Teheran erstickt im Smog
17. November 2016"In den vergangenen drei Wochen hat die Luftverschmutzung in Teheran den Tod von über 400 Einwohnern mit verursacht", sagte Habib Kashani, Mitglied des Stadtrats der iranischen Hauptstadt, am Mittwoch. Die iranische Metropole mit ihren rund 14 Millionen Einwohnern zählt zu den am stärksten von Feinstaub belasteten Städten der Welt. Eine gewaltige Dunstglocke hängt seit Tagen über Teheran. Die Belastung mit dem gefährlichen Feinstaub liegt momentan bei 150 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt einen Höchstwert von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter.
"Bei jedem Atemzug spüre ich ein Stechen in der Brust. Meine Augen brennen und sind rot, sogar zu Hause", sagt die 28-jährige Iranerin Azadeh im Gespräch mit der DW. Sie leitet ein Sportstudio in Teheran - doch das ist seit Anfang der Woche geschlossen.
Wegen der starken Luftverschmutzung wurden alte und vor allem herzkranke Menschen aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Bis nächsten Montag sollen alle Kindergärten und Schulen in Teheran und Umgebung geschlossen bleiben. Die Polizei hat den Verkehr in vielen Teilen der Hauptstadt eingeschränkt.
"Das macht die Situation nicht einfacher", beschwert sich Azadeh. "Was sollen berufstätige Eltern jetzt mit ihren kleinen Kindern machen? Jetzt müssen sie die Kleinen durch die Stadt mitschleppen! Die Staus in der Stadt sind schlimmer geworden. Jeder ist mit seinem eigenen Auto unterwegs, weil keiner bei diesem Wetter zu Fuß laufen oder auf den Bus warten will."
Die Liebe zum eigenen Auto
Laut offiziellen Angaben sind täglich drei bis dreieinhalb Millionen Autos in Teheran unterwegs. Das Auto ist immer noch ein Statussymbol im Iran. Der staatseigene Betrieb Iran-Khodro baut seit 1962 Autos für alle, die sich kein teures Importprodukt leisten können. Die einheimischen Autos verbrauchen aber im Vergleich zu den ausländischen mehr Sprit, manche sogar doppelt so viel. Die Regierung unterstützt den Autokauf trotzdem mit günstigen Krediten, statt in öffentliche Verkehrsmittel zu investieren.
"80 Prozent der Luftverschmutzung in Teheran wird durch Autos verursacht", sagt Mohammad Sadegh Hassanvand. Der Mitarbeiter des Instituts für Umweltforschung in Teheran erläutert im Gespräch mit der DW: "Offiziell gibt es seit 20 Jahren einen Plan zur Bekämpfung der Luftverschmutzung. Er hat aber bis jetzt nichts gebracht. Weder die wichtigsten Ursachen noch die Finanzierung von Gegenmaßnahmen sind in diesem Plan klar definiert."
Teheran ist eine rasant wachsende Megacity, die sich am Hang des Elburs-Gebirges hinauf zieht. An diesen knapp viertausend Meter hohen Bergen bleiben Smog und Abgase hängen. Eine wesentliche Ursache für die Luftverschmutzung in Teheran ist aber die miserable Qualität des einheimischen Benzins.
Das Land verfügt zwar über die zweitgrößten Erdgasreserven und die drittgrößten Erdölreserven der Welt. Die Kapazitäten seiner Raffinerien sind aber eingeschränkt, die Technologien überholt. Deshalb hat der Iran früher zwar Öl exportiert, Benzin aber importiert. 2010 haben internationale Treibstoffhändler wegen der US-Sanktionen gegen Teheran ihre Lieferungen an den Iran eingestellt. Seither produziert das Land selbst Benzin.
Iranisches Benzin - einfach Gift
Das einheimisch produzierte Benzin setzt hohe Mengen an Schadstoffen frei, schreibt die Gesundheitskommission des iranischen Parlaments schon 2011. Iranisches Benzin enthalte zehnmal mehr Schadstoffe als importiertes, heißt es im Bericht weiter. Geändert hat dieser Bericht aber nicht viel.
Als im August 2013 die reformorientierte Regierung von Hassan Rohani die Macht übernimmt, liegen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO vier der zehn Städte mit der weltweit höchsten Luftverschmutzung im Iran.
Die Regierung gibt zu: Das sogenannte "petrochemische Benzin" entspricht nicht den Umweltstandards und dürfte eigentlich nicht verkauft werden. "Der Himmel über unseren Städten gleicht einem schwarzen Monster, das unsere Lungen auffrisst", klagt der iranische Gesundheitsminister Hassan Ghazizadeh Hashemi 2014.
Nach dem Atomabkommen von 2015 wächst die Hoffnung auf eine Lockerung der Sanktionen. Die Regierung von Hassan Rohani verspricht, die Eigenproduktion von Benzin zu stoppen und den Import aus dem Ausland zu verdreifachen. Doch bislang bleibt es nur beim Versprechen.
Mitte 2016 teilt das iranische Ölministerium mit, bis März 2017 werde der Iran seinen Bedarf an Benzin selbst produzieren. Für die Qualität des Benzins bleibt das Ölministerium selbst zuständig.
"Eigentlich gibt es kein integriertes Programm für die Bekämpfung der Luftverschmutzung im Iran. Jedes Ministerium geht seinen eigenen Weg - und die Umweltbehörde hat nicht einmal einen vernünftigen Plan", sagt der Experte Mohammad Sadegh Hassanvand resigniert.