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Terror im Namen des Islam?

Kersten Knipp25. September 2014

Während das Bündnis gegen den "Islamischen Staat" Angriffe gegen dessen Stellungen fliegt, wird in der arabischen Welt über Beziehung zwischen Islam und Terrorismus diskutiert.

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Demonstration von IS-Anhängern in Mosul, 16.6.2014 (Foto: AP)
Bild: picture alliance / AP Photo

Der katarische Religionsgelehrte Yusuf al-Qaradawi zeigte sich über die von den Amerikanern geführte Allianz gegen den "Islamischen Staat" wenig erfreut. Er sei gegen die Ideologie des IS und seine Vorgehensweise gleichermaßen. "Aber ich werde nie zustimmen, dass das Land, das den IS bekämpfen sollte, die Vereinigten Staaten sind. Sie lassen sich nicht von islamischen Werten, sondern von eigenen Interessen leiten, und zwar selbst dann, wenn Blut vergossen wird." So twitterte es der inzwischen 88-Jährige in die Welt hinaus - was für große Aufregung sorgte, denn Al-Qaradawi ist mit seiner auf Al-Dschasira ausgestrahlten Fernsehsendung "Al-Sharia wa´l hayat" ("Die Scharia und das Leben") einer der populärsten Fernsehprediger der arabischen Welt.

Der Fernsehprediger Yusuf al-Qaradawi, 26.8. 2014 (Foto: Anadolo Agency)
Einflussreich: Fernsehprediger Yusuf al-QaradawiBild: picture alliance/AA/Munir Zakiroglu

Al-Qaradawi erntete Zustimmung, aber auch scharfe Kritik. "Wie sollen wir diese Position verstehen, wenn wir sie vor dem Hintergrund all der Verbrechen sehen, die IS begangen hat", fragte etwa der politische Kommentator Tariq Alhomayed in der Tageszeitung "Al-Sharq al-Awsat". "Ist Al-Qaradawi wirklich gegen den Islamischen Staat?" Argumente wie die von Al-Qaradawi hätten sich überholt, so Alhomayed weiter. "Wir erleben derzeit eine völlige Ablehnung des religiösen Extremismus – sei er sunnitisch oder schiitisch."

Unterschiedliche Ansichten zum Islamischen Staat

Angesichts der vom "Islamischen Staat" begangenen Gräueltaten wird die Rolle des Islam in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Die Trennlinie, berichtet die Kolumnistin Raghida Dergham in der panarabischen Tageszeitung "Al Hayat", verlaufe gerade in den Golfstaaten in Teilen zwischen den Staatsspitzen und einigen Anhängern innerhalb der Bevölkerung. "Die Regierungen haben IS als 'existentielle Bedrohung' beschrieben, während ein Teil der Öffentlichkeit mit IS und seinen Motiven sympathisiert." Einige Sympathisanten des IS sähen diesen als Gegengewicht gegen eine als immer bedrohlicher empfundene schiitische Dominanz.

Islam und Terrorismus

Die Zerwürfnisse gingen aber weiter, so schreibt es "Al Hayat". Sie reichten bis an das Selbstverständnis des Islam: Was verbiete er, und was lasse er zu? Darüber gingen die theologischen Bewertungen weit auseinander. Für die Mehrheit sei der Islam für die Taten des IS nicht verantwortlich zu machen, und habe auch nichts mit dem Islam zu tun. Auf einer Konferenz in der vergangenen Woche in Riad in Saudi Arabien hätten andere den "Islamischen Staat" aber als Verkörperung des "reinen Islam" beschrieben, so Dergham. Deshalb hätten sie den IS auch nicht mit Terrorismus in Verbindung gebracht.

Kämpfer des "Islamischen Staats" beim Gebet im syrischen Raqqa, 27.8. 2014 (Foto: AP)
IS-Kämpfer beim Gebet in Raqqa (Syrien)Bild: picture-alliance/AP Photo

Große Teile der politischen Elite sähen das allerdings völlig anders, berichtet Dergham weiter. Bei dem Treffen sei der frühere kuwaitische Informationsminister Saad bin Mohammed bin Tefla hart mit jenen religiösen Traditionen und Praktiken ins Gericht gegangen, auf die sich nun auch der IS berufe. "Wir können nicht sagen, dass diese Leute nichts mit dem Islam zu tun haben", so Dergham in der Zeitung "Al-Hayat". Seine Schlussfolgerung zeigt, wie weit die Diskussion in der arabischen Welt gediehen ist. "Repräsentieren IS, Hisbollah und die Muslimbrüder den politischen Islam oder nicht? Die Antwort lautet: ja. Diese Gruppen beziehen sich in all ihrem Tun auf Fatwas des politischen Islam. Es ist darum an der Zeit, dass wir in uns gehen und uns mit den Werten unserer Erziehungsphilosophie und unseren Curricula auseinandersetzen."

Diskussion um politischen Umgang mit dem Terrorismus

Die Diskussion um die mögliche Verantwortung des Islam an der Entstehung des sunnitischen und schiitischen Extremismus fällt in eine Zeit, in der im Nahen Osten eine entscheidende politische Entwicklung ansteht. Die Flugzeuge des von den USA angeführten Bündnisses haben neben IS-Stellungen im Irak erstmals auch Terrorbasen des "Islamischen Staates" in Syrien angegriffen. Diese Einsätze gelten Militärbeobachtern als unverzichtbar, um den IS entscheidend zu treffen. Solange er Nachschub aus Syrien beziehe, so das militärische Argument, sei der IS auch im Irak nicht zu schlagen.

Der katarische Außenminister Khalid bin Mohammed al-Attiyah bei Treffen mit Amtskollegen in Dschidda, 30.8. 2014 (Foto: AP)
Der katarische Außenminister Khalid bin Mohammed al-Attiyah in DschiddaBild: picture-alliance/AP

Über das kurzfristige Ziel, die Schwächung oder gar Zerstörung des IS, herrscht in dem Bündnis offenbar Einigkeit. Offen ist dagegen, wie es nach einer möglichen Zerschlagung der Terrorgruppe weitergeht. Diese Frage wird beim weiteren Vorgehen aber immer stärker in den Mittelpunkt rücken.

Bereits auf einem Treffen Ende August in Dschidda in Saudi Arabien hatten sich die Außenminister mehrerer arabischer Länder darauf verständigt, die Gefahr der "terroristischen extremistischen Ideologie" ernsthaft und umfassend anzugehen.

Die Diskussion sei gerade aufgrund der konträren Positionen hilfreich, kommentiert die Analystin Raghida Dergham in "Al Hayat". "Denn es wird nicht möglich sein, einen ernsthaften Krieg gegen IS allein mit militärischen Mitteln zu führen. Nur mit politischen Mitteln wird es möglich sein, die notwendige Unterstützung der Bevölkerung gegen IS zu gewinnen."