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Politik

Tausende Polen protestieren gegen Justizreform

21. Juli 2017

Allein in Warschau versammelten sich 50.000 Demonstranten, um ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen. Doch die Chancen schwinden, die Justizreform noch zu stoppen. Die letzte Hoffnung der Gegner ist der Präsident.

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Polen Justizreform
Bild: picture alliance/dpa/AP/C. Sokolowski

Zu der Kundgebung vor dem Präsidentenpalast in Warschau (Artikelbild) unter dem Motto "Freie Gerichte" hatten Oppositionsparteien und Bürgerinitaitiven aufgerufen. "Wir wollen nicht aus der EU gedrängt werden", riefen Oppositionsabgeordnete. Sie warnen, die rechtskonservative Regierungspartei PiS ("Recht und Gerechtigkeit") würde sich mit den geplanten Änderungen im Justizwesen Richter und Gerichte unterstellen.

Auch in anderen Städten wie Krakau und Posen demonstrierten Zehntausende Gegner der Reform.

Präsidiales Veto gefordert

Die rund 50.000 Demonstranten in Warschau - darunter Oppositionspolitiker und Prominente - forderten Präsident Andrzej Duda auf, sein Veto gegen die am Donnerstag vom Unterhaus beschlossene Neuordnung des Obersten Gerichts einzulegen, die vermutlich am Freitag auch im Senat mit PiS-Mehrheit gebilligt werden dürfte. Das ebenfalls nationalkonservative Staatsoberhaupt hatte am Dienstag überraschend angekündigt, die Reform müsse überarbeitet werden. Duda kritisierte, dass der Richterrat nicht "einer einzigen Partei, einer einzigen Gruppierung unterworfen" werden dürfe. Als Kompromiss schlug er vor, die Mitglieder des Landesrichterrats künftig mit Zwei-Drittel-Mehrheit vom Parlament wählen zu lassen. Damit wäre die PiS für ihre Personalvorschläge auch auf Stimmen anderer Parteien angewiesen.

Der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form ermächtigt Justizminister Zbigniew Ziobro, alle amtierenden Richter des Gerichts in den Ruhestand zu versetzen und einen Interimschef für das Gericht zu bestimmen. Die Opposition und namhafte Künstler sprechen von einem "Staatsstreich", da sich das Oberste Gericht dann quasi unter der Kontrolle der Regierung befinde. 

Massive Kritik aus dem Ausland

Die geplante Neuordnung des Justizwesens im EU-Mitgliedsstaat Polen stößt auch im Ausland auf heftige Kritik. EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans hatte am Mittwoch die Regierung in Warschau aufgefordert, die Reform auszusetzen und wieder Gespräche mit Brüssel über die Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen. Die Kommission werde ohne Änderungen an der Reform wahrscheinlich ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten - und womöglich auch eine Prozedur zum Entzug von Stimmrechten. Das Außenministerium in Warschau wies dies als "ungerechtfertigt" zurück.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn begrüßte die deutlichen Worte Timmermans. Er sagte, wenn die Rechtsstaatlichkeit in der EU mit Füßen getreten werde, könne das nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaute Europa auseinanderfallen. Asselborn appellierte an Deutschland und Frankreich, im EU-Ministerrat klar Position zu beziehen. Er mache sich Sorgen, dass dieser - anders als das EU-Parlament und die Kommission - nicht handeln werde.

Aus dem EU-Parlament kommt ebenfalls harsche Kritik an Polen. Der Europaabgeordnete Markus Ferber erinnerte daran, dass die härteste Strafe, die die EU-Verträge vorsähen, ein Stimmrechtsentzug Polens im Ministerrat sei. "Wer hier an das Grundprinzip des Rechtsstaats geht, mit dem muss auch hart gesprochen werden", sagte der CSU-Politiker.

Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) schloss sich der Kritik an den Neuregelungen an. Ihre Osteuropa-Expertin Lydia Gall erklärte: "Das polnische Parlament sollte dieses zutiefst fehlerhafte Gesetz ablehnen. Es widerspricht den Standards der EU und des Europarates." Sie sprach von einem "Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz".

mak/cr (dpa, rtr, afp)