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Terror trifft Nigerias Wirtschaft

Jan-Philipp Scholz28. März 2015

Mit heimtückischen Anschlägen verbreitet Boko Haram im Norden Nigerias Angst und Schrecken. Die Islamisten haben die lokale Wirtschaft nahezu zum Erliegen gebracht, berichtet Jan-Philipp Scholz.

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Hauptstraße in Kano, Nigeria Foto: Jan-Philipp Scholz
Bild: DW/J.P. Scholz

Die bunten, in durchsichtige Plastikfolie eingepackten Stoffe stapeln sich vor dem kleinen Laden von Nasiru Ata. Der Händler weiß nicht mehr wohin mit ihnen, sein Lagerraum ist bereits bis unter die Decke gefüllt. Früher, erzählt er, habe er eine ganze Containerladung in zwei, vielleicht drei Tagen verkaufen können. Heute dauere es manchmal mehr als einen Monat.

Mit dem Terror kam die Wirtschaftskrise

Früher, das war bevor die Terroristen von Boko Haram ihre ersten Anschläge in Kano, der wirtschaftlichen Metropole Nordnigerias, verübten. Am 20. Januar 2012 griffen die Dschihadisten zahlreiche Polizeistationen an und töteten dabei mehr als 190 Menschen. Seitdem kommt die Stadt nicht mehr zur Ruhe. Erst vor vier Monaten starben bei einem Anschlag auf eine Moschee im Zentrum Kanos rund 120 Menschen und mehr als 200 wurden verletzt.

Mit dem Einzug des Terrors begann der wirtschaftliche Niedergang Kanos. Immer mehr Händler blieben der Stadt fern und es wurde zunehmend riskant, Waren auf den unsicheren Straßen Nordnigerias zu transportieren. Die örtliche Handelskammer schätzt, dass die Wirtschaftsaktivitäten in Kano in den vergangenen drei Jahren um rund 80 Prozent eingebrochen sind. Stoffhändler Nasiru Ata denkt bereits ans Aufgeben. "Ich hatte sogar Kunden aus Kamerun und der Zentralafrikanischen Republik. Sie wussten, dass sie bei mir gute Qualität bekommen." Doch sie alle blieben inzwischen der Stadt fern, weil sie Angst hätten, auf dem Weg überfallen oder in Kano Opfer eines Anschlags zu werden, erklärt Ata. Und dann seien da auch noch die ungeliebten Straßensperren.

Der Händler Nasiru Ata im Textilmarkt von Kano Foto: Jan-Philipp Scholz
Der Händler Nasiru Ata im Textilmarkt von KanoBild: DW/J.P. Scholz

Straßensperren als Einnahmequelle

Die Kontrollpunkte von Polizei und Militär auf den Hauptverkehrsadern in und um Kano sind ein Thema, über das hier viele nicht gerne reden. Auch der Vertreter der nigerianisch-nigrischen Handelskammer, Ahmad Rabiu, drückt sich ein wenig umständlich aus, als das Thema zur Sprache kommt. Er spricht vom Fehlverhalten derer, "die eigentlich dafür zuständig sind, die Menschen zu beschützen". Und dass das alles mit der generellen Misswirtschaft im Land und der schlechten Bezahlung der unteren Staatsbediensteten zu tun habe. Im Klartext: Die Sicherheitskontrollen, die eigentlich Anschläge von Boko Haram verhindern sollen, dienen Polizei und Militär vor allem dazu, Schmiergelder von vorbeikommenden Händlern zu erpressen.

Anschlagsort in Kano, Nigeria Foto: Jan-Philipp Scholz
Hier riss Boko Haram im November 2014 mehr als 120 Menschen in den TodBild: DW/J.P. Scholz

Auf der Suche nach unkonventionellen Absatzmärkten

Die Schikanen durch Sicherheitskräfte sind so alltäglich, dass Ladidi Garko, die Informations-ministerin des Bundesstaates Kano, erst gar nicht versucht, die Missstände zu leugnen. "Ich kann nicht sagen, dass das nicht vorkommt. Ich weiß, dass diese Straßensperren ein Problem für Geschäftsleute sind", so die Ministerin. Der Bundesstaat Kano habe aber bereits viel unternommen, um die Sicherheitslage zu verbessern. So habe man zum Beispiel die Straßenbeleuchtung ausgebaut und Motorradtaxis, die eine Zeit lang gerne von Boko Haram bei der Ausführung ihrer Attentate benutzt wurden, aus der Stadt verbannt.

Es sind Maßnahmen, über die die sechzig Arbeiter, die Fabrikbesitzer Alhaji Madugu allein in den vergangenen sechs Monaten entlassen musste, wohl nur müde lächeln können. Der Geschäftsmann hat den Industriebetrieb, der sich auf das Abpacken von Nahrungsmitteln wie Zucker und Tee spezialisiert hat, bereits von seinem Vater geerbt. Nichts Ungewöhnliches in Kano, denn die Stadt ist bereits seit vielen Generationen eines der wichtigsten Wirtschaftszentren der gesamten Sahelzone. Doch so schlecht wie heute ging es dem Traditionsbetrieb noch nie. "Wir schaffen kaum noch ein Drittel dessen, was wir in guten Zeiten produziert haben", so Alhaji Madugu.

Alhaji Madugu in seiner Fabrikhalle Foto: Jan-Philipp Scholz
Alhaji Madugu (rechts) in seiner FabrikhalleBild: DW/J.P. Scholz

Die Probleme sind für den Industriellen die gleichen wie für den Textilhändler Nasiru Ata: Kunden und Investoren machen einen großen Bogen um den Ort, Straßen sind aufgrund der Sicherheitslage nicht befahrbar, wichtige Märkte brechen weg, weil ganze Regionen in Nordostnigeria von Boko Haram kontrolliert werden. Doch immerhin hat Alhaji Madugu eine Idee, wie er neue Absatzmärkte erschließen kann. Seit kurzem produziert er Fertiggerichte für Hilfsorganisationen. Die geben sie dann an Flüchtlinge aus, die wegen des Boko Haram-Terrors ihre Heimat verlassen mussten. Das sei auf jeden Fall ein stabiler Markt in Nigeria, sagt der Fabrikbesitzer nicht ohne Bitterkeit in der Stimme.