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Literatur

"Das freie Wort wird bedroht"

3. Mai 2017

Als neue PEN-Präsidentin setze sie sich für die Pressefreiheit und gegen Rechtspopulismus ein, versichert Regula Venske im DW-Interview. Wir zeigen, in welchen Ländern Journalisten frei arbeiten können - und wo nicht.

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Regula Venske war seit 2013 bereits Generalsekretärin des deutschen PEN-Zentrums in Darmstadt. Der frühere Präsident des PEN-Zentrums, Josef Haslinger, stellte sich nicht mehr zur Wahl. Der Österreicher, der durch den Politthriller "Opernball" (1995) bekannt wurde, möchte wieder mehr schreiben.

Regula Venske, neue PEN-Präsidentin
Präsidentin des deutschen PEN-Zentrums: Regula VenskeBild: picture-alliance/dpa/B. Thissen

Die Abkürzung PEN steht für Poets, Essayists, Novelists (Dichter, Essayisten, Romanautoren). 1921 in England als literarischer Freundeskreis gegründet, breitete sich der PEN bald über den Globus aus, vor allem als Stimme verfolgter und unterdrückter Autoren. 

Deutsche Welle: Frau Venske, braucht es heute noch den PEN, dessen frisch gewählte Präsidentin Sie sind?

Regula Venske: Mehr denn je. Natürlich ist es unser Ziel, überflüssig zu werden. Aber so lange das freie Wort bedroht ist, und das ist es in vielen Ländern mehr denn je, solange setzen wir uns dafür ein.

Sie waren seit 2013 bereits Generalsekretärin des PEN. Als solche kennen Sie die Situation von Schriftstellern in der Welt. Wo ist deren Lage besonders bedrohlich?

Josef Haslinger Präsident PEN Deutschland
Josef Haslinger leitete das PEN-Zentrum Deutschland von 2013 bis 2017Bild: picture alliance/dpa

Ein Fokus unserer Arbeit war - auch schon vor dem gescheiterten Putsch - die Türkei. China, Eritrea, Iran, Mexiko, dort bin ich selbst mit einer Delegation gewesen, um gegen diese Dreieinigkeit von Gewalt, Korruption und Straflosigkeit zu protestieren. In Mexiko ist es zum Beispiel so, dass es keine Autoren im Gefängnis gibt. "We have writers in graves", "bei uns gibt es Autoren in Gräbern", hat die mexikanische PEN-Präsidentin gesagt. In jedem Land sieht es anders aus. Russland wird ein Schwerpunkt am dritten Mai sein, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit. Aber wir müssen natürlich auch gucken, was da vor unserer eigenen Haustür passiert.

Freie Rede, freies Wort, warum ist das überhaupt so wichtig?

Das Wort ist die Waffe, die die Herrschenden in autoritären Regimen weltweit am meisten fürchten. Die ersten, die immer verhaftet werden, sind die Schriftsteller und die Journalisten. Das machen wir uns manchmal nicht so klar in diesem Land, in dem wir seit vielen Jahrzehnten friedlich gelebt haben. Da ist die Literatur etwas in die Unterhaltungsecke gerutscht, als etwas für den Feierabend. Aber das Wort ist elementar für Dinge wie Freiheit, Wahrheit, das menschliche Zusammenleben überhaupt. Das ist das, was uns ausmacht.

Interessanterweise steht es um das freie Wort in vielen Ländern Nordeuropas, wie der jüngste Bericht von "Reporter ohne Grenzen" zeigt, am besten. Woher kommt das Ihrer Ansicht nach?

Das ist eine gute Frage, ich weiß es nicht. Das hat sicher zum Teil mit einem Wohlstand zu tun, mit gewachsenen stabilen Verhältnissen. Vielleicht auch mit der Emanzipiertheit der Frauen, die schon zu Wikingerzeiten den Laden geschmissen haben (lacht). Die skandinavischen Länder engagieren sich auch im PEN weltweit sehr stark. Vermutlich gibt es viele Erklärungsmuster.

Man soll auch vor der eigenen Haustür kehren, sagen Sie. Also blicken wir nach Deutschland. Welche Gefahr droht hier dem freien Wort, der freien Presse, dem freien Denken?

Das freie Wort wird hierzulande bedroht gerade von Menschen, die es in Anspruch nehmen und sich als Märtyrer sehen. Wir diskutieren auf unserer Jahrestagung eine Resolution zum Thema AfD und Rechtspopulismus, wiedererstarkender Nationalismus, auch in den westlichen Demokratien, von denen man dachte, dass dies ausgestanden wäre. Dazu werden wir uns positionieren.

Wenn Sie auf den Erfolg Ihrer Organisation blicken, woran würden Sie ihn festmachen?

Der ist manchmal ganz klein. Wenn man von einem inhaftierten Dichter aus Katar ein Gedicht geschickt bekommt, das er in seiner Gefängniszelle für den deutschen PEN schreibt, um sich für die Unterstützung zu bedanken, und in diesem Gedicht auf die Loreley und Heinrich Heine zu sprechen kommt, treibt das einem schon mal die Tränen in die Augen. Und manchmal sind es die kleinen Erfolge, dass man jemandem helfen kann, aus dem Gefängnis freizukommen.

Der Kameruner Autor Enoh Meyomesse, ein Stipendiat des deutschen PEN-Zentrums. Foto: DW/S. Dege
Enoh Meyomesse, ein Stipendiat des deutschen PEN-ZentrumsBild: DW/S. Dege

Oder wie unser Stipendiat Enoh Meyomesse (Anm. d. Red.: Ein aus Kameruner stammender Autor) sagte: Durch die Unterstützung des PEN wurde er im Gefängnis zu einem VIP, ein Very Important Prisoner. Die Schikanen und die Folter hörten auf, weil die Gefängnisdirektoren sehen, da guckt jemand hin, wir können nicht mehr alles mit ihm machen. Das sind dann Einzelerfolge, die davor bewahren, allzu mutlos zu werden. Denn wenn man die Verfolgten-Zahlen weltweit anschaut, könnte man auch deprimiert auf dem Sofa sitzen. In Einzelfällen etwas machen zu können, gibt Kraft für den weiteren Widerstand.

Zum Schreiben kommen Sie als PEN-Präsidentin vorerst nicht mehr so häufig, oder? 

Das ist ein Zeitproblem, stimmt. Aber ich arbeite an einem Roman. Der dauert jetzt eben ein bisschen länger. Aber wird dafür noch besser.

Die Schriftstellerin und Literturwissenschaftlerin Regula Venske, Jahrgang 1955, lebt und arbeitet in Hamburg.

Das Gespräch mit ihr führte Stefan Dege.