beteiligen", sagte Sommer.

Hoffnungslos überzeichnet

Der erste Erfolg der T-Aktie blieb nicht aus. 1,9 Millionen Kleinanleger folgten dem Ratschlag von Werbeträger Krug: "Die Telekom geht an die Börse - und ich gehe mit." Die Aktie war hoffnungslos überzeichnet, sie wurde zu einem Ausgabepreis von umgerechnet 14,57 Euro zugeteilt, und am ersten Handelstag an den Börsen von Frankfurt, New York und Tokio kletterte das Papier auf 16,94 Euro.

Und der Erfolg dauerte an. Selbst der Börsencrash in Hongkong 1997 und die Panik an den asiatischen Börsen 1998 konnten dem Papier nichts anhaben - es stieg und stieg. 1999 kamen die Aktien der zweiten Tranche für 39,50 Euro auf den Markt. Auch sie gingen weg wie warme Semmeln und brachten der Telekom zehn Milliarden Euro ein. Am 6. März des Jahres 2000 jubelten die Händler in Frankfurt: Die T-Aktie erreichte ihr Allzeithoch von 104,90 Euro. Die Börseneuphorie kannte keine Grenzen. Kluge Analysten, die plötzlich in Boulevardzeitungen wie der "Bild" zu Wort kamen, sahen das Kursziel der Aktie bei 200 Euro.

"Bild"-Zeitung als Finanzblatt

2002 musste Ron Sommer zurücktreten
2002 musste Ron Sommer zurücktretenBild: AP

Doch spätestens dann, wenn die "Bild"-Zeitung Aktientipps veröffentlicht, steigen kluge Anleger aus. Der Markt war völlig überhitzt. Zwar gelang es der Telekom, im Sommer 2000 noch eine dritte Tranche für 66,50 Euro pro Aktie an den Mann zu bringen, doch dann folgte ein bitterer Abstieg auf Raten. Das Strahlemann-Image von Ron Sommer bekam Risse - trotz seiner Durchhalteparolen: "Es geht uns nicht um jene Investoren, die ausschließlich die rasche Maximierung ihres eingesetzten Kapitals im Auge haben und sich bei vorübergehenden Marktturbulenzen von ihren Aktien trennen und dem nächsten, vielleicht kurzfristigen, vermeintlich lukrativeren Engagement hinterher laufen."

Von vorübergehenden Marktturbulenzen konnte jedoch keine Rede sein - da platzte eine Seifenblase. Sommer beschrieb das so: "Unsere Branche befindet sich nach einem lang anhaltenden Boom in einer Phase - lassen sie mich das vorsichtig ausdrücken - des Verschnaufens." Das war in der Tat vorsichtig ausgedrückt. Zwei Jahre dauerte das Verschnaufen, dann stand die Aktie, für die mal über 100 Euro gezahlt wurden, bei 8,14 Euro.

Bedauerliche Entwicklung

"Die Entwicklung der T-Aktie ist im höchsten Maße unerfreulich, denn sie steht im krassen Gegensatz zur operativen Entwicklung des Konzerns" erklärte Sommer. "Wir bedauern diese Entwicklung außerordentlich." Die Regierung auch. Aber sie belässt es nicht dabei, sie handelt: Zwei Wochen nach dem Allzeittief der T-Aktie trat Sommer 2002 als Vorstands-Chef der Deutschen Telekom zurück.

Außer Spesen nichts gewesen: Wer vor zehn Jahren zu den Erstzeichnern gehörte, kann das Papier heute knapp unter seinem Ausgabepreis verkaufen. Das war wohl nichts mit dem Versuch, die Deutschen von Bausparern und Lebensversicherten zum Volk der Aktionäre zu machen. Tatsächlich aber waren sie es nie - selbst zu Zeiten der Börseneuphorie nicht. In Spitzenzeiten hielten sechs Millionen Deutsche Aktien direkt, also noch nicht einmal jeder zehnte Erwachsene. Kein Vergleich etwa zu den USA. Heute sind es noch einmal 1,7 Millionen weniger. Und daran ist die beispiellose Auf- und Abstiegsstory der T-Aktie bestimmt nicht ganz unschuldig.