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Abschied von Boris Nemzow

3. März 2015

Unter einem extremen Polizeiaufgebot nehmen tausende Menschen Abschied vom ermordeten Kremlkritiker Boris Nemzow. Kurz vor der Trauerfeier gibt es Irritationen über den Kreml und die russischen Behörden.

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Russland Beisetzung Nemzow (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/P. Golovkin

Mit roten Rosen in den Händen zogen Freunde und Weggefährten am offenen Sarg von Boris Nemzow vorbei, der in den Räumen des Sacharow-Zentrums aufgebahrt ist. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und leichtem Schneefall bildete sich vor dem Gebäude der Menschenrechtsorganisation sich eine mehrere hundert Meter lange Schlange von Trauernden. Viele waren in Tränen aufgelöst. Ein Blumenmeer umgab den Sarg bereits kurz nach der Öffnung des Menschenrechtszentrums. Von der russischen Regierung erwies unter anderem Vizeregierungschef Arkadi Dworkowitsch dem früheren stellvertretenden Ministerpräsidenten Nemzow an dessen Sarg die Ehre. Die russischen Medien begleiteten das Ereignis mit einem Großaufgebot. Die Polizei sperrte die Umgebung weiträumig ab. Am Nachmittag wurde Nemzow auf dem Trojekurowo-Friedhof im Westen Moskaus beigesetzt.

Auch deutsche Politiker und Diplomaten erwiesen dem 55-jährigen Oppositionspolitiker Nemzow die letzte Ehre. "Es ist ein schwerer Abschied, weil man natürlich weiß, dass Nemzow eine der wenigen gewichtigen Stimmen der Opposition war und dass es sehr schwer sein wird, ihn zu ersetzen", sagte der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, der Deutschen Presse-Agentur bei der Trauerzeremonie. Auch die FDP-Politiker Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Wolfgang Gerhardt wollten teilnehmen. Der Beisetzung soll nach Angaben aus Berliner Regierungskreisen auch der deutsche Botschafter in Moskau gemeinsam mit Kollegen aus anderen europäischen Staaten beiwohnen.

Der lettische Außenminister Linas Linkevicius und der britische Ex-Premierminister John Major waren ebenfalls unter den Trauergästen. Der EU-Botschafter in Moskau, Vygaudas Usackas, bezeichnete Nemzow als "russischen Patrioten und Freund der EU".

Affront gegenüber Polen

Der Kremlkritiker Nemzow war am späten Freitagabend in Moskau erschossen worden. Die Tat löste weltweit Entsetzen aus. Während die genannten Diplomaten wohl an der Trauerfeier teilnehmen können, wurde einem anderen Gast die Anreise verwehrt. Der polnische Senatspräsident und ehemalige Bürgerrechtler Bogdan Boruszewicz erklärte in Warschau: "Ich habe erfahren, dass die russischen Behörden mich nicht zu dem Begräbnis zulassen."

Bogdan Borusewicz, Senat Abgeordneter in Polen (Foto: DW)
Nicht erwünscht: Bogdan BorusewiczBild: cc-by-sa-3.0/Boston9

Er sei "überrascht", dass ihm das Visum für die Einreise nach Russland verweigert worden sei, sagte Boruszewicz "Ich wollte den ermordeten Boris Nemzow ehren, und alle Russen, die so denken wie er." Der ehemalige Bürgerrechtler hatte im August 1980 den Streik auf der Danziger Leninwerft mit vorbereitet. Das sind Gäste, die der Kreml augenscheinlich weniger gern in der russischen Hauptstadt sieht.

"Unverständliche Entscheidung"

Der polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski sprach von einer "unverständlichen Entscheidung" der russischen Behörden. Boruszewicz habe den polnischen Staat bei der Beisetzung repräsentieren sollen, betonte er. Zudem sei er eine Ikone der polnischen Demokratie und des Kampfes um Freiheit. Daher erschien er als passendster Vertreter Polens bei der Beerdigung eines russischen Oppositionellen." Die Verweigerung eines Visums müsse zu der Überzeugung führen, "dass die russischen Behörden einfach nicht wollen, dass die demokratische Welt an dieser Trauerfeier teilnimmt." Eine Sprecherin des polnischen Parlaments sagte, nach der Einreiseverweigerung für Borusewicz werde keinerlei offizielle Delegation der beiden Kammern des polnischen Parlaments an der Trauerfeier in Moskau teilnehmen. Auch einem Russland-Experten des Instituts für Internationale Angelegenheiten wurde das Visum verweigert.

Russland Moskau Anna Duritskaya Begleiterin Boris Nemzow
Die Freundin, das Fotomodell Anna DuritskajaBild: picture-alliance/AP Photo/D. Buznikova

Auch die EU-Abgeordnete Sandra Kalniete kann nicht am Begräbnis Nemzows teilnehmen. Bei der Ankunft auf dem Moskauer Flughafen sei ihr Diplomatenpass eingezogen und die Einreise nach Russland verweigert worden, teilte die frühere lettische Außenministerin auf Facebook mit. Lettland und die Fraktion der Europäischen Volkspartei, die Kalniete bei der Beisetzung repräsentieren sollte, kritisierten die Entscheidung der russischen Behörden.

Freundin durfte inzwischen ausreisen

Für Verärgerung sorgte auch, dass nach dem Mord am russischen Kremlkritiker dessen ukrainische Lebensgefährtin gegen ihren Willen zunächst festgehalten wurde. Die 23-jährige Anna Duritskaja, die Augenzeugin des Verbrechens wurde, erklärte, sie habe der Polizei bereits alles gesagt, was sie wisse. Die junge Frau war dabei, als ihr Freund in unmittelbarer Nähe des Kreml durch Schüsse in den Rücken getötet wurde. Nach Informationen des ukrainischen Außenministeriums durfte Anna Duritskaja inzwischen nach Kiew ausreisen.

cr/ml/SC/as (rtr, AP, AFP)