Tag der Arbeit: Protest und Party
Wohl kaum ein Feiertag hat sich so stark gewandelt wie der 1. Mai, der Tag der Arbeit. Weltweit gehen Menschen auf die Straße. Ging es früher um Lohn und Arbeitszeit, entlädt sich heute die Wut auf die Politik.
Ein Feiertag mit vielen Gesichtern
In vielen Ländern ist der 1. Mai ein Tag, an dem Arbeiter für ihre Rechte eintreten, aber auch gewaltbereite Gruppierungen für Krawalle sorgen. Die Mehrheit der Menschen - wie diese Demonstranten der linken Szene in Berlin-Kreuzberg - protestiert jedoch friedlich. Auch wenn die Bedeutung des "Tags der Arbeit" aktuell ist: Die Geschichte reicht lange zurück.
Proteste im Herzen des Kapitalismus
Ursprünglich kommt der "Tag der Arbeit" aus der US-amerikanischen Arbeiterbewegung - auch wenn die Gewerkschaften dort nur noch eine geringe Rolle spielen. Am 1. Mai 1886 riefen die Arbeiter zum ersten Mal zu einem Generalstreik auf. Sie forderten einen 8- statt 14-Stunden-Arbeitstag, mehrere Demonstranten wurden dabei getötet. Vier Jahre später gingen weltweit Millionen am 1. Mai auf die Straße.
Ein neuer Feiertag?
Seit Ende des 19. Jahrhunderts feiert die internationale Arbeiterbewegung den 1. Mai als "Tag der Arbeit". Auch in Deutschland gingen damals die Menschen auf die Straße, ein staatlicher Feiertag war es aber nicht. Mit Beginn der NS-Diktatur 1933 änderte sich das - scheinbar. Hitler erklärte den 1. Mai zum "Feiertag der nationalen Arbeit" und protzte mit riesigen Umzügen, die NSDAP an ihrer Spitze.
Das Ende der Gewerkschaften
Doch nur einen Tag später zeigte sich der wahre Plan Hitlers: Die SA zog am 2. Mai 1933 los und besetzte mit ihren Trupps Gewerkschaftsbüros und -redaktionen. Leitende Funktionäre kamen ins Gefängnis oder KZ. Der nächste 1. Mai war nicht mehr der Tag der Arbeit, sondern der "Nationale Feiertag des deutschen Volkes". Ein weiterer potentieller Gegner der Nazis war ausgeschaltet worden.
"Völker, hört die Signale!"
Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen Ost- und Westdeutschland getrennte Wege. Obwohl der alliierte Kontrollrat den 1.Mai 1946 als Feiertag bestätigte, durften Kundgebungen zunächst nur eingeschränkt stattfinden. In der DDR und anderen sozialistischen Ländern war das anders: Bereits 1946 demonstrierte die SED. Mit aufwändigen Mai-Paraden wurde auf die Traditionen der Arbeiterbewegung verwiesen.
Eine Demonstration als Pflichtveranstaltung
Ganz freiwillig war die Teilnahme an den Demonstrationen zum Tag der Arbeit in Russland und den sozialistischen Bruderstaaten wie der DDR nicht. Mitmarschieren unter den gestrengen Augen der Politgrößen war Pflicht, die Häuser mussten mit Fahnen dekoriert werden - auch wenn manch einer den Tag lieber auf seiner Datscha verbracht hätte.
Die 68er mischen mit
In Frankreich ist der "Fête du Travail", das Fest der Arbeit, bereits seit 1920 gesetzlicher Feiertag. Doch bald bestimmten nicht nur die Forderungen der Arbeiter die Demonstrationen. Auch die Studenten der 68-Bewegung nutzten den Tag für sich und ihre Anliegen - und protestierten lauthals gegen den Vietnamkrieg.
Generationen im Blick
Auch in Deutschland rückten bald weitere Themen ins Zentrum. Bei der Gewerkschafts-Demonstration 1978 in Dortmund wurde beispielsweise die integrierte Gesamtschule gefordert - eine Schulform, die den Arbeiterkindern einen Zugang zum Abitur verschaffen sollte. Gymnasien galten damals noch als eher elitär und für die Arbeiterschicht schwer zugänglich.
Für die Rechte der Arbeiter
Auch heute sind Arbeiterproteste und Kundgebungen in Deutschland üblich, organisiert vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Das diesjährige DGB-Motto lautet "Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit". Schon seit 1949 ist der DGB der Dachverband aller Gewerkschaften - und für die landesweiten 1.-Mai-Feiern verantwortlich.
Mit Gewalt gegen das System
Neben den klassischen Gewerkschaftsdemos gibt es noch die andere Seite dieses Tages. Hier treten Teilnehmer der "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" das Fenster einer Berliner Sparkassenfiliale ein. Im sogenannten schwarzen Block der Links- und Rechtsradikalen kommt es regelmäßig zu Vandalismus und Körperverletzungen. Daneben gibt es mehrheitlich friedliche Kundgebungen gegen Neonazi-Aufmärsche.
Nackte Wut
In Frankreich richtete sich der Protest am 1. Mai 2017 auch gegen die damalige Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen und ihren rechten Front National. Femen-Aktivistinnen zogen mit Gestik und Fahnen einen direkten Vergleich zur NS-Diktatur. 30.000 Menschen nahmen an der Demo teil, etwa dreimal so viele wie im Jahr zuvor.
Geteiltes Russland
Mit der Zerfall der Sowjetunion endeten zwar vorerst auch die großen Mai-Kundgebungen. Doch schon nach der Jahrtausendwende erlebten sie ein Comeback - vor allem als Huldigung an Putin und Co. Es gibt auch die anderen Mai-Demos: Mutige Bürger gehen auf die Straße und kritisieren die Regierung.
David gegen Goliath
Mit Steinen gegen die Polizei: Auch in Venezuela richten sich die Proteste gegen die Mächtigen. Die Opposition hatte im vergangenen Jahr für den 1. Mai zu landesweiten Protesten gegen Präsident Maduro aufgerufen. Maduro hatte 2017 das von der Opposition kontrollierte Parlament entmachtet, die EU verhängte zahlreiche Sanktionen.
Party statt Politik
Für die meisten Menschen dürfte der 1. Mai allerdings vor allem eines sein: ein willkommener arbeitsfreier Tag, um Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen. Dafür haben sich schon wieder neue Traditionen etabliert: Das "Myfest" in Berlin wurde 2003 ins Leben gerufen, um den Krawallen am 1. Mai gelassene Volksfeststimmung entgegenzusetzen.