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Taktische Spiele des bolivianischen Präsidenten

Steffen Leidel16. März 2005

Erst wollte er zurücktreten, dann weitermachen, jetzt will er Neuwahlen. Nach Protesten gegen seine Energiepolitik gibt sich Boliviens Präsident Mesa frustriert: Das Land sei unregierbar. Unrecht hat er damit nicht.

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Protestieren gegen den NeoliberalismusBild: AP

Ist es wieder nur ein politisches Manöver oder ist der Präsident von Bolivien wirklich frustriert? Am Dienstagabend (15.3.2005) schlug Mesa in einer Rundfunkansprache vor, die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen auf den 28. August vorzuziehen. Der reguläre Termin wäre erst im August 2007. Vergangene Woche hatte Mesa bereits Aufsehen erregt, als er seinen Rücktritt erklärte angesichts der schweren innenpolitischen Krise, die das Land seit Wochen lähmt. Der Kongress hatte Mesa jedoch nicht aus dem Amt entlassen und sich bereit erklärt, mehrere Gesetzesvorhaben der Regierung zu unterstützen.

Bolivien Präsident Carlos Mesa tritt zurück
Carlos Mesa: Journalist und HistorikerBild: AP

Mehr als ein Etappensieg war das zunächst jedoch nicht für Mesa. Denn die eigentliche Krise ging unvermindert weiter. In den Städten gibt es seit Wochen Massenproteste, Demonstranten blockieren wichtige Fernstraßen. An einigen Orten werden bereits Lebensmittel knapp, Unternehmen müssen hohe Verluste hinnehmen. Die Proteste richten sich im Kern gegen die Rohstoffpolitik der Regierung. Die reichen Erdgasvorkommen des Landes werden von multinationalen Konzernen ausgebeutet. Vor allem die arme Bevölkerung, unter der viele Indios sind, ist über den "Ausverkauf" ihres Landes empört. Für sie bleibt so gut wie nichts von dem Ressourcenreichtum Boliviens übrig.

Neoliberalismus versus Renationalisierung

Die Ölmultis geben derzeit nur 18 Prozent ihrer Erlöse an Bolivien ab. Mesa ist der Meinung, dieser Anteil könne nicht wesentlich erhöht werden, ohne die Firmen zu vergrätzen. Er schlug, vor die 18 Prozent durch eine Sondersteuer von 32 Prozent zu ergänzen. Auf viel Gegenliebe stößt dieser Vorschlag nicht. "Mesa steht derzeit zwischen allen Stühlen", sagt Jonas Wolff, Bolivien-Experte bei der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Weder im Volk noch bei den Parlamentariern hatte der parteilose Präsident zunächst zuverlässige Verbündete für sein Energiegesetz finden können.

Evo Morales, Präsidentschaftskandidat der MAS in Bolivien
Evo Morales, Oppositionsführer und Anführer der KokabauernBild: AP

Das Angebot Mesas geht den Demonstranten längst nicht weit genug. Schlüsselfigur der Protestbewegung ist Evo Morales, Oppositionsführer und Vorsitzender der Partei "Bewegung zum Sozialismus" (MAS). Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Morales, der auch der unumstrittene Führer der Kokabauern ist, fordert den Anteil auf 50 Prozent aufzustocken. Ihm wäre es am liebsten, die in den 1990er Jahren privatisierte Erdgasausbeutung wieder zu verstaatlichen.

Erst Verbündete, jetzt Gegenspieler

Mesa wurde im Oktober 2003 nach dem Abtritt von Gonzalo Sánchez de Lozada Präsident. Morales, der den Sturz von Sánchez de Lozada betrieben hatte, und Mesa waren anfangs noch Verbündete. Mesa hatte zugesagt, die Erdgaspolitik zu Gunsten der Bevölkerung umzugestalten. "Das hat er jedoch nicht geschafft", sagt Wolff. Inzwischen klaffen die Vorstellungen der beiden politischen Führer weit auseinander. Morales selbst hat Ambitionen auf das Amt des Präsidenten.

Wolff ist dennoch überzeugt, dass eine Einigung auf nationaler Ebene in dieser umstrittenen Energiefrage möglich wäre. "Es besteht grundsätzlicher Konsens darüber, dass die multinationalen Unternehmen mehr an den bolivianischen Staat abgeben sollen", stellt er fest. Das sei auch dem liberalen Mesa bewusst.

Internationale Akteure machen Druck

Auf Mesa lastet aber auch von anderer Seite hoher Druck: nämlich von multinationalen Unternehmen, Weltbank und IWF, die eine Renationalisierung nicht dulden. Auch die USA, die EU oder selbst Brasilien drängen auf ein "akzeptables" Erdgasgesetz. "Ein Land wie Bolivien, das zu über 50 Prozent von Entwicklungsgeldern abhängt, kann sich nicht mit solchen Akteuren anlegen."

Bolivien: Indios Protestieren gegen Mesa und das Gasreferendum in El Alto
Proteste in El AltoBild: AP

Was Mesa mit seiner jüngsten Ankündigung, die Wahlen vorzuziehen, letztlich bezweckt, darüber kann nur spekuliert werden. Fest steht, dass er bei Neuwahlen nicht noch einmal antreten kann. Andererseits könnte seine "Pistole-auf-die-Brust"-Strategie noch einmal funktionieren. Der Oppositionsführer Evo Morales hat inzwischen Mesa gebeten, sein Amt fortzuführen. "Wir und andere Parteien glauben, dass der Vorschlag für vorgezogene Wahlen nicht verfassungskonform ist", sagte Morales.