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Wenn Tag und Jahr aus dem Takt geraten

28. Februar 2020

Schaltjahre faszinieren Menschen. Vielleicht liegt das daran, dass sie einen Tag dazubekommen. Dabei ist der 29. Februar gar kein extra Tag, sondern nur ein mathematischer Trick, um verlorene Zeit wieder aufzuholen.

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Symbolbild Schaltjahr
Bild: picture-alliance/dpa/L. Schulze

In meiner Familie erzählt man sich, dass mein Vater am 29. Februar 1936 geboren worden sei - also an einem Schalttag in einem Schaltjahr vor langer Zeit. Vielleicht passt es ja ganz gut zu einem Mann, der von sich zu sagen pflegt, er interessiere sich nicht für Geburtstage: Somit hätte er eine gute Ausrede, um drei von fast vier Feiern ausfallen zu lassen. 

Aber man sollte wissen, dass mein Vater ein passionierter Geschichtenerzähler war - sein Berufsleben hatte er auf Wochenmärkten begonnen. Insofern könnte es auch sein, dass er gar nicht 1936 geboren wurde, sondern vielleicht schon 1935 - in einem ganz "normalen" Jahr.

Was ist der Unterschied zwischen einem normalen und einem Schaltjahr?

Nach dem Gregorianischen Kalender - der sich weltweit durchgesetzt hat - hat ein Jahr 365 Tage. Ein Schaltjahr dagegen hat 366 Tage. Das ist ein Versuch, die Genauigkeit des westlich-christlichen Kalenders mit der Erdrotation um die Sonne in Einklang zu bringen - und mit weiteren astronomischen Ereignissen: den Sommer- und Wintersonnenwenden, die den Beginn des Kalendersommers und -winters markieren, und den Tag-und-Nacht-Gleichen, dem Äquinoktium. Das sind die beiden Termine, an denen Tag und Nacht gleich lang sind. Sie markieren jeweils den kalendarischen Frühlings- und Herbstanfang. 

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Infografik Schaltjahre Verlorene Zeit einholen Deutsch

Wo ist das Problem?

Ganz einfach: Es gibt keinen perfekten Kalender. Jeder Kalender beschreibt ein Jahr, aber es ist nie ein rechnerisch perfektes Jahr.

Eigentlich ist ein Jahr der Zeitraum, den die Erde braucht, um einmal die Sonne zu umrunden. Dieser Zeitraum, von Astronomen als tropisches Jahr bezeichnet, dauert aber nicht genau 365 Tage. Der genaue Zeitraum zwischen zwei Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleichen dauert in Wirklichkeit 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden. Als Dezimalzahl präzise ausgedrückt sind das 365,2422 Tage.

Grob gerechnet ist jedes Jahr also fast sechs Stunden länger als das Kalenderjahr. Und die Schaltjahre kompensieren diese 0,2422 Tage. Hätten wir keine Schaltjahre, würden unsere Jahreszeiten nach 100 Jahren um 24 Tage aus dem Takt geraten. 

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Wie oft brauchen wir Schaltjahre?

Alle vier Jahre gibt es ein Schaltjahr, mit einigen Ausnahmen. Und das kam so: Ursprünglich wurden Schaltjahre durch den römischen Kaiser Julius Caesar und seinen Julianischen Kalender eingeführt. Damals galt strikt die Regel: Alle vier Jahre gibt es ein Schaltjahr. Aber das führte zur Überkompensation.

Im Gregorianischen Kalender, den der Astronom Aloisius Lilius im 16. Jahrhundert entwickelte und der nach Paps Gregor XIII benannt wurde, galten schärfere Regeln. Demnach sind Schaltjahre Jahre, bei denen die Jahreszahl durch vier teilbar ist. Dazu gibt es noch Jahrhundertjahre, die auf "00" enden. Diese sind keine Schaltjahre - es sei denn, sie können durch 400 geteilt werden: Dann sind es doch welche.

Man muss also einige Schaltjahre auslassen, um zu kompensieren, dass die 5 Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden doch noch 11 Minuten und 14 Sekunden kürzer sind als ein Vierteltag. Man korrigiert also die Korrektur. Aber dennoch bleibt am Ende eine nicht ganz perfekte Summe zurück.

Wettbewerb der Kalender

Der Gregorianische Kalender wurde zuerst in Italien, Polen, Portugal und Spanien im Jahre 1582 eingeführt. Er gilt heute als einer der genauesten Kalender, aber hat immer noch eine Abweichung von etwa 27 Sekunden pro Jahr vom tropischen Kalender - etwa ein Tag alle 3236 Jahre. Dabei steht er unter allen historischen Kalendern nur an vierter Stelle, wenn es um Genauigkeit geht.

Der Sonnenkalender der Maya aus etwa 2000 vor Christus kam auf eine Abweichung von einem Tag in 6500 Jahren. Der revidierte Julianische Kalender aus dem Jahr 1923 hatte nur noch eine Abweichung von einem Tag in 31.250 Jahren und der iranische Sonnenkalender Hijri, der etwa so alt ist wie der Kalender der Maya, hatte eine Fehlerquote von einem Tag in 110.000 Jahren. Dieser Kalender erreichte seine Präzision, indem er sich an astronomischen Beobachtungen orientierte und nicht an einer mathematischen Logik. 

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Haben andere Kalender auch Schaltjahre?

Der chinesische Kalender hat Schaltjahre mit Schaltmonaten, aber keine Schalttage wie der gregorianische Kalender. Auch der Kalender der Hindus schiebt beizeiten einen Schaltmonat ein. Ein äthiopischer Kalender hat 13 Monate, wobei der 13. Monat in normalen Jahren fünf Tage hat und in Schaltjahren sechs. Im Islam gibt es innerhalb eines 30-jährigen Zyklus 11 Schaltjahre. Das jüdische Schaltjahr hat zwischen 383 und 385 Tagen und tritt sieben Mal in einem 19-jährigen Zyklus auf.

Was nützt uns das Geschalte?

Wir schalten auch so schon ziemlich viel hin und her: Die Weltzeit wird regelmäßig angepasst, um Ungenauigkeiten in der Erdrotation auszugleichen. Für Menschen ist es aber sehr wichtig zu fühlen, dass sie im Takt mit der Natur leben. So orientieren sich bestimmte Feiertage sicher nicht durch Zufall gerade an astronomischen Ereignissen: Ostern etwa am Frühlingsanfang.

Aber hätten wir solche Gründe nicht - würde es wirklich einen Unterschied für uns machen, wenn sich die Jahreszeiten von Monat zu Monat etwas verschieben würden oder wir über Tausende von Jahren ein paar Stunden oder Tage verlieren würden? Würden wir es überhaupt merken?

Abbany Zulfikar Kommentarbild App
Zulfikar Abbany Wissenschaftsredakteur