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PolitikAsien

Taliban bleiben frauenfeindlich

Hussain Sirat | Waslat Hasrat-Nazimi
29. Dezember 2022

Die Taliban bauen in Afghanistan die Unterdrückung von Frauen aus. Experten sehen dahinter eine Mischung aus Machtkalkül und starken Stammestraditionen.

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Bewaffneter Taliban-Kämpfer und Afghanin auf der Straße in Kabul
Bewaffneter Taliban-Kämpfer und Afghanin auf der Straße in KabulBild: Ebrahim Noroozi/AP/picture alliance

Nachdem die Taliban für Frauen den Zugang zu den Hochschulen verschlossen und die Mitarbeit bei ausländischen Hilfsorganisationen verboten haben, ergreifen sie weitere Maßnahmen zur Unterdrückung der Frauen in Afghanistan. Adela (Name geändert), eine Lehrerin, die bis vor einer Woche an einem privaten Bildungszentrum in Kabul unterrichtete, verlor aufgrund der neuen Verbote der Taliban ihren Job und ist nun gezwungen zu Hause zu bleiben. Zunächst hätten die Taliban "nur" verfügt, dass Frauen nicht ohne männliche Begleitung in die Stadt gehen dürfen, berichtet Adela im Gespräch mit der DW. Das sei jetzt verschärft worden: Nur an bestimmten Tagen, nämlich mittwochs und donnerstags, dürften sie in manchen Provinzen überhaupt noch das Haus verlassen. Taxifahrer seien angewiesen worden, grundsätzlich keine weiblichen Passagiere mitzunehmen.

Ausgesperrt: Afghanische Studentinnen vor der Kabuler Universität
Ausgesperrt: Afghanische Studentinnen vor der Kabuler Universität Bild: Ebrahim Noroozi/AP/dpa/picture alliance

Viele Afghaninnen befürchten, dass es nur noch eine Frage von Wochen ist, bis sie vollständig in ihre Wohnung verbannt werden. Die Taliban-Führung hat sich offenbar gegenüber jeglicher Kritik von außen an diesen drakonischen Maßnahmen verschlossen. Sie behauptet, nur die islamischen Rechtsvorschriften getreu umzusetzen. Jedoch haben sogar andere islamisch verfasste Länder wie Pakistan oder Saudi-Arabien Kritik am Bildungsverbot für Frauen geübt.

Konstruktiver Staatsaufbau ohne Priorität

Dass die Taliban mit ihren frauenfeindlichen Maßnahmen den wirtschaftlichen Wiederaufbau Afghanistans verhindern oder zumindest stark verzögern, nehmen sie in Kauf. "Es handelt sich bei ihnen um eine terroristische Gruppe und nicht um eine staatliche Führung, für die das Wohlergehen der Bevölkerung bestimmend ist", sagt der Theologe Mohammad Mohaq von der Kairoer Al-Azhar-Universität im DW-Gespräch. Die Taliban seien von Anfang an, mit Unterstützung anderer Staaten, die ihre eigenen Ziele verfolgt hätten, auf Zerstörung ausgerichtet gewesen, nicht auf Versöhnung und Staatsaufbau.

Weinende Lehrerin in leerem Klassenzimmer
Verzweiflung angesichts verwaister UnterrichtsräumeBild: Ebrahim Noroozi/AP/picture alliance

Asadullah Nadeem, ein afghanischer Politologe, der früher an einer privaten Kabuler Hochschule lehrte und jetzt im Exil lebt, verweist auf eine Besonderheit der islamischen Rechtspraxis der Taliban: Priorität hätten die paschtunischen Stammestraditionen und Gebräuche. Deshalb komme es zu Diskrepanzen zwischen dem, was sie für richtig erachten und dem, was allgemein als islamisch angesehen werde. "Die Taliban folgen einer rückständigen, primitiven und extremen Ideologie, die in den meisten Fällen nicht islamischen Werten entspricht", sagt Nadeem. Die Taliban-Führer akzeptierten nur eine Scharia, die in Übereinstimmung mit lokalen und afghanischen Traditionen stehe.

IS setzt Taliban unter Druck

Hinzu komme, dass die Taliban sich der Konkurrenz durch den afghanischen Ableger des sogenannten Islamischen Staats, IS-K, erwehren müssen, der sein eigenes Emirat in Afghanistan errichten will. Immer wieder verübt der IS-K Anschläge auf Einrichtungen und Gebetsstätten der schiitischen Hasara, die er als Ungläubige betrachtet. Da die Taliban den Krieg gegen Ungläubige nach ihrer Machtübernahme beendet haben, werde der IS-K für besonders fanatische Taliban-Kämpfer attraktiver, sagt Nadeem. Deshalb sei es für die Taliban-Führung wichtig, diese Kämpfer mit der Einführung extremer, mit der Scharia begründeter Maßnahmen in ihren Reihen zu halten. "Die Anführer der Taliban wissen, dass ihre Kontrolle über die Macht im Land nicht lange anhalten wird", sagt Nadeem. "Sie wollen, dass ihre Kämpfer motiviert bleiben, um dem bewaffneten Widerstand entgegenzutreten". Es seien nicht nur der IS, sondern weitere Terrorgruppen in Afghanistan aktiv. Gleichzeitig kämpften vereinzelt noch immer Mitglieder des Nationalen Widerstandsrates (NRC) gegen die Taliban. Sollten die Taliban Kämpfer an den IS verlieren, so könne das zu einem großen Problem für sie werden.

Mohammad Mohaq von der Al-Azhar-Universität meint, dass beim IS-K neben dem Dschihad auch ganz weltlich Motive eine Rolle spielen: Nämlich Neid auf die Taliban, die sich nach ihrer Machteroberung mit Geld und Frauen belohnten. Solchen weltlichen Lohn für den Gotteskrieg hätten die IS-Kämpfer auch gerne, so der Theologe aus Kairo.

Kritik aus der Zivilgesellschaft

Inzwischen wird jedoch auch in Afghanistan von Vertretern der Zivilgesellschaft, die bisher die Politik der Taliban verteidigt und die Leistung der Gruppe rechtfertigt haben, Kritik am Bildungsverbot für Mädchen und junge Frauen geübt. So etwa von Nadschibullah Dschame, einem inzwischen zurückgetretenen Dozenten an einer Kabuler Privat-Uni. "Diese Entscheidung der Regierung ist nicht gerechtfertigt", sagte er der DW. "Sie wird Afghanistan noch weiter zurückwerfen und in eine dunkle Zukunft führen". Die Taliban sollten Schulen und Universitäten für Frauen so schnell wie möglich wieder öffnen, fordert er.

Afghaninnen demonstrieren gegen das Universitätsverbot für Frauen
Afghaninnen demonstrieren gegen das Universitätsverbot für FrauenBild: Uncredited/AP/dpa/picture alliance

Binnen weniger Tage sind mehrere Universitätsprofessoren aus Protest zurückgetreten. Der Dozent Ismail Mashal zerriss im Nachrichtensender ToloNews vor laufender Kamera sein Universitätsdiplom. Außerdem traten die Studenten der Polytechnischen Universität Kabul, der größten ingenieurwissenschaftlichen Hochschule Afghanistans, in den Streik. Um weitere Proteste zu verhindern, schlossen die Taliban mehrere Universitäten und verstärkten ihre militärische Präsenz auf den Straßen.