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Tag eins nach dem schwarzen Freitag

27. Juni 2015

Nach dem Schock kommen die Fragen: Waren die Anschläge in Tunesien, Frankreich und Kuwait koordiniert? Auch der Generalbundesanwalt in Karlsruhe ermittelt.

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Bewaffnete Sicherheitskräfte nach dem Anschlag im tunesischen Sousse (Foto: Getty Images/AFP/F. Belaid)
Bewaffnete Sicherheitskräfte nach dem Anschlag im tunesischen SousseBild: Getty Images/AFP/F. Belaid

Nach dem Terroranschlag auf ein Ferienhotel im tunesischen Badeort Sousse hat Generalbundesanwalt Harald Range ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wie seine Behörde mitteilte, geht es um den Verdacht des Mordes, des Mordversuchs und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Mit den Ermittlungen habe er das Bundeskriminalamt (BKA) beauftragt.

Unter den 39 Todesopfern sind nach Angaben des Außenministeriums in London mindestens 15 Briten. Nach jetzigem Stand verlor ein Deutscher sein Leben, wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin bestätigte. Eine weitere Person aus Deutschland wurde demnach verletzt. Es sei nicht auszuschließen, dass sich diese Zahlen noch erhöhen, so Steinmeier.

Hotline für Angehörige

Das Auswärtige Amt hat eine Telefon-Hotline eingerichtet: 030-5000-3000. Bundesinnenminister Thomas de Maizière will am Montag nach Tunesien reisen, um sein "tiefempfundenes Mitleid mit den Angehörigen der Opfer" auszudrücken.

"Propaganda und Gift"

Trauernder Tourist in der Nähe des Hotels ""Imperial Marhaba" (Foto: Jeff J Mitchell/Getty Images)
Trauer am Traumstrand: Tourist in der Nähe des Hotels "Imperial Marhaba"Bild: Getty Images/J. Mitchell

Die tunesischen Behörden werden als Reaktion auf den Angriff bis zu 80 Gebetsstätten schließen. Das sei das Ergebnis einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates, erklärte Regierungschef Habib Essid. "Es gibt weiterhin Moscheen, die ihre Propaganda und ihr Gift verbreiten", also zum Terror anstachelten, wurde Essid von örtlichen Medien zitiert. Auch Vereine und Parteien, die "außerhalb des Verfassungsrahmens stehen", sollen genauer überprüft und dann entweder verwarnt oder aufgelöst werden.

Ein bewaffneter Mann war am Freitag auf das Gelände des Fünf-Sterne-Hotels "Imperial Marhaba" in Port el Kantaoui bei Sousse eingedrungen und hatte mit einem Maschinengewehr um sich geschossen, bevor er selbst getötet wurde. Die Islamistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) bekannte sich im Kurzmitteilungsdienst Twitter zu dem Anschlag.

Die britischen Reiseanbieter Thomson und First Choice sowie die deutsche TUI flogen mehrere tausend Urlauber aus der Region aus. Das Attentat ereignete sich zu Beginn der Hauptsaison - in einem Land, in dem der Tourismus etwa sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht und rund 400.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt von der Reisebranche abhängen.

Abreisende Touristen in Tunesien (Foto: FETHI BELAID/AFP/Getty Images)
Abruptes Urlaubsende: Touristen werden aus Tunesien ausgeflogenBild: Getty Images/AFP/F. Belaid

Höchste Sicherheitsstufe für Ölanlagen

Auch zu dem Selbstmordanschlag auf betende Muslime in einer Moschee in Kuwait-Stadt, bei dem mindestens 27 Gläubige getötet und weit über 200 verletzt wurden, hatte sich der "Islamische Staat" bekannt. Für die Toten wurde eine große Trauerfeier abgehalten.

Die Behörden ließen inzwischen 18 Tatverdächtige festnehmen, wie der Nachrichtenkanal Al-Arabija berichtet. Das Innenministerium hat die Zahl bisher nicht bestätigt, teilte aber mit, dass Verdächtige befragt würden.

Särge mit Opfern des Anschlags auf eine Moschee in Kuwait (Foto: Reuters)
Letzter Weg: Särge mit Opfern nach dem Anschlag in KuwaitBild: Reuters/J. Mohammed

Die Sicherheitsmaßnahmen im Land wurden verschärft. Für Ölfelder und Raffinerien wurde die höchste Sicherheitsstufe verhängt. Öl ist die Haupteinnahmequelle des Emirates, das zum ersten Mal von einem derartigen Anschlag auf Schiiten getroffen wurde. Etwa ein Drittel der 1,3 Millionen Einwohner des Landes gehören der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Aufseiten des IS kämpfen hingegen Sunniten, denen die Anhänger der Schia als Abtrünnige gelten.

Gab es Komplizen?

Bild des Grauens: Die Moschee in Kuwait-Stadt nach dem Selbstmordattentat (Foto: EPA/RAED QUTENA)
Die Moschee in Kuwait-Stadt nach dem SelbstmordattentatBild: picture-alliance/dpa/R. Qutena

Nach dem offenbar islamistisch motivierten Anschlag auf ein Gaslager in Frankreich und der Enthauptung eines Mannes wurde der mutmaßliche Attentäter weiter vernommen. Den Ermittlern ging es vor allem darum, herauszufinden, ob es Komplizen gab. Der Mann wird dringend verdächtigt, am Freitag seinen 53 Jahre alten Chef enthauptet und einen Anschlag in einem Werk für Industriegase in Saint-Quentin-Fallavier verübt zu haben.

Die höchste Sicherheitsstufe für Industriebetriebe im Südosten Frankreichs bleibt weiter bestehen. Dies bestätigte Innenminister Bernard Cazeneuve nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts mit Präsident François Hollande in Paris. Hollande hatte am Freitag die zusätzlichen Maßnahmen für 158 Industriebetriebe der Region Rhône-Alpes angeordnet, die wegen der Verarbeitung gefährlicher Materialien der Seveso-Richtlinie unterliegen.

Feuerwehr nahe der Fabrik für Industriegase (Foto: dpa)
Am Tatort: Feuerwehr nahe der Fabrik für IndustriegaseBild: picture-alliance/dpa/V. Wales

Yassin S., der mutmaßliche Attentäter, ist nicht vorbestraft. Bekannt ist aber, dass er Verbindungen zu salafistischen Organisationen hatte. Die Behörden hatten ihn deshalb 2006 als potenzielle Gefahr für die Sicherheit eingestuft. Wie es hieß, sind zwischen 2011 und 2014 Verbindungen zur salafistischen Bewegung in Lyon aufgefallen.

Brutaler Kampf um Vorherrschaft

Gemeindevertreter während einer Schweigeminute vor dem Rathaus in Saint-Quentin Fallavier (Foto: dpa)
Gemeindevertreter während einer Schweigeminute vor dem Rathaus in Saint-Quentin-FallavierBild: picture-alliance/dpa/M. Becker

In Somalia hatte am Freitag die - ebenso wie der IS sunnitisch geprägte - Al-Shabaab-Miliz mindestens 50 Soldaten der afrikanischen Friedenstruppe AMISOM getötet und viele verletzt. Die Zahl der Toten dürfte noch steigen.

Die von der Afrikanischen Union geleitete AMISOM hat derzeit rund 22.000 Soldaten in Somalia stationiert. Die Shabaab ist ein Ableger des Al-Kaida-Netzwerkes. Als Folge des brutalen Kampfes der Terroristen um die Vorherrschaft in Somalia sind im Laufe der Jahre tausende Menschen ums Leben gekommen.

Koordiniertes Vorgehen?

Dass die Anschläge in Tunesien, Kuwait und Frankreich nahezug gleichzeitig verübt wurden, dürfte kein Zufall sein. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, hält ein koordiniertes Vorgehen für möglich. "Da kommt man schon auf den Gedanken, dass es eine Absprache der Terroristen gab", sagte Mazyek. Ende dieses Monats besteht das selbsternannte "Kalifat" des IS genau ein Jahr. Daher blicken militante Sunniten in aller Welt auf den 29. Juni. Aber auch die Geheimdienste erhöhen vor diesem Datum ihre Wachsamkeit.

Doch alle Sicherheitsmaßnahmen können über eines nicht hinwegtäuschen: Terrorismus gedeiht nur auf einem geeigneten Nährboden. Der Terror der Islamisten könne nicht von Außenstehenden besiegt werden, schreibt etwa ein Kommentator der britischen Zeitung "Times". Solange die eigenen Religionsführer militante Moslems nicht verurteilten, blieben die Allianzen des Westens erfolglos: "Diesen Krieg kann nur der Islam selbst beenden."

jj/kle (dpa, afp, rtr, ap)