Tausende demonstrieren gegen Agrarindustrie
21. Januar 2017Mehrere tausend Bauern, Umwelt- und Tierschützer haben in Berlin für eine Neuausrichtung der Agrarpolitik demonstriert. Angeführt von rund 130 Traktoren, forderten sie einen tier- und umweltgerechten Umbau der Landwirtschaft. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte ein Bündnis aus rund 100 Organisationen.
Die Kundgebung, die parallel zur Internationalen Grünen Woche in der Hauptstadt ablief, stand in diesem Jahr unter dem Motto: "Wir haben Agrarindustrie satt!". Die Veranstalter sprachen von mehr als 18.000 Teilnehmern, die Polizei von mindestens 10.000.
In einem Neun-Punkte-Plan an die Adresse der Bundesregierung verlangten die Demonstranten unter anderem, gegen anhaltendes Bauernhofsterben und Konzentrationsprozesse in der Agrarindustrie vorzugehen.
Der Sprecher des "Wir haben es satt!"-Bündnisses, Jochen Fritz, erklärte zum Auftakt des Umzuges, die Subventionen für die Agrarindustrie müssten enden. "Stattdessen brauchen wir Anreize für Bauern, die Tiere besonders artgerecht halten und umweltschonend wirtschaften", sagte Fritz.
Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, warf der aktuellen Agrarpolitik vor, verantwortlich für Höfesterben, Umweltschäden und Artenschwund zu sein. "Eine Agrarwende, die Bauern wieder eine Zukunft gibt, ist längst überfällig."
Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, kritisierte die Massentierhaltung. Das Tierschutzgesetz lasse immer noch "die millionenfache Qual von Tieren in landwirtschaftlicher Haltung zu", sagte Schröder und nannte als Beispiele die massenweise Tötung männlicher lebensfähiger Küken und die Kastration von Ferkeln ohne Betäubung. "Das alles haben wir satt", so Schröder.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt rief die Demonstranten zu einer "Gemeinschaftsaktion" auf. Wer an Lösungen "in revolutionären Akten" glaube, übersehe dabei, dass Verbesserungen unter dem rollenden Rad erreicht werden müssten. "Kernaufgabe der Landwirtschaft ist und bleibt die Ernährungssicherung." Um Verbesserungen müsse aber gestritten werden, etwa für mehr Tierschutz oder geringeren Düngemitteleinsatz.
Der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch hatte anlässlich der Grünen Woche die Massentierhaltung in Deutschland scharf kritisiert. "Wir können die Augen nicht verschließen vor katastrophalen Zuständen in den großen Tierfabriken", sagte Koch im RBB-Rundfunk.
So behandelten Schweinemäster Tiere, die nie das Tageslicht sähen, "wie ein technisches Fließbandprodukt" und schlachteten diese unter unsäglichen Bedingungen. Wer Tiere als Ware missbrauche, schrecke auch vor weiterer Rücksichtslosigkeit nicht zurück: "Grundwasser wird verseucht und Billiglöhne sorgen für ein modernes Sklaventum", kritisierte der Geistliche.
Am Morgen hatten sich einige hundert Demonstranten, darunter viele Landwirte, am Hauptbahnhof zu einer Gegenkundgebung versammelt. In Anlehnung an den Slogan des Bündnisses "Wir haben es satt" stand ihr Protest unter dem Motto "Dialog statt Protest - wir machen Euch satt!".
jj/uh (dpa, epd)